Stadt mit Sonderrecht? Zug sollte nach Genf schauen
Führt ein Vorkaufsrecht zu mehr günstigen Wohnungen? Das ist umstritten. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)
Zuger Linke wollen ein Vorkaufsrecht für Gemeinden einführen. In Teilen der Westschweiz ist das bereits Praxis. Daraus lassen sich durchaus interessante Schlüsse ziehen.
Eigentlich standen die Sterne gut. Kantonsräte der FDP, Mitte, ALG, GLP und SP forderten parteiübergreifend ein unlimitiertes Vorkaufsrecht für Zuger Gemeinden. Ihr Ziel: Gemeinden ermächtigen, Grundstücke und Immobilien für den gemeinnützigen Wohnungsbau zu sichern.
Doch aus ihrer Motion wurde nichts: Die Regierung sagte nein, der Kantonsrat im November 2024 ebenso (zentralplus berichtete). Kürzlich wurde dann klar, dass sich die ALG nicht geschlagen gibt.
Die Partei will eine Initiative zum Vorkaufsrecht lancieren (zentralplus berichtete). Und trifft damit einen Nerv. Die Leerwohnungsziffer in Zug beträgt gerade einmal 0,4 Prozent. Beim Wohnungsbau muss es also vorwärtsgehen. Auch beim günstigen, wenn der Mittelstand nicht weiter verdrängt werden soll. Doch ob das kommunale Vorkaufsrecht ein geeignetes Mittel ist, darüber wird in der Schweiz seit Jahren gestritten.
Weiterlesen, sonst verpasst du:
warum Dutzende Städte in der Schweiz ein Vorkaufsrecht wollen
was Wissenschaftler des Bundes dazu sagen
welche Erfahrung Genf gemacht hat – ein Kanton, der das Recht seit 1978 kennt
Viele Städte halten Vorkaufsrecht für sinnvoll
In Bundesbern wird schon lange über Vorkaufsrechte nachgedacht. Denn viele Städte unterstützen die Idee. Das zeigt eine Umfrage im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesen (BWO) und des Schweizerischen Städteverbandes (SSV) von Ende 2022. Rund 60 von 130 angefragten Städten nahmen daran teil.
80 Prozent gaben an, über zu wenig Baulandreserven zu verfügen. Viele würden gerne mehr Land kaufen, was wegen der Preise aber unrealistisch sei. Als Lösung nannten die Befragten in 80 Prozent der Fälle ein Vorkaufsrecht von Bauland und Liegenschaften.
Bern empfiehlt ein eng definiertes Recht
Auch rechtlich gab es grünes Licht. Bereits im Jahr 2014 hat der Bundesrat das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) beauftragt, das Vorkaufsrecht zu beleuchten.
Im Bericht der Wissenschaftler steht, ein Vorkaufsrecht müsse «eng» definiert werden, sei dann aber verhältnismässig, obwohl es «leicht» in die Eigentumsgarantie und die Wirtschaftsfreiheit eingreife.
Folgende Leitplanken wurden definiert: keine «finanziellen Einbussen» für den Verkäufer, keine Verzögerungen beim Geschäft, keine Anwendung bei Erbgang oder Schenkung und nur für Grundstücke einer gewissen Grösse. Private Kaufwillige sollten ausserdem das Grundstück selbst für den Vorkaufszweck nutzen dürfen.
Umsetzung in der Schweiz harzt
Doch diese Einschätzung des Vorkaufsrechts lässt sich nur schwer in Realpolitik umsetzten. Das zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre.
2020 stimmte das Schweizer Stimmvolk gegen die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen», die Vorkaufsrechte stärken wollte. Im Sommer 2024 lehnte der Zürcher Regierungsrat nach einer kantonalen Volksinitiative das Vorkaufsrecht ebenfalls ab. Zu schwer sei der Eingriff in die Eigentumsfreiheit. Und: Kürzlich hat auch der Nationalrat zwei Vorstösse dazu abgeschmettert.
In der Westschweiz nichts Neues
Eine Ausnahme zu diesem Skeptizismus bildet die Westschweiz. In den beiden Kantonen Waadt und Genf kennt man ein eng definiertes Vorkaufsrecht. Der Kanton Genf praktiziert es seit 1978, Waadt seit 2020 als Folge eines Referendums.
Gemäss Informationen der «NZZ» findet im westlichsten Kanton das Vorkaufsrecht allerdings nur selten Anwendung. Von 800 Transaktionen, die Genf in den Jahren 2017 bis 2021 näher anschaute, wurde die Prozedur nur viermal aktiviert. Gemeinden taten dies nicht viel öfter.
Ansonsten interveniere der Kanton nur «präventiv». Genf beeinflusst Investoren also, wenn ein Projekt nicht mit seinen Wohnbauzielen übereinstimmt, sich aber in einer «Entwicklungszone» befindet. Auch in der Waadt hält sich die Nutzung des Rechts Medienberichten zufolge in Grenzen. Dies zeigt: Ein Vorkaufsrecht erfüllt seine Wirkung nicht nur durch Anwendung, sondern bereits durch seine Existenz.
Gemeinden müssen Areale nicht immer selbst erwerben. Die Möglichkeit, das Vorkaufsrecht zu nutzen, versetzt sie vielmehr in eine stärkere Verhandlungsposition gegenüber Investoren. So können Gemeinden einfacher Forderungen stellen, wie «verdichtet» ein Areal bebaut wird oder wie viel preisgünstige Wohnungen darauf entstehen sollen.
Für die Debatte in Zug könnte dieser Aspekt durchaus von Interesse sein.
Was der Kanton Zug zum Vorkaufsrecht sagt
Alain B. Fuchs, Präsident des Hauseigentümerverbands Zugerland, hält Genf allerdings für ein schlechtes Vorbild. Vorkaufsrechte würden zu einem «staatlich kontrollierten Wohnungsmarkt» beitragen und Investoren abschrecken. Dadurch werde nicht eine günstige Wohnung mehr gebaut (zentralplus berichtete).
Ähnlich erklärt es Baudirektor Florian Weber (FDP): «Die Zuger Regierung lehnt ein Vorkaufsrecht für Gemeinden ab. Es ist nicht Aufgabe des Staates, so stark in den privaten Wohnungsmarkt einzugreifen.» Ein aktives Vorkaufsrecht würde die Eigentumsfreiheit einschränken, Geschäfte verkomplizieren, es könne zu Verzögerungen sowie Unsicherheiten kommen.
Stattdessen will der Kanton gemeinnützige Bauträgerschaften mit höheren und längeren Darlehen stärken. So steht es in der Wohnpolitischen Strategie 2030, dem grossen Plan des Kantons für mehr Wohnraum und mehr günstige Wohnungen (zentralplus berichtete). Gleichzeitig hält die neue Bauordnung der Stadt Zug fest, dass im Verdichtungsgebiet 40 Prozent des neuen Wohnraums preisgünstig sein sollen (zentralplus berichtete).
Hat die ALG mit ihrer geplanten Initiative für ein Vorkaufsrecht nun reelle Chancen? Ja, das hat sie. Landesweit gibt es Befürworter. Aber es dürfte mehr als harzig werden. Denn: Bisher hat sich die breite Gegnerschaft national und in anderen Kantonen meistens durchgesetzt.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.