Bevölkerungsantrag zur Reaktivierung

Wohnungsnot: Luzerner Mieterverband entstaubt altes Gesetz

Mario Stübi (links) und Daniel Gähwiler vom Luzerner Mieterverband stellten im Neubau ihren Bevölkerungsantrag vor. (Bild: mik)

Steigende Mieten, kaum freie Wohnungen: Der Luzerner Mieterverband möchte darum politisch aktiv werden. Dafür holt er ein altes Gesetz aus dem kantonalen Archiv. Mit diesem wären Umbauten oder Umnutzungen von Wohnungen künftig bewilligungspflichtig.

Vielen Luzernern ist bereits ein Brief ins Haus geflattert, der höhere Mieten ab Herbst ankündigt. Doch wer sich nach einer neuen Wohnung umsieht, der hat es schwer. Im gesamten Kanton Luzern waren am 1. Juni 2009 Wohnungen leer (zentralplus berichtete). Das sind 0,96 Prozent aller Wohnungen – in der Stadt Luzern liegt der Wert mit 1,14 Prozent leicht höher.

Das sind zwar wieder mehr freie Wohnungen als im letzten Jahr. «Aber nicht in einem Bereich, wo man sagen könnte, man findet eine freie Wohnung, wenn man eine braucht», wie Daniel Gähwiler, Co-Geschäftsleiter des Mieterinnen- und Mieterverbands Luzern (MV), im Rahmen einer Medienkonferenz am Dienstagvormittag sagt.

Diese haben er und Präsident Mario Stübi wegen des ausgetrockneten Wohnungsmarkts einberufen. Teurere Mieten, steigende Heiz- und Nebenkosten, kaum freie Wohnungen – all das schlage den Luzernerinnen aufs Portemonnaie. Im Juni und Juli habe der Mieterverband doppelt so viele Beratungen gehabt, als im Vorjahr (zentralplus berichtete).

Gesetz von 1990 reaktivieren

Für den Verband sei deshalb die Zeit gekommen, zu handeln. «Wir stehen jetzt an einem Moment, wo das Wasser noch nicht allen bis zum Hals steht und wir noch Spielraum haben, etwas an der Situation zu ändern», so Gähwiler. Handeln sei dringend nötig: Anfang September sagte der Chef des Bundesamts für Wohnungswesen, Marcel Tschirren, gegenüber dem «Blick», er rechne mit über 15 Prozent höheren Mieten bis 2026.

Dazu haben Stübi und Gähwiler aus dem Archiv des Kantons Luzern das inzwischen etwas verstaubte «Gesetz über die Erhaltung von Wohnraum» aus dem Jahr 1990 ausgegraben. Es hat den Zweck, Wohnraum und insbesondere preisgünstigen Wohnraum zu erhalten. Das Mittel dazu: Räume, die fürs Wohnen genutzt werden, dürfen nur mit Bewilligung der jeweiligen Gemeinde abgerissen, umgebaut oder künftig für etwas anderes als Wohnen umgenutzt werden.

Keine Zerstückelung von grossen Wohnungen mehr

Eine Bewilligung benötigen beispielsweise auch Sanierungen, wenn Vermieter anschliessend wesentlich höhere Mieten verlangen. Nur weil Wohnungen nicht mehr auf dem neuesten Stand sind, erhalten Eigentümer nicht automatisch die Bewilligung für den Umbau. Will also eine Eigentümerin ihr Gebäude aus den Sechzigerjahren erneuern, erhält sie die Baubewilligung nur, wenn nach dem Umbau gleich viele günstige Wohnungen angeboten werden als vorher.

Stübi nennt etwa als Beispiel, wenn bei Bauprojekten grosse Wohnungen in kleinere Wohnungen umgebaut werden. «Aus Sicht der Rentabilität ist das sinnvoll», so der SP-Grossstadtrat. Für zwei 2-Zimmer-Wohnungen und eine 1-Zimmer-Wohnung lasse sich mehr Miete verlangen als für eine 5-Zimmer-Wohnung. Künftig könnte die Stadt solchen Umbauplänen den Riegel vorschieben, da dabei eine bezahlbare Wohnung verloren ginge.

Wirkung des Gesetzes ist unklar

Noch greift dieses Gesetz nicht. Die Gemeinden können sich freiwillig dem Gesetz unterstellen, wenn sie kein genügendes Angebot an preisgünstigen Wohnungen haben. Hier kommt dann der Mieterverband ins Spiel: Mittels dringlichem Bevölkerungsantrag will er veranlassen, dass die Stadt Luzern sich zum nächstmöglichen Zeitpunkt dem Gesetz unterstellt. Ein Bevölkerungsantrag deshalb, weil sie den Antrag namens des Mieterverbands und der Bevölkerung machen wollen, statt parteipolitisch namens der SP.

