Interview zum neuen Luzerner Theater

Projektleiter: «Wenn man baut, stört man immer jemanden»

Für Daniel Lengacher war die Arbeit am neuen Luzerner Theater – hinter ihm das heutige Gebäude – ein «Herzensprojekt». (Bild: kok)

Der Architekt Daniel Lengacher hat die Überarbeitung des Theaterentwurfs in Luzern organisiert. Im Interview stellt sich der Projektleiter der Kritik am Bau.

Die Stadt Luzern will im Jahr 2030 ihr neues Theater eröffnen. Rund 130 Millionen Franken soll der Anbau kosten und zum offenen Haus werden, auch für Menschen, die nicht ins Theater gehen. Unterstützung gibt es von der Theaterstiftung, der Stadt und dem Kanton sowie von Lokalprominenz und Wirtschaft (zentralplus berichtete).

Vergangene Woche erschien der überarbeitete Wettbewerbsentwurf der Ilg Santer Architekten. Sie hatten seit vergangenem Sommer an ihrem Siegerprojekt «überall» gefeilt. Einer der wichtigsten Ansprechpartner bei der Stadt Luzern war Projektleiter Daniel Lengacher. Im Interview erzählt er, was im letzten Jahr passiert ist – und warnt: Noch ist das Theater nicht «in trockenen Tüchern».

zentralplus: Daniel Lengacher, mit dem Neubau auf dem Theaterplatz geht ein Freiraum verloren. Bedauern Sie das?

Daniel Lengacher: Ich habe den Ort immer als Baulücke empfunden und nicht als Platz. Seit dem Abriss des Freienhof im Jahr 1949 gab es keine dauerhafte Nutzung (zentralplus berichtete). Aufgehalten habe ich mich auf dem Theaterplatz auch nie. Ich bin froh, dass diese Lücke jetzt geschlossen wird. 

zentralplus: Was war Ihre Aufgabe als Projektleiter bei der Überarbeitung?

Lengacher: Mitte Juni 2023 bin ich zum Team der Stadt gestossen. Als Erstes haben wir eine Liste erstellt, mit allen Kritikpunkten der Jury, der Verbände, des Stadtrats und der Öffentlichkeit. Dann habe ich mit dem städtischen Team und den Ilg Santer Architekten eine Arbeitsweise entwickelt für die Projektüberarbeitung.

Der Freienhof zwischen Jesuitenkirche und Luzerner Theater, um circa 1900. (Bild: Stadtarchiv Luzern)

zentralplus: Und die wäre?

Lengacher: Wir haben ein zehnköpfiges Begleitteam gebildet, in dem Stadt, Jury, Denkmalpflege und Theater vertreten waren. Anschliessend haben wir vier Workshops abgehalten, bei denen die Architekten jeweils ihren Arbeitsstand präsentierten. Wir diskutierten, beurteilten, kritisierten und besprachen das weitere Vorgehen. So ging es Runde um Runde.

zentralplus: Die Vorstellungen der Verwaltung, des Theaters und der Architekten unter einen Hut zu bringen, erscheint sehr schwierig.

Lengacher: Alle haben kritisch nachgehakt, aber auch am gleichen Strick gezogen. Das habe ich so nicht erwartet. Die Architekten waren offen, auf jeden Kritikpunkt einzugehen. Der Kanton war hartnäckig bei der Überprüfung des Betriebskonzepts (zentralplus berichtete). Und vom Theater habe ich gehört: Wir wollen lieber ein kleines, volles Theater als eines, das halb leer ist. Jetzt nach der Überarbeitung sind alle begeistert – und das ist nicht gespielt.

Neues Luzerner Theater zweiter Entwurf
Der neue Entwurf enthält eine Glasfassade. (Bild: Visualisierung: Filippo Bolognese Images)

zentralplus: Wird sich diese Begeisterung auf die Stadtbevölkerung übertragen? Der erste Entwurf stiess Ende 2022 auf viel Missfallen.

Lengacher: Immer wenn an einem Ort gebaut wird, stört man jemanden. Als Architekt kenne ich das. Beim ersten Entwurf waren die Fachleute erstaunt, dass das alte Theater stehen bleibt – und für das Volk kam die Bebauung des Theaterplatzes wie ein Schlag. Jetzt ist die Ausgangslage anders: Die Öffentlichkeit hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.

zentralplus: Erstaunt, dass das Theater stehen bleibt? 

Lengacher: Die Stadt könnte das alte Theater abreissen, weil es nicht unter Schutz steht. Die Machbarkeitsstudien vor dem Wettbewerb schlugen den Abriss sogar vor. Dadurch würde aber viel Geschichte verloren gehen und es wäre nicht nachhaltig. Die Ilg Santer Architekten haben sich mit ihrem Entwurf daher zwei grosse Themen aufgeladen: den Erhalt des alten Theaters und daran anzubauen sowie den Umgang mit der Jesuitenkirche.

zentralplus: Sie meinen den Abstand zur Jesuitenkirche. Denkmalschützer fürchteten, das neue Theater würde den Lichteinfall ins Kirchenschiff beeinträchtigen. Ist das Problem gelöst? 

