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Die Stadt Luzern saniert die Zürichstrasse 34 – die aktuellen Mieter müssen raus. Danach sind die Mieten doppelt so teuer. Das hat die Politik auf den Plan gerufen.
Die Stadt Luzern hat entschieden: Die Liegenschaft an der Zürichstrasse 34 in Luzern wird totalsaniert, und die aktuellen Mieterinnen müssen ausziehen (zentralplus berichtete). Laut dem Stadtrat ist die Sanierung im bewohnten Zustand nicht umsetzbar. Das schreibt er in seiner Antwort auf eine Interpellation der Grünen und jungen Grünen.
Die Zürichstrasse 34 ist kein Einzelfall. Sanierungen mit Leerkündigungen häufen sich in Luzern. Eine Leerkündigung bedeutet, dass Mieter aufgrund einer geplanten Sanierung oder Umnutzung des Gebäudes ausziehen müssen. Ohne eine direkte Möglichkeit, um zu den bisherigen Mietkonditionen zurückzukehren.
Die Stadt argumentiert, dass das Gebäude – zuletzt 1977 totalsaniert – nicht mehr heutigen baulichen und energetischen Vorschriften entspreche. Ein umfassender Eingriff sei notwendig, um den Schallschutz, den Brandschutz und die Erdbebensicherheit zu verbessern. Diese Arbeiten erforderten eine Bauzeit von bis zu 18 Monaten, in denen das Wohnen im Gebäude unzumutbar wäre.
Totalsanierung – aber um welchen Preis?
Für die betroffenen Mieter ist die Konsequenz klar: Sie verlieren ihr Zuhause. Die Bewohnerinnen wissen seit August 2024 Bescheid, dass es im Sommer 2025 zu einer Totalsanierung kommt.
Aufgrund des Alters des Gebäudes lagen die bisherigen Mietpreise knapp unter 1000 Franken für eine 4-Zimmer-Wohnung – nach der Sanierung werden sie voraussichtlich doppelt so hoch sein, schreibt die Stadt. Zwar betont sie, dass die Mieten «moderat» bleiben würden und unter dem Marktniveau liegen, doch für viele Bewohner wird die Mieterhöhung wohl nicht tragbar sein. Und doch: Es hätten Mieter Interesse an einer Rückkehr gezeigt. Deshalb erachte der Stadtrat die Rückkehr der Mieterinnen als realistisch.
Ein Drittel kann es sich nicht leisten
Daniel Gähwiler vom Mieterinnen- und Mieterverband Zentralschweiz ist weniger zuversichtlich: «Totalsanierungen sind ein harter Eingriff für die betroffenen Mieterinnen und Mieter, besonders in einer Zeit der Wohnkrise, in der Wohnungen knapp und Mieten hoch sind», erklärt er. Laut einer Studie von Wüest und Partner könne sich rund ein Drittel der Schweizer Haushalte den Umzug in eine gleich grosse Wohnung am selben Ort nicht leisten. «Verdrängung und weitere Wohnungsknappheit sind die Folgen.»
Auch wenn es hart erscheinen mag, ist eine Totalsanierung gerade bei älteren Gebäuden oft unumgänglich. Die Stadt unterstützt nach eigenen Angaben die betroffenen Personen bei der Suche nach einer neuen Wohnung. Sie biete im besten Fall Wohnungen aus dem eigenen Portfolio an und gewähre den Betroffenen den Vorrang bei einer späteren Rückkehr in die sanierte Wohnung.
Leerkündigung ist kein Einzelfall
Dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handelt, zeigt ein Blick auf weitere Luzerner Liegenschaften. Die Adligenstrasse 3/5 und 9/11 in Emmenbrücke, der Bundesplatz 4/4a in Luzern oder der Kaufmannweg 34 sind nur einige Beispiele für Leerkündigungen aufgrund von Sanierungen in den letzten Monaten. Der Mieterinnen- und Mieterverband fordere daher, dass bestehender Wohnraum stärker geschützt wird. «Mit immer mehr Totalsanierungen verschwindet der preisgünstige Wohnraum, während kaum neuer erschwinglicher Wohnraum entsteht», betont Gähwiler.
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Theoretisch haben Mieterinnen und Mieter die Möglichkeit, die Kündigung vor der Schlichtungsbehörde anzufechten und um eine Fristerstreckung zu ersuchen. In vielen Fällen werden solche Anträge jedoch nur für wenige Monate gewährt. Gähwiler hält eine Streckung der Frist daher für denkbar.
Die Schattenseiten zeigen sich in Basel
Luzern steht mit dem Problem der Totalsanierungen nicht alleine da. Im Mai 2022 hat Basel-Stadt strengere Mieterschutzregeln eingeführt. Die Änderung geht auf eine angenommene Initiative des Basler Mieterinnenverbands zurück. Das sei aber auch nicht aller Dinge letzter Schluss, wie die «NZZ» berichtet. Der Mieterschutz bremse den Wohnungsbau in Basel aus, schreibt sie.
Auch auf nationaler Ebene gab es kürzlich eine politische Initiative zum Schutz vor Leerkündigungen – doch diese wurde von der bürgerlichen Mehrheit im Ständerat abgelehnt.
Für die Mieter der Zürichstrasse 34 käme eine solche Initiative sowieso zu spät. Sie müssen sich eine neue Bleibe suchen. Während die Stadt Luzern betont, dass sie Leerkündigungen nur als «Ultima Ratio» einsetzt, zeigt die Realität: Diese letzte Massnahme wird immer häufiger zur Norm.
- Antwort des Stadtrats auf Interpellation der Grünen
- Schriftlicher Austausch mit Daniel Gähwiler, Mieterinnen- und Mieterverband
- Artikel in der «NZZ»