Wohnen & Bauen
Was die Ombudsstelle 2022 zu tun hatte

Wohnungsnot: 35-jähriger Zuger zieht wieder zu Eltern

Ein 35jähriger Zuger schläft nach erfolgloser Wohnungssuche auf dem Sofa seiner Eltern – eine unbefriedigende Situation für beide Seiten. (Bild: Symbolbild: Unsplash / Mert Kahveci)

Kaum oder nur teure Wohnungen: 2022 haben viele Fälle von Wohnungsnot die Zuger Ombudsstelle erreicht. Selbst Sozialarbeiterinnen melden sich verzweifelt bei der Ombudsfrau. Doch nicht immer kann sie helfen.

Herr B. ist ein gepflegter Mann, bemüht sich stets um einen guten Eindruck. Was man ihm nicht ansieht: Der Zuger ist faktisch obdachlos. Seit er bei seiner Ex-Freundin ausgezogen ist, findet er keine Wohnung. Auch eine Arbeit hat der 35-Jährige nicht mehr. Vor kurzem hat er sich durchgerungen, sich zum ersten Mal beim Sozialamt anzumelden. Dies war nur möglich, da er die Adresse seiner Eltern angeben durfte. Auf deren Sofa dürfe er jedoch nur ab und an notfallmässig übernachten. Eigentlich wollen sie ihn nicht. Für ihn sei das alles «sehr entwürdigend».

Herr B. ist einer der 166 Fälle, mit denen die Zuger Ombudsstelle 2022 zu tun hatte. Seinen Fall hat die Ombudsfrau Bernadette Zürcher in ihrem Jahresbericht exemplarisch hervorgehoben. Dieser ist seit Dienstag öffentlich und zeigt, dass viele Zugerinnen mit demselben Problem zu kämpfen haben: der Wohnungsnot.

Sozialarbeiter verzweifeln bei Wohnungssuche

Zwar habe preisgünstiger Wohnraum die Ombudsstelle schon immer beschäftigt, wie Zürcher im Vorwort schreibt. Jedoch nie in diesem Ausmass. Ein Grund sei die Ukraine-Krise, wie Zürcher sagt. Jedoch nicht nur. Sie habe sich mit Leitern von Durchgangsstationen ausgetauscht, die unter anderem Unterkünfte für Flüchtlinge organisieren. Die Wohnungssuche für bedürftige Personen war bereits vor dem Krieg schwierig. «Die Wohnungsnot lässt sich nicht einfach auf die Ukraine-Krise abwälzen.» Trotzdem sei der Mangel an Wohnungen derzeit stärker zu spüren. Inzwischen bieten Zuger sogar freiwillig an, mehr Miete zu bezahlen, nur, um eine Bleibe zu finden (zentralplus berichtete).

Die Zuger Ombudsfrau Bernadette Zürcher ist die Schnittstelle zwischen Bevölkerung und Verwaltung.
Die Zuger Ombudsfrau Bernadette Zürcher ist die Schnittstelle zwischen Bevölkerung und Verwaltung. (Bild: zvg)

Bei der Zuger Ombudsstelle würden sich inzwischen Sozialarbeiter melden, die für ihre Klienten keine Wohnungen finden. Sie fühlten sich im Stich gelassen und würden bei den Behörden kein Interesse an der Schaffung von günstigen Wohnungen erkennen. Im Moment sei es schlicht unmöglich, bezahlbare Wohnungen zu finden – egal für wen (zentralplus berichtete). «Bei den Sozialarbeitern habe ich am Telefon zwei-, dreimal fast etwas Verzweiflung herausgehört», erzählt Zürcher.

«Irgendwann sind mir die Hände gebunden. Ich kann dann nur versuchen, Alternativen aufzuzeigen.»

Bernadette Zürcher, Zuger Ombudsfrau

Helfen könne sie in solchen Fällen nicht viel. «Ich rate ihnen dann jeweils, sich im Team zusammenzutun und das Problem auf kommunaler Ebene anzusprechen.» Dieses Problem müsse politisch angegangen werden. Erst im letzten Jahr haben Kantone und Gemeinden nach einer Studie zur Obdachlosigkeit in der Schweiz anerkannt, dass sie dieses Problem stärker bekämpfen müssen. «Die Sozialarbeiter müssten ihren Problemen Gehör verschaffen. Wir brauchen Unterstützung, es gibt nicht genug günstigen Wohnraum, als dass wir unseren Auftrag erfüllen könnten», so Zürcher.

Notgedrungen in eine WG

Neben Sozialarbeitern haben sich auch Privatpersonen wie Herr B. gemeldet. «Er hat nach dem Auszug in Zug schlicht nichts mehr Bezahlbares gefunden», so Zürcher zum Fall. Die Not solcher Menschen bleibe lange Zeit unsichtbar, da sie sich schämten, Hilfe zu holen. Im Bericht schildert sie, wie Menschen wie Herr B. von Sozialdiensten oft pauschale Listen mit Angaben von Pensionen, Hotels oder der Notschlafstelle des Kantons Luzern erhalten. Was jedoch meist nur temporäre Angebote sind – die also dem 35-Jährigen nicht wirklich helfen.

Im Gespräch habe Zürcher versucht, mit ihm zusammen alternative Lösungen zu suchen. «Als mögliche Lösung haben wir gedacht, dass er sich eine WG in einer schönen Wohnung suchen könnte. Wenn die Not so gross ist, muss man auch bereit sein, gewisse Kompromisse einzugehen.»

Ganz glücklich darüber ist auch sie nicht: «Das greift natürlich in die persönliche Freiheit ein.» Zaubern könne sie aber nicht. «Irgendwann sind mir die Hände gebunden. Ich kann dann nur versuchen, Alternativen aufzuzeigen.» Jedoch seien WGs nicht für alle eine Option. Etwa für eine Flüchtlingsfamilie mit vier Kindern. «In solchen Fällen fühle auch ich mich hilflos. Schliesslich ist wohnen existenziell.»

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