Alter Entwurf mit verblüffender Ähnlichkeit

Pilatusplatz-Hochhaus hat 70-jährigen Doppelgänger

Links das künftige Hochhaus am Pilatusplatz «Lu Two», rechts der 70-jährige Entwurf für denselben Standort von Anton Mozzatti. (Bild: zvg)

Ein altes Architekturmagazin offenbart erstaunliche Parallelen zwischen dem geplanten Hochhaus am Pilatusplatz in Luzern und einem 70-jährigen Entwurf für denselben Standort. Ist «Lu Two» eine Hommage an den bekannten Luzerner Architekten Anton Mozzatti?

Aufräumen ist eine müssige Beschäftigung. Doch manchmal lohnt es sich. Denn in verstaubten Kisten auf dem Estrich oder in den Schränken lagert so manche Trouvaille.

So erging es einer zentralplus-Leserin vor Kurzem. Sie kramte eine Architekturzeitschrift aus dem Jahr 1984 hervor. Und als sie durch die Seiten blätterte, stiess sie auf eine interessante Skizze: Ein Entwurf des Architekten Anton Mozzatti für ein Hochhaus am Pilatusplatz. Schon in den 1930er-Jahren entwarf der bekannte Architekt Armin Meili einen Bebauungsplan für den Platz im Zentrum Luzerns. Am späteren Schmitte-Standort war damals ein Hochhaus vorgesehen (zentralplus berichtete). Zwanzig Jahre später zeichnete Mozzati ein solches für diesen Ort im Rahmen einer Projektstudie.

Anton Mozzatti entwarf einen imposanten Bau für den Pilatusplatz. (Bild: Kulturmagazin)

Doch spannender als die Skizze an sich ist die verblüffende Ähnlichkeit von Mozzattis Entwurf zum jetzt geplanten Hochhaus «Lu Two», das an eben jener Stelle entstehen soll.

Eine Hommage an Anton Mozzatti?

Beide Gebäude gliedern sich als Eckhaus an die Strassensituation am Pilatusplatz ein. Am Eckpunkt treffen die beiden Gebäudeflügel entlang der Obergrund- und der Pilatusstrasse in markanter Weise aufeinander. Beide Projekte sehen einen mehrgeschossigen Gebäudesockel vor, der bei Mozzattis Vision noch deutlich stärker zur Geltung kommt.

Das Hochhaus am Pilatusplatz wird rund 35 Meter hoch. (Bild: zvg)

Auffallend ist zuletzt die Parallele an der Ecke des Hauses. Bei «Lu Two» ist der Mittelteil des Hauses, das Scharnier sozusagen, leicht zurückversetzt, sodass oberhalb des ersten Geschosses an der Ecke eine Terrasse entsteht. Auch Mozzatti hatte eine ähnliche Idee, setzte diese rundliche Terrasse aber vom Gebäude ab in Richtung Pilatusplatz, sodass die Terrasse noch stärker zur Geltung kommt.

«Auf den ersten Blick schmeichelt die Verwandtschaft der beiden Entwürfe.»

Joos & Mathys Architekten

Auch wenn es zwischen den beiden Entwürfen auch zahlreiche Unterschiede gibt, ist eine Ähnlichkeit doch unübersehbar. Ist «Lu Two» letztlich gar eine Hommage an Anton Mozzatti? Schliesslich hat der Architekt auch das Haus der Gebäudeversicherung am Halwilerweg und das Pneumatikhaus an der Obergrundstrasse entworfen, die für die heutige Situation rund um den Pilatusplatz prägend sind.

«Lu Two» ist das Gegenstück zum Hotel Anker

Die Architekten von «Lu Two», Joos & Mathys, räumen diese Vermutungen aus der Welt. «Die Projektstudie aus dem Jahre 1954 für den Pilatusplatz von Anton Mozzatti haben wir nicht gekannt während der Entwurfsarbeit für den Wettbewerb, auch wenn er als Architekt im Umkreis des Pilatusplatzes für zwei bedeutende Bauwerke verantwortlich war.»

Dennoch erkennen auch die beiden Architekten eine Ähnlichkeit zwischen ihrem Projekt und dem Entwurf Mozzattis: «Auf den ersten Blick schmeichelt die Verwandtschaft der beiden Entwürfe. Und obwohl 66 Jahre zwischen ihnen liegen, erstaunt es, wie wohl ähnliche städtebauliche und architektonische Sichtweisen die Resultate beeinflussten.»

«Lu Two» wird zum Gegenstück zum spitz zulaufenden Hotel Anker am Pilatusplatz. (Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Inspiration für «Lu Two» haben Joos & Mathys bei einem anderen Gebäude gefunden – aber ebenfalls am Pilatusplatz. Nämlich beim heutigen Hotel Anker. «Lu Two» mit dem zurückversetzten Mittelteil stellt das Gegenstück zum ehemaligen Volkshaus dar, das spitz in Richtung Pilatusplatz zuläuft. So passen die beiden Häuser wie zwei Puzzleteile zueinander.

