Stadt Luzern lässt Genossenschaften freie Hand

Günstige Wohnungen für Gutverