Die Zuger Strassen sollen «grüner» werden – dank Pflanzenkohle
Seit Kurzem verbaut ein Schweizer Kanton Pflanzenkohle im Asphalt. Dies mit dem Vorteil, dass die CO₂-Bilanz dadurch massiv verbessert wird. Der Mitte-Kantonsrat Patrick Röösli will diese Praxis nach Zug holen.
Was Basel-Stadt könne, könne der Kanton Zug auch, findet der Zuger Kantonsrat Patrick Röösli. Der Mitte-Politiker lädt die Regierung mittels eines Postulats ein, sich mit dem Einbau von Pflanzenkohle im Bauwesen zu befassen respektive neue Rahmenbedingungen dazu zu schaffen.
Als erster Kanton hat Basel-Stadt vor Kurzem begonnen, «grünen» Asphalt in seinen Strassen zu verbauen. Dies mithilfe von Holzkohle, welche dank eines bestimmten Verfahrens eine beträchtliche Menge an CO₂ einlagern kann.
Röösli dazu: «Neben zahlreichen Bauwerkstoffen wie Holz und Lehm, die eine deutlich bessere CO₂-Bilanz haben, bleiben gewisse Bauwerkstoffe infolge ihrer materialspezifischen Eigenschaften auch in Zukunft unabdingbar.» Und weiter: «Pro Kubikmeter Beton können mehr als 200 Kilogramm CO₂ permanent neutralisiert werden, im Asphalt werden bei einer Dosierung von zwei Prozent Pflanzenkohle pro Tonne Asphalt sechs Kilogramm CO₂ gespeichert.»
«Im Bauwesen ist beim Kanton Zug ein Innovationsrückstand zu beobachten.»
Patrick Röösli, Mitte-Kantonsrat und Architekt
Tatsächlich könne durch den Einsatz von Pflanzenkohle im Asphalt gar eine negative CO₂-Bilanz erreicht werden, wie der «Tages-Anzeiger» kürzlich schrieb. Dass also der Strassenbelag dank der Pflanzenkohle mehr CO₂ binde, als beim gesamten Herstellungsprozess, Transport und Einbau freigesetzt werde.
Auch im Beton macht sich die Pflanzenkohle gut
Der Einbau von Pflanzenkohle sei indes nicht nur auf den Baustoff Asphalt beschränkt. Röösli hofft, dass der Kanton Zug Rahmenbedingungen schafft, die den Einbau von Pflanzenkohle auch im Beton für Hoch- und Tiefbauten gesetzlich verankern.
«Der Kanton Zug rühmt sich zwar in einigen Sparten, besonders in Finanzfragen, im Steuerrecht und in der Digitalisierung als innovativer Standort», gibt Röösli zu bedenken. «Im Bauwesen aber ist beim Kanton ein Innovationsrückstand zu beobachten.»
Aufgrund der regen Bautätigkeit sei es angebracht, dass sich der Kanton als öffentlicher Bauherr für neue Produkte öffne, als Vorbild vorangehe und seine CO₂-Bilanz verbessere. «Ich wünsche mir hier vom Kanton die Einnahme einer Pionierrolle. Er soll eine Nachfrage entwickeln.» Aufgrund der anziehenden Nachfrage werde die Industrie ein Interesse an verbesserten und preisbewussteren Produktionstechniken zeigen, von welchen auch Private profitieren könnten. «Den Kanton beziehungsweise die Baudirektion fordere ich auf, ‹den ersten Stein zu werfen›.»
Am liebsten hätte Röösli Pflanzenkohle aus der nahen Umgebung
Doch woher soll die Pflanzenkohle kommen? Wenn man diese weit transportieren muss, dient das der CO₂-Bilanz nicht. Dazu sagt Röösli: «Meines Wissens sollte bereits seit über zehn Jahren im Kanton Zug eine Pyrolyseanlage bestehen. Aufgrund der zahlreichen Wälder und des anfallenden Schnittgutes aus Garten und Landwirtschaft sollte durchaus das Potenzial für weitere Pyrolyseanlagen vorhanden sein.»
Er ergänzt: «Bei grossen Bauvorhaben können sich solche Anlagen temporär lohnen. Zudem beschloss der Zuger Kantonsrat im vergangenen Oktober einen Beitrag zur Unterstützung des Innovationsprojekts ‹Zuger Initiative zur Dekarbonisierung der Industrie›. In diesem Fahrwasser könnten sich weitere Projekte entwickeln.»