Neu ist das Gesetz in der Stadt Luzern nicht. Bereits während der Wohnungskrise Anfang der 90er Jahre war es während acht Jahren in Kraft. Nur: Wie und ob es damals gewirkt hat, ist unklar. Das räumt auch Daniel Gähwiler ein. «Wieso wieder mehr Wohnungen verfügbar waren, ist im Nachhinein nicht genau nachweisbar.» Trotzdem ist er vom Gesetz überzeugt. Denn so werde bei jedem Umbau die Frage gestellt, was danach mit der Wohnung und dessen Mietzins passiert. Gemäss Stübi spreche zudem für das Gesetz, dass es in Luzern während acht Jahren aktiv war – die Höchstdauer. Hätte es nichts genützt, hätte die Stadt es schneller wieder abgeschafft, ist er überzeugt.

Sanierungen sollen trotzdem möglich bleiben

Ein Stopp für Bauprojekte, wenn danach die Wohnungen teurer werden – gleichzeitig fördern Kanton und Stadt Luzern energetische Sanierungen von älteren Häusern. Dabei steigen nicht selten auch die Mieten (zentralplus berichtete). Werden mit dem neuen Gesetz so nicht Sanierungen verunmöglicht?

«Nein», sagt Daniel Gähwiler. «Auch bei energetischen Sanierungen ist der Erhalt von günstigem Wohnraum möglich.» Vorausgesetzt, die Umbauarbeiten beschränken sich auch tatsächlich auf die Sanierungen. Doch oft würden die Umbauarbeiten zum Anlass genutzt, die Wohnungen weiter zu erneuern, um höhere Mieten danach zu rechtfertigen, wie er kritisiert.

Von der Stadt aus in den restlichen Kanton?

Die genaue Anwendung des Gesetzes überlassen Stübi und Gähwiler jedoch der Baudirektion. Erst müsse die Stadt sich dem jedoch wieder unterstellen. Hier will der Mieterverband zügig vorwärtsmachen: Der Plan ist, innerhalb weniger Tage die 200 benötigten Unterschriften zu bekommen, damit sie den Antrag möglichst bald einreichen können. Denn so würde sich das Parlament «im Idealfall» noch dieses Jahr mit dem Anliegen beschäftigen.

Wird das Gesetz in Luzern reaktiviert, hofft der Mieterverband, dass weitere Gemeinden nachziehen. Denn die Stadt Luzern ist bei weitem nicht die einzige Gemeinde, die nur wenige freie Wohnungen hat. So stehen beispielsweise in Kriens nur 0,6 Prozent der Wohnungen frei, in Horw gar nur 0,53. Mit dem Gesetz verschwinden davon die günstigen Wohnungen nur noch vom Markt, wenn tatsächlich jemand neues einzieht. So zumindest die Hoffnung des Mieterverbands.

Wohnungen statt Parkhäuser? Stadtrat lehnt ab

Im Rahmen eines Postulats hat Mario Stübi (SP) dem Stadtrat kürzlich eine weitere Idee zur Bekämpfung der Wohnungsnot unterbreitet. Die Stadt Luzern soll die Parkhäuser Altstadt und Kesselturm zu Wohnungen umfunktionieren (zentralplus berichtete). Der Stadtrat lehnt das Postulat jedoch ab, wie er in seiner am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme schreibt. Zum einen sei die Stadt nicht Besitzerin der Parkhäuser und könne deshalb nicht eigenständige Entscheidungen über die Unternehmen treffen.

Zum anderen seien Parkhäuser ein wichtiger Teil des Parkierungskonzepts der Stadt. Bis 2040 will die Stadt die Hälfte der öffentlichen Parkplätze abschaffen. Autos würden deshalb vermehrt in Parkhäuser verlagert, so der Stadtrat. Auch fügt die Stadt an, dass die beiden Parkhäuser nur bedingt als Wohnräume geeignet sind, da diese sehr nahe am Verkehr liegen und kaum Freiräume in der Nähe böten.

Stübi ist über die Ablehnung des Stadtrats enttäuscht: «Es schleppt nämlich mit der Erweiterung des gemeinnützigen Wohnraums in der Stadt Luzern und hier böte sich eine prima Gelegenheit dafür.» Auch das Argument der fehlenden Eignung als Wohnraum wegen der Lage lässt er nicht gelten, denn bereits heute leben Luzernerinnen am Hirschengraben und Kasernenplatz. Er hält darum am Anliegen fest und möchte diesem zusammen mit den Grünen eine Mehrheit verschaffen.

Verwendete Quellen
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