Entsteht im Kanton Zug neuer Wohnraum im grösseren Stil, muss oft auch preisgünstiger Wohnraum erstellt werden. Bloss: So günstig ist der oft gar nicht, wie ein aktuelles Beispiel aus Baar zeigt.
Die Korporation Baar-Dorf lässt derzeit oberhalb von der Burgmatt, im sogenannten Vogelwinkel, 106 Wohnungen bauen. Ab April 2025 sollen die ersten zum Bezug bereit stehen. Bereits jetzt kann man sich auf diese bewerben, das Interesse scheint gross zu sein. Das ist kein Wunder, denn Wohnraum im Kanton Zug ist bekanntlich sehr knapp.
Unter den 2,5- bis 6-Zimmer-Wohnungen befinden sich auch vermeintlich preisgünstige Liegenschaften. «Vermeintlich» darum, weil die Preise so angesetzt sind, dass sie gemeinhin wohl kaum als «preisgünstig» wahrgenommen werden.
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Ein Beispiel: Eine 3,5-Zimmer-Wohnung, welche knapp 94 Quadratmeter bewohnbare Fläche bietet und in die Kategorie preisgünstige Wohnung nach Kostenmietmodell fällt, kostet netto monatlich 2400 Franken. Die Bruttomiete beträgt 2650 Franken.
Eine andere Wohnung – es handelt sich um eine 4-Zimmer-Wohnung mit fast 120 Quadratmetern bewohnbarer Fläche, schlägt netto mit fast 2700 und brutto mit knapp 3000 Franken zu Buche. Diese Wohnung unterliegt den Anforderungen des Wohnbauförderungsgesetzes (WFG).
Eigentlich hätten die Baukosten deutlich tiefer liegen sollen
Der Grund, warum die Mietpreise im Vogelwinkel nicht günstiger ausfallen, liege grösstenteils an den Baukosten, heisst es bei der Korporation Baar-Dorf. Geschäftsführer Martin Urscheler sagt auf Anfrage: «Die Erstellung der Gebäude in dieser Lage und mit der Anpassung an die Topografie sind kostenintensiv. Corona und die Kriegssituation in der Ukraine trieben unter anderem die Rohstoffpreise in die Höhe. Zudem sorgten Baueinsprachen für Verzögerungen, die uns letztlich Zeit und somit viel Geld kosteten.»
Ebenfalls habe der Baugrund unschöne Überraschungen zutage gebracht. «Wir mussten viel mehr Bohrungen durchführen als ursprünglich geplant.» Dies, weil der Untergrund an dieser Lage völlig durchfurcht sei. «Mal stiessen wir in vier Metern Tiefe auf eine harte Gesteinsschicht, direkt daneben auf erst zehn Metern. Das war anspruchsvoll.»
Weiter betont Urscheler: «Die bauliche Qualität der Überbauung und der Ausbaustandard der neuen Wohnungen sind sehr hoch, und diese Qualität hat ihren Preis. Da wollten wir keine Abstriche machen, denn schliesslich sollten sie 50 bis 80 Jahre halten.»
Auflagen von Kanton und Gemeinde
Nichtsdestotrotz unterstehen rund 20 Prozent der bewohnbaren Fläche im Vogelwinkel den Kriterien für preisgünstigen Wohnraum. «Vom Kanton Zug erhielten wir die Auflage, Wohnraum gemäss Wohnraumförderungsgesetz zur Verfügung zu stellen. Die Gemeinde verpflichtete uns zudem dazu, Wohnraum nach dem Kostenmietmodell anzubieten.»
Bei den Wohnungen, die zur Kostenmiete (KM) angeboten werden, verpflichtet sich die Korporation, unter einem maximal zulässigen Mietzins zu bleiben. «Bei beiden Modellen geht es darum, Wohnraum für jene Personen zu ermöglichen, die über nicht allzu viel steuerbares Vermögen verfügen», sagt Urscheler. Hier orientiert sich die Korporation Baar-Dorf am Steuerauszug, der bei der Bewerbung mitgeschickt werden muss.