Noch sind die Preise hoch
Beruflich führt Patrick Röösli sein eigenes Architekturbüro mit mehreren Angestellten. Die Frage, ob der Einbau von Pflanzenkohle bei Bauten bereits von Bauherrschaften gewünscht werde, verneint er. «In meinem beruflichen Umfeld sind diverse ökologische Überlegungen für die Erstellung und den Betrieb von Gebäuden ein akutes Thema. Dabei steht aktuell der Holzbau stark im Fokus.» Aber nicht jedes Bauteil kann durch Holz ersetzt werden, gerade etwa Bauteile unter Terrain. «Deshalb sehe ich mich nach ökologischen Alternativen um.»
Auch wenn sich Röösli bewusst ist, dass mit Pflanzenkohle angereicherte Baustoffe deutlich teurer sind als herkömmliche. «In der Anfangsphase neuer Produkte liegt oftmals der Marktpreis höher. Eine höhere Nachfrage fördert eine Wertschöpfungs- und Produktionskette, macht diese effizienter und wird für mehr Marktanbieter attraktiv.» Nachfolgend entstehe ein Preiswettbewerb, wodurch die neuen Werkstoffe auch preislich interessanter würden.
Die dritte Pyreg-Anlage der Welt steht in Zug
Tatsächlich steht im Kanton Zug bereits seit geraumer Zeit eine kleine Pyreg-Anlage, welche Holz zu Pflanzenkohle verarbeitet. Lanciert hat sie ein Mann, der in der Lokalpolitik vielen bekannt ist. Franz Keiser von der Verora AG war über ein Jahrzehnt Gemeinderat von Neuheim und ausserdem Landwirt. Er erzählt: «Als wir die Anlage 2008 gebaut haben, waren wir weltweit die Dritten mit einer Pyreg-Anlage.»
Damals hatte Keiser zusammen mit der Verora AG den Auftrag der Gemeinde, Grüngut zu kompostieren. «Wir erhielten aus der Umgebung grosse Mengen an Holz. Dieses durfte man damals schon nicht mehr verbrennen.» Das Holz, das nicht für Heizschnitzel gebraucht werden konnte, also etwa Baum- und Strauchschnitt, wurde in die Kompostierung gebracht. «Das Kompostieren des schlechteren Holzes war jedoch aufwendig», so der Landwirt. «Eine Pflanzenkohleanlage war eine Möglichkeit, aus diesem Baum- und Strauchschnitt ein Wertprodukt zu machen. Zum Glück hat uns die Politik dabei unterstützt.»
«Es ist doch blödsinnig, Holz in der Welt herumzukarren, damit es in der Schweiz zu Pflanzenkohle verarbeitet werden kann.»
Franz Keiser, Neuheimer Landwirt
Eine solche Anlage brachte für den Bauernhof eine Menge Vorteile: «Die Pflanzenkohle geben wir als natürlichen Hilfsstoff in den Boden. Kunstdünger verwenden wir schon längst nicht mehr und produzieren dennoch gleich viel oder mehr als die Bauern mit konventionellen Methoden.» Ausserdem sei die Kohle ein geeigneter Futterzusatz für das Vieh. «Sie wirkt entgiftend. Wir brauchen deutlich weniger Antibiotika, da die Kühe gesünder sind», sagt der Landwirt.
Im Grunde sinnvoll, aber!
Auch den Einsatz von Pflanzenkohle im Bau sieht der ehemalige Politiker als grundsätzlich sinnvoll, hängt jedoch ein grosses Aber an. «Wir müssten viele kleine Anlagen bauen, welche mit Buschholz aus den umliegenden Gärten gespiesen werden.» Grosse Anlagen müssten viel Holz von weither beziehen, und das mache keinen Sinn. «Die Gefahr ist gross, dass irgendwo auf der Welt Wälder dafür gerodet werden», so Keiser.
Riesige Anlagen zu errichten, die grosse Mengen an Holz und riesige Umsätze bräuchten, um zu rentieren, findet der Landwirt nicht zielführend. «Es ist doch blödsinnig, Holz in der Welt herumzukarren, damit es in der Schweiz zu Pflanzenkohle verarbeitet werden kann. Nur damit diese Firmen CO₂-Zertifikate verkaufen können, während die Leute weiterhin sinnlos in der Gegend rumfliegen.»
Derzeit steht die Pyreg-Anlage der Familie Keiser übrigens still. «Vergangenes Jahr ist sie abgebrannt. Meine Söhne, welche den Hof kürzlich übernommen haben, sind derzeit gemeinsam mit der Verora AG daran, sie wieder instand zu setzen.»
- Schriftlicher Austausch mit Patrick Röösli
- Telefonischer Austausch mit Franz Keiser
- «Bayerisches Landwirtschaftliches Wochenblatt» zum Einsatz von Pflanzenkohle
- Artikel «Tages-Anzeiger» zur neuen Praxis in Basel-Stadt
- Artikel «SRF»
- Postulat von Patrick Röösli