Blick vom 81 Meter hohen Parktower auf das Stadthaus. (Bild: Andreas Busslinger)
Liberale Experten präsentieren in einer Studie spektakuläre Ideen für ein Quartier mit 100-Meter-Hochhäusern in Zug Nord. Um die Wohnkrise zu lösen, fordern sie radikales Denken.
Als New York im 19. Jahrhundert grösser wurde, konnte Manhattan nur nach Norden wachsen, also den Fluss hinauf. Dadurch wurde alles in Richtung Norden bekannt als Uptown und der historische Stadtkern im Süden als Downtown. Schnell schossen die Hochhäuser in den Himmel.
Ähnlich geht es im 21. Jahrhundert auch der Stadt Zug. Nach Jahrzehnten des Erfolgs platzt die Stadt aus allen Nähten, während Menschen weiter zuziehen. Doch im Süden begrenzen See und Berge das Wachstum. Land gibt es vor allem im Norden.
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Das Grenzgebiet zu Baar rückt daher immer stärker in den Fokus. Zugs eigenes Uptown, könnte man sagen. Dort gibt es eine unbebaute Bauzone (zentralplus berichtete). Doch auch die reicht nicht, um die Wohnkrise zu lösen.
Radikale Freiheit soll für mehr Wohnraum sorgen
Eine Gruppe von einflussreichen Experten hat im Auftrag der Baudirektion des Kantons Zug daher radikale neue Ideen entwickelt. Und auf einer Fläche von 34 Fussballfeldern in Zug und vor allem Baar getestet. Kurz: Private sollen Hochhäuser bauen, unter geringsten Auflagen und Vorschriften.
In der 80-seitigen Studie, die zentralplus vorliegt, wagen die Autoren «ein planungsrechtliches und immobilienökonomisches Gedankenexperiment». Ihre Ansätze passen zu den Zielen des Kantons. Auch er will mit der «Wohnpolitischen Strategie 2030» vor allem Regeln abbauen (zentralplus berichtete).
Kern der Studie sind drei Neuheiten:
Hinter der Studie stehen bekannte Experten
Verfasst haben die Studie der Unternehmensberater Thomas Held, ehemaliger Chef der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse (zentralplus berichtete). Ausserdem Beat Weiss, Verwaltungsratspräsident der Tech Cluster Zug AG, zwei Immobilienberater von Fahrländer Partner, zwei Architekten des Studio Märkli sowie Christoph Schweiger, Rechtsanwalt und Partner einer der bekanntesten Kanzleien der Stadt Zug.
Die Bauexperten argumentieren, es sei Zeit, «Out-of-the-Box» zu denken. Ihr «Gedankenexperiment» sei keine Utopie und angesichts der Wohnkrise, die selbst dem Mittelstand zusetzt, vielleicht sogar politisch durchsetzbar.
Das sind die Ideen des «Gedankenexperiments»
Ihre Ideen: In der «weissen Zone» gelten keine Ausnützungsvorgaben, keine Abstandsbeschränkungen und keine Grundordnung. Es braucht keine komplizierten Bebauungspläne wie heute. 100-Meter-Hochhäuser können in «Regelbauweise» entstehen. Erst wenn eine festgelegte Anzahl Wohnungen gebaut wurde, gilt wieder die Grundordnung.
Verantwortlich fürs Bauen sind die Nachbarn selbst. Sie sollen einfache Gesellschaften bilden und als Bauträger auftreten. In einer «privatrechtlichen Planungsvereinbarung» regeln sie Ansprüche. Auch Nachbarn, die zum Beispiel vom Schattenwurf betroffen sind, dürfen am Tisch sitzen. Das soll das Risiko von späteren Einsprachen verringern.
Der öffentlichen Hand kommt eine untergeordnete Rolle zu. Sie soll vermitteln und eventuell mit Garantien bei der Kreditbeschaffung helfen. Damit auch günstige Wohnungen entstehen und Zuger profitieren, soll sie ausserdem Regeln für «transparente Kostenmiete» und Zuger-First festlegen.
Heute darf man nur 80 Meter hoch bauen
Um ihre radikalen Ideen am Schreibtisch zu testen, haben die Experten ein Gebiet zwischen Zug und Baar identifiziert, 22 Nachbarschaften festgelegt und Testrechnungen durchgeführt. Ihre Vorgabe: aus den heutigen 500 Wohnungen im Gebiet 2000 machen. Ohne Kulturland zu bebauen, einzig durch Verdichtung.
Das Ergebnis: Hochhäuser und grosse Komplexe sind ökonomisch am attraktivsten, da viel Wohnraum auf wenig Fläche entsteht. Ein Anreiz für die Nachbarschaften, die bauen sollen. «Diese Massstabsprünge im Ortsbild mögen ungewohnt anmuten, sind aber aus historischer Sicht nichts Neues», argumentieren die Autoren. Wachsende Städte wachsen eben in die Höhe.
100-Meter-Hochhäuser wären eine radikale Veränderung. Gemäss geltendem Hochhausreglement der Stadt Zug ist eine Bauhöhe von 80 Metern ausnahmsweise zulässig, wenn ein überzeugender Bebauungsplan vorliegt.
Hochhäuser und Zug: Eine komplizierte Geschichte
Hochhäuser werden in der Schweiz seit jeher kritisch diskutiert. Während die Immobilienbranche die effiziente Bauweise und den Wohnraumgewinn betont, kritisieren Linke und Landschaftsschützer die Eingriffe ins Ortsbild. Ausserdem gelten Abrisse, die mit dem Hochhausbau meist einhergehen, als klimaschädlich.
Trotzdem will auch die Stadt Zug in die Höhe wachsen. Dies zeigen Stadtraum- und Hochhauskonzepte der vergangenen Jahre. Kürzlich wurde bekannt, dass die Stadt selbst ein 60 Meter hohes Hochhaus beim Theilerplatz plant (zentralplus berichtete). Es wird sich einreihen in die Skyline aus Uptown, Parktower, dem Hochhaus Schweizer Obstverband und dem B125.
Auch in Zug Nord sind mit der Überbauung Unterfeld Süd und dem Tech Cluster weitere Wohntürme in Planung. Doch nicht ohne Gegenwehr: Gegen das Hochhaus Pi des Tech Cluster wurde das Referendum ergriffen. Es passe nicht ins Ortsbild. Und würde für den Abriss eines Wohnblocks sorgen (zentralplus berichtete).
Dies zeigt: Zugs Hochhausträume sind keine Neuigkeit, sondern fast schon Tradition. Die neue Studie schlägt eine Art Wilder Westen vor, in dem die Grundordnung ausgesetzt wird, um möglichst schnell in die Höhe zu bauen. Das wäre investorenfreundlich und würde schnell Wohnraum schaffen. Ob Private daran Interesse haben und ob die Zuger Bevölkerung das überhaupt will, steht aber auf einem anderen Blatt.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.