Günstige Wohnungen werden immer teurer

Luzerns unbezahlbarer Wohnraum: Es wird schlimmer

Wie hier im Halde-Quartier wird in der Stadt Luzern fleissig gebaut. Trotzdem bleibt der Druck auf dem Wohnungsmarkt hoch. Daniel Gähwiler vom Mieterverband Luzern befürchtet, dass Menschen mit kleinem Budget in der Stadt bald keine Wohnung mehr finden. (Bild: Elia Saeed)

Wer sich umhört, merkt schnell: Die Wohnungsknappheit in Luzern verschärft sich und die Stadt steuert auf eine Wohnungsnot zu. Es verschwinden günstige Wohnungen in hohem Tempo.

Die Nachfrage nach Wohnungen in Luzern ist gross. Das Angebot ist klein – und wird kleiner. Zwar wird überall in der Stadt gebaut. Trotzdem bleibt der Druck auf dem Wohnungsmarkt hoch und günstiger Wohnraum wird darum immer teurer.

Um zu beurteilen, wie die Wohnungssituation in einer bestimmten Region aussieht, gibt es die sogenannte Leerwohnungsziffer. Sie gibt an, wie viele leere Wohnungen zur Verfügung stehen. In der Stadt Luzern lag die Leerwohnungsziffer (LWZ) per 1. Juni 2021 gemäss Lustat bei 1,1 Prozent. Das entspricht 517 Wohnungen, wovon 485 zur Miete ausgeschrieben waren.

Die Wohnungsnot droht

Bei einem LWZ-Wert von unter 1,5 Prozent spricht man von «Wohnungsmangel» oder «Wohnungsknappheit». Dieser Zustand herrscht in Luzern seit Mitte der 1980er-Jahre ununterbrochen. Bei einer LWZ von unter 1,0 Prozent gilt die sogenannte «Wohnungsnot».

In den vergangenen Jahrzehnten gab es in der Stadt Luzern wiederholt eine Wohnungsnot, sprich, die LWZ sank unter 1,0 Prozent. Nachdem sich die Lage nach 2016 für kurze Zeit leicht erholt hatte, sank der verfügbare Wohnraum in den vergangenen Jahren wieder.

Im Vergleich mit anderen grösseren Städten wie Bern, Lausanne oder Winterthur, wo die LWZ unter 1,0 Prozent liegt, steht Luzern zwar noch gut da. Gleichwohl sei es «durchaus realistisch», bestätigt Roman Streit, Projektleiter Raumstrategie und Wohnraumpolitik der Stadt Luzern, dass die LWZ in den kommenden Jahren weiter fällt und es erneut zur Wohnungsnot kommen könnte.

Günstige Wohnungen werden teurer

Betrachtet man die Leerwohnungsziffer differenziert nach Grösse Wohnungen, herrscht für manche Wohnungstypen bereits jetzt Wohnungsnot. Bei Wohnungen mit vier und mehr Zimmern waren am 1. Juni 2021 weniger als ein Prozent aller Wohnungen noch verfügbar.

Und auch günstiger Wohnraum wird immer knapper. «Günstiger Wohnraum sind die Wohnungen, die weniger als 70 Prozent des Medianpreises kosten», erklärt Daniel Gähwiler, Co-Geschäftsleiter der Luzerner Sektion des Mieterverbands. Dieser Medianpreis betrug 2019 gemäss Lustat 1340 Franken Netto für eine 3-Zimmerwohnung. Sprich: Die eine Hälfte aller Wohnungen dieser Grösse war 2019 günstiger, die andere Hälfte teurer als dieser Preis.

Gemäss dieser Definition durfte eine günstige 3-Zimmerwohnung in der Stadt Luzern 2019 nicht mehr als rund 940 Franken kosten. Der Anteil der Wohnungen, die diesem Kriterium entsprechen, sank in den vergangenen Jahren von 17 auf aktuell 14,5 Prozent.

«In der Stadt Luzern wird es für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zunehmend schwierig, eine Wohnung zu finden.»

Roman Streit, Projektleiter Raumstrategie und Wohnraumpolitik Stadt Luzern

Die günstigsten zehn Prozent aller 4-Zimmerwohnungen kosteten 2010 im Schnitt monatlich 900 Franken Netto. 2019 lag dieser Preis bereits bei 1050 Franken. Dasselbe gilt für das günstigste Viertel, wo sich der Preis von 1100 auf 1250 Franken erhöhte. Das bedeutet, dass auch die günstigsten Wohnungen in der Stadt immer teurer werden. Roman Streit bestätigt: «In der Stadt wird es für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zunehmend schwierig, eine Wohnung zu finden.»