Günstige Wohnungen im Vogelwinkel entsprechen kantonalen Vorgaben
Eine 4-Zimmer-Wohnung für netto knapp 2700 Franken pro Monat klingt zwar nicht günstig, liegt aber im vom Kanton vorgegebenen Raster für die kostendeckende Miete nach dem Kostenmietprinzip. Gemäss diesem soll sich eine 4-Zimmer-Wohnung preislich im Rahmen zwischen 2400 und 2700 Franken netto pro Monat bewegen.
Ob jemand in die WFG-Wohnungen ziehen kann, prüfe die Korporation Baar-Dorf. «Wir verlangen zwar von den Bewerbern einen Steuerauszug für die Selektion. Jedoch prüft der Kanton, wer Anspruch auf eine Mietreduktion über kantonale Beiträge im preisgünstigen Wohnraum hat», so der Geschäftsführer der Korporation.
Dass die Mieten der neu erstellten Liegenschaften beim Vogelwinkel nicht sehr günstig sind, dessen ist sich Urscheler bewusst. «Um die preisgünstigen Wohnungen viel günstiger zu machen, müssten wir die übrigen Wohnungen im Vogelwinkel deutlich teurer vermieten.» Denn schliesslich, so der Geschäftsführer, müssten die Kosten von der Korporation gedeckt werden.
«Aus unserer Sicht wäre eine solche Quersubventionierung nicht fair.» Man dürfe zudem nicht vergessen, dass die Korporation Baar-Dorf indes über viele Wohnungen verfüge, die deutlich günstiger vermietet würden. Diese lägen unter dem genannten Preisrahmen des preisgünstigen Wohnraums, betont Urscheler.
Ausserdem sagt er: «Uns war es bei der Festlegung der Mietpreise sehr wichtig, dass wir das sorgfältig, korrekt und fair machen. Entsprechend liessen wir diese auch durch ein externes Gutachten prüfen. Gemäss den Erkenntnissen davon liegen auch jene Wohnungen, die zur Marktmiete angeboten werden, im preislichen Mittelfeld.»
Wohnungen andernorts sind günstiger
Wie steht die neue Überbauung Vogelwinkel im Vergleich zu anderen Projekten da? Ein Blick nach Hünenberg: Die dortige Korporation realisierte vor einiger Zeit die Wohnsiedlung Schlattwäldli 1-6. Diese wurde – mit Ausnahme der zwölf Attika-Wohnungen – nach WFG-Kriterien erstellt. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung kostet dort gemäss Angaben des verantwortlichen Immobilienverwalters 1650 Franken netto.
Die neue Überbauung Chäsimatt in Rotkreuz wurde zwar nicht von einer Korporation, sondern von der Rotkreuzhof Immobilien AG erstellt. Geschäftsführer Kurt Müller sagt auf Anfrage: «Als familiengebundene Immobilien AG sind wir uns der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, dass es vor allem für einheimische junge Familien und junge Erwachsene schwierig ist, im Kanton Zug günstige Wohnungen zu finden.»
Eigenen Angaben zufolge kostet eine 3,5-Zimmer-Wohnung dort netto durchschnittlich 2150 Franken, eine 4,5-Zimmerwohnung 2400 Franken. «Auflagen des Kantons für preisgünstigen Wohnungsbau hatten wir keine. Das wäre auch nicht nötig gewesen, da wir das ja sowieso machen.»
Was preisgünstig ist, wird oft situativ entschieden
Es gilt jedoch zu betonen: Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Überbauungen, Bauherrschaften und Gemeinden zu ziehen ist schwierig. Die Wohnungen im Schlattwäldli sind nicht mehr brandneu. Sie wurden vor rund 15 Jahren realisiert. Ausserdem dürfte Hünenberg auf viele eine weniger grosse Anziehungskraft haben wie Baar. Und auch Beat Suter, der Immobilienverantwortliche der Korporation Hünenberg, betont auf Anfrage, dass insbesondere Anlagekosten, Erstellungskosten und das Land entscheidend seien für preisgünstige Wohnungen.
Journalistin und langjährige Autorin bei zentralplus. Schreibt über politische Querelen, aufregende Bauprojekte und gesellschaftlich Bewegendes. Am liebsten jedoch schreibt sie über Menschen. Und natürlich Hunde.