Lengacher: Ja, ich denke das Thema Kirche ist aus der Welt geschafft. Die Tageslichtanalyse hat gezeigt, dass der Anbau nur im Sommer und bei schönem Wetter den Lichteinfall in die Seitenkapelle beeinträchtigt – und das nur am Morgen vor 10 Uhr. Die Obergadenfenster sind kaum betroffen. Auch im Stadtbild nimmt sich der Anbau zurück, weil er in der Flucht des bestehenden Theaters steht. Wenn man vom Bahnhof kommt, ist die Kirche immer zu sehen. Ausserdem ist der Abstand zum Theater jetzt grösser. 

Neues Luzerner Theater
Die Glasfassade von der Bahnhofstrasse aus. (Bild: Visualisierung: Filippo Bolognese Images)

zentralplus: Es gab weitere Kritik: Zum Beispiel, dass der Bau zu mächtig sei und den Blick auf den Pilatus verbaue.

Lengacher: Klar, der Blickwinkel wird sich ändern, wenn die Baulücke geschlossen wird. Wenn man in Zukunft aber ins Theaterrestaurant und auf die Terrassen geht, hat man mit Sicherheit einen Pilatus-Blick. Dafür muss man nichts trinken, man kann einfach hochgehen, von früh bis spät, an sieben Tagen die Woche.

zentralplus: Andere meinten, dass der Bau mit schätzungsweise 130 Millionen Franken Baukosten zu teuer sei. Zudem zeigte die Prüfung des Betriebskonzepts, dass momentan jeder Theaterbesuch mit 420 Franken vom Kanton subventioniert wird (zentralplus berichtete). Ist das gerechtfertigt?

Lengacher: Die Frage ist: Was braucht eine Stadt in den Bereichen Sport, Kultur, Freizeit, damit sie eine belebte Stadt ist? Meiner Meinung nach gehört ein Theater dazu. Ausserdem sind die Kosten und Subventionen gerechtfertigt, weil künftig auch Menschen in das Haus können, die nicht ins Theater gehen. Man kann dort arbeiten, Kaffee trinken und Kolleginnen treffen.

zentralplus: Wieder andere mahnen, auf dem Theaterplatz lasse sich nur schwer bauen, weil dort Schwemmland ist.

Lengacher: Wenn man in der Stadt Luzern baut, baut man nie auf stabilen Grund. Lange war die Neustadt daher nicht bebaut und die Menschen gingen zum Bauen die Hänge rauf. Schwemmland ist nicht nur ein Thema des Theaterplatzes, sondern betrifft auch den Durchgangsbahnhof. Glücklicherweise gibt es dafür Lösungen.

zentralplus: Sie scheinen von der Überarbeitung sehr überzeugt.

Lengacher: Ja, weil wir gesehen haben, wie robust das Projekt ist. Was offenbar perfekt ist, sind auch die Abläufe im Haus. Der Betriebsleiter des Theaters sagt, wie man die drei Säle gleichzeitig bespielen kann, sei europaweit einmalig. 

zentralplus: Anfang 2025 stimmt die Stadtbevölkerung über den Kredit für die Planung ab. Was sagt Ihr Gefühl?

Lengacher: Wir haben eine gute Ausgangslage. In trockenen Tüchern ist das Projekt aber noch lange nicht. Die Stadt und das Theater müssen jetzt die Leute informieren. Es ist wichtig, dass es eine Debatte gibt. Die Menschen müssen merken, dass sie zwar etwas verlieren, aber auch etwas gewinnen. Am Ende werden sicher nicht 90 Prozent für das neue Luzerner Theater sein – die Chancen für zwei Drittel stehen aber gut.

zentralplus: Was folgt als Nächstes?

Lengacher: Mit der Überarbeitung haben wir den Wettbewerb abgeschlossen. In der Projektierung können weitere Feinheiten geklärt werden. Zum Beispiel die Form des Daches beim Treppenturm, die Konstruktion der Verglasung, der Innenausbau und der Umgang mit der Umgebung. 

zentralplus: Umgang mit der Umgebung? 

Lengacher: Mit dem neuen Entwurf kann die Veloroute an der Bahnhofstrasse bleiben. Weitere Fragen sind aber offen. Zwischen Kirche und Theater gibt es zum Beispiel mehr Platz, der genutzt werden könnte. Ausserdem muss geklärt werden, welcher Belag um das Theater der richtige ist und wie die Übergänge zu den Belägen der angrenzenden Strassen und Gassen gestaltet werden. 

zentralplus: Ihre Aufgabe endet mit der Präsentation des überarbeiteten Entwurfs. Traurig?

Lengacher: Für mich ist das ein guter Abschluss. Allenfalls könnte ich mir vorstellen, einen Beitrag zur Qualitätssicherung zu leisten, falls dies erwünscht wäre. Das dürfte aber nicht zu weit gehen, schliesslich arbeite ich hauptberuflich als Architekt.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Daniel Lengacher, Architekt und Projektleiter bei der Stadt Luzern
  • Website des neuen Luzerner Theaters
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