Keine freien Wohnungen in der Innenstadt

Im Vergleich mit den grössten Schweizer Städten liegt Luzern in den Top 5, was die Höhe der Mietpreise betrifft – hinter Zürich, Genf und Lausanne, wo allgemeine Wohnungsnot herrscht. Von den leeren Wohnungen in der Stadt Luzern waren bei der letzten Erhebung der Leerwohnungsziffer (am 1. Juni 2021) vor allem kleine Wohnung mit bis zu 2,5 Zimmern frei. Besonders knapp war das Angebot an 3- bis 4-Zimmerwohnungen.

Die ABL ist der grösste genossenschaftliche Wohnbauträger in Luzern und errichtet momentan mehrere Grosswohnbauprojekte in der Neustadt und an der Bernstrasse – wie hier im Himmelrich-Quartier. (Bild: Elia Saeed)

Die grösste Anbieterin von günstigem Wohnraum in Luzern ist die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern (ABL). Sie baut und vermietet unter anderem die Siedlungen Himmelrich und Spannort in der Luzerner Neustadt. Hier kostet eine 3,5-Zimmerwohnungen in einem sanierten Altbau rund 1150 Franken. Eine 3,5-Zimmerwohnung in einem Neubau mit deutlich mehr Fläche kostet rund 2050 Franken.

«Das Problem ist, dass bestehende günstige Wohnungen in einem sehr hohen Tempo verschwinden.»

Daniel Gähwiler, Co-Geschäftsleiter Luzerner Mieterverband

Frappant ist: keine einzige der insgesamt 496 Wohnungen in diesen zwei Siedlungen war Ende April dieses Jahres noch frei. Im Gegensatz dazu waren im Gartenhof in Littau 11 von 138 Wohnungen ausgeschrieben. Allgemein lässt sich sagen: je näher am Stadtzentrum, desto knapper ist das Wohnangebot.

Kein Markt auf Augenhöhe

«Das Problem ist nicht, dass es zu viele teure Wohnungen gibt», sagt Daniel Gähwiler vom Luzerner Mieterverband, «sondern, dass es zu wenig günstige Wohnungen gibt.» Das liege auch nicht daran, dass zu wenig günstige Wohnungen gebaut würden. «Das Problem ist, dass bestehende günstige Wohnungen in einem sehr hohen Tempo verschwinden.»

Baugenossenschaften schützen diese sogenannten Bestandswohnungen noch eher. Sind solche Wohnungen in privaten Händen, verschwinden sie zunehmend. Sie werden oft ersetzt durch teure Investitionsobjekte. Allerdings gibt es hier auch Ausnahmen. So geriet die ABL für den vergleichsweise teuren Neubau beim Himmelrich in die Kritik. Für diesen mussten in die Jahre gekommene, aber günstige Wohnungen Platz machen (zentralplus berichtete). Und es gibt private Investoren, die es sich auf die Fahne schreiben, auch in Neubauten günstige Wohnungen anzubieten – mit mehr oder weniger Erfolg (zentralplus berichtete).

«Günstige Wohnungen werden vor allem durch Renditesanierungen teurer gemacht», erklärt der Vertreter des Mieterverbands. Dabei würde unter dem Vorwand von Sanierungen ganzen Mieterschaften gekündigt und der Nachfolgerschaft übermässige Mietzinsen draufgeschlagen. Weil aber die Nachfrage so gross und das Angebot so klein ist, schaffen es die Investoren, auch diese Wohnungen zu vermieten. «Die Leute können nicht frei wählen. Mietzinserhöhungen werden zudem nicht automatisch auf Missbräuchlichkeit kontrolliert.»

Prekäre Situation

«Früher gehörte das Wohnen zur Infrastruktur», sagt Gähwiler, «heute ist es ein Renditeobjekt.» In den letzten 15 Jahren seien die Quadratmeterpreise für ausgeschriebene Wohnungen in der Stadt Luzern insgesamt um 20 Prozent gestiegen.