Weiter diente ein Haus an der Piazza Sant' Euroasia in Rom als Vorbild. Auch die Parallelen zwischen dem Römer Doppelhaus und «Lu Two» sind unverkennbar.

Das Doppelhaus an der Piazza Sant'Euroasia in Rom. (Bild: Rerum Romanarum)

An dieser Stelle sehen Joos & Mathys den grössten Unterschied zwischen ihrem Projekt und dem Entwurf von Mozzati. Während Mozzatti den Mittelteil der beiden Gebäudehälften mit einem schmalen Türmchen auffüllt, entsteht bei «Lu Two» in den obersten Geschossen eine Lücke. So kommen die beiden Gebäudeflügel stärker zur Geltung.

Mozzattis Entwurf geriet in Vergessenheit

Unklar ist, was es mit Mozzattis Entwurf im Detail auf sich hat. Die Abbildung in besagter Archithese ist unkommentiert. Sie findet sich aber auch in einer Archivausgabe des Kulturmagazins. Darin haben die beiden Architekten Matthias Burkart und Peter Humm die Geschichte dieses Ortes aufgearbeitet. Demnach gehörte das Grundstück zu diesem Zeitpunkt der Firma Tarnag.

Mozzattis Projekt erinnere an die «grossstädtische Architektur der 30er-Jahre», so Burkart und Humm. «Dieser Vorschlag hätte mit seiner Beletage und der darüberliegenden Terrasse eine wirkungsvolle Ausstrahlung auf den Pilatusplatz gehabt.» Doch die Tarnag verkaufte das Grundstück wenige Jahre später an die Brauerei Eichhof. Für diese sollte wiederum Armin Meili ein Hochhaus entwerfen – das aufgrund dessen Höhe von über 30 Metern auf Widerstände stiess und letztlich sistiert wurde.

Somit geriet Mozzattis Entwurf in Vergessenheit. «Mehr als das, was wir in diesem Artikel beschrieben haben, konnten wir über das Projekt Mozzatti nicht in Erfahrung bringen», schreibt Architekt Matthias Burkart auf Anfrage. Doch immerhin: Mozzattis Idee der Moderne lebt im neuen Hochhaus am Pilatusplatz weiter – wenn auch unbewusst.

Verwendete Quellen
  • Archivausgabe der Archithese
  • Schriftlicher Austausch mit Joos & Mathys-Architekten
  • Archivausgabe des Kulturmagazins
  • Schriftlicher Austausch mit Matthias Burkhart
  • Informationen zu Anton Mozzatti
  • Projektwettbewerb der Stadt Luzern für den Pilatusplatz

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8 Kommentare
  • Profilfoto von Kommentator
    Kommentator, 16.11.2023, 11:03 Uhr

    So richtig freuen kann ich mich auf dieses Retro-Gebäude nicht. Der Bezug auf die vom Architekturbüro erwähnte Referenz funktioniert für mich Städtebaulich und Architektonisch nur bedingt, zu unterschiedlich sind die Grössenverhältnisse vom Durchgang in der Mitte und dem Überbau.

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  • Profilfoto von MatMe
    MatMe, 22.05.2023, 14:30 Uhr

    Retro-Architektur, siehe auch das neue Himmelrich in Luzern. Eine Modeerscheinung von Zürcher Architekten, die nun auch Luzern erreicht hat. Allerdings erinnert sie auch sehr an den Architekten Sik. Er hat diese Sprache bereits in den 80er Jahren seinen Studenten an der ETH geleert.

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    • Profilfoto von tore
      tore, 24.05.2023, 10:28 Uhr

      «geleert» – upps 😉

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  • Profilfoto von Christian Scherrer
    Christian Scherrer, 22.05.2023, 09:54 Uhr

    Warum dieser Alfred Speer-Gedächtnis-Fetischismus?

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    • Profilfoto von MatMe
      MatMe, 22.05.2023, 14:33 Uhr

      Na ja, die sah schon etwas anders aus. Ich sehe da wenig Ähnlichkeiten. Vielmehr Mendelsohn, der als Jude in die USA flüchtete.

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    • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
      Marie-Françoise Arouet, 23.05.2023, 22:10 Uhr

      Speer. Albert Speer. Aber guter Versuch, Halbbildung zu Markte zu tragen. Mit den üblichen Folgen.

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  • Profilfoto von Renate Schnyder
    Renate Schnyder, 20.05.2023, 22:39 Uhr

    Ein hochhaus mit 35 meter? Das ist doch einfach ein normales haus.

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  • Profilfoto von Marie-Françoise Arouet
    Marie-Françoise Arouet, 20.05.2023, 19:28 Uhr

    Der Unterschied zwischen einem stilvollen Entwurf und stillosem Quark.

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