Der derzeitige Angebotspreis für eine Wohnung mit 80 Quadratmetern beträgt im Mittel rund 1620 Franken netto. Dabei sollte er gemäss einer aktuellen Studie vom Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) angesichts sinkender Hypothekarzinsen um über ein Viertel tiefer sein. «Bis zu einem Drittel der Bevölkerung kann Wohn- und Energiekosten nicht oder nur schwer decken», enerviert sich Gähwiler. Vor dem Hintergrund der aktuell stark steigenden Heiz- und Stromkosten spitzt sich die Lage zu (zentralplus berichtete).

Die von der Wincasa AG verwalteten Hochhäuser auf der Luzerner Allmend (HochZwei) erfreuen sich grosser Beliebtheit und haben praktisch nie leerstehende Wohnungen – trotz des hohen Preissegments. (Bild: Elia Saeed)

Die Stadt ist gefordert

Derzeit wird in Luzern an mehreren Fronten etwas gegen die Wohnungsnot bei günstigem Wohnraum unternommen. So soll ein entsprechender Fonds so eingesetzt werden, dass Mietzinse auch nach energetischen Sanierungen günstig bleiben (zentralplus berichtete).

Des Weiteren will der Stadtrat die sozialen Auswirkungen durch Sanierungen, Um- und Ersatzneubauten im Stadtgebiet genauer beobachten. 2024 wird der Stadtrat im nächsten Controllingbericht zur Wohnraumpolitik aufzeigen, ob und in welcher Form es zusätzliche Massnahmen zum Erhalt von preisgünstigem Wohnraum braucht.

«Auf eine Mietzinskontrolle bei Sanierungen und Umbauten, wie es sie etwa in Genf gibt, will der Stadtrat aber verzichten», sagt Streit von der Stadt Luzern, «weil zum einen die rechtlichen Grundlagen dafür nicht vorhanden sind und zum anderen das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer solchen Massnahme infrage gestellt wird.»

Klar ist, dass sich die Situation in Luzern ohne entsprechende Massnahmen bald nicht mehr von jener in Zürich oder Genf unterscheidet. Die Wohnungsnot droht.

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5 Kommentare
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    Michel von der Schwand, 11.05.2022, 09:54 Uhr

    Der durchschnittliche Monatslohn in der Schweiz beträgt CHF 6’665.–! Geht man davon aus, dass die Miete höchsten einen Drittel des Monatslohnes ausmachen soll, dann steht die Schweiz mit einer durchschnittlichen Miete von ca. CHF 1’373.– nicht schlecht da. Wenn du an bevorzugter Lage wohnen willst, kostet es eben EXTRA! «Shot Sage Blue Marilyn» kriegst du auch nicht zum Aktionspreis von CHF 500.–!

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  • Profilfoto von Rentner W,
    Rentner W,, 09.05.2022, 14:36 Uhr

    Was für Mist wird Geschrieben,, ihr müsst ja nicht mit Neubauten kommen, schaut bei Welcome oder Arlewo, ich habe eine der B,G Matt 2 Zimmer 7 Etage kompl, Saniert ,Sonnig Aussicht 10 qm Balkon,1,380 Fr die wird per Sept, Frei, in Emmenbrücke Arlewo 2 Zimmer 70 qm mit W,T , nur 1,480
    ebenfalls Kompl. Saniert, 12 qm Balkon, Sonnig Immoscut hat genügend Angebote man muss nur nicht Verwöhnt sein wie es viele sind,, und die sollen auch Zahlen., Solange es solche gibt wird es auch Angeboten.

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    Alois Iten, 09.05.2022, 10:25 Uhr

    Ja, es hat zu wenige Wohnungen. Doch 1 Prozent Leerwohnungsbestand ist immer noch recht gut. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 betrug die Leerwohnungsziffer im Kanton Zug 0,34 Prozent, in der Stadt Zug ist sie noch einmal tiefer.

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    Primarschüler, 09.05.2022, 07:18 Uhr

    Die Lösung ist einfach: mehr und höher bauen. Wo zu wenig Angebot herrscht, steigen die Preise.

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    • Profilfoto von Michel von der Schwand
      Michel von der Schwand, 11.05.2022, 09:47 Uhr

      Sie vergessen den Faktor Lage! Angebot und Nachfrage alleine funktionieren in diesem Markt eben nicht alleine. In einer bevorzugten Wohngegend bleiben die Preise hoch, auch wenn Sie viel bauen. Der Pöbel soll vom Patriarchat getrennt leben, ausser du hast im Estrich so genannte Mansardenzimmer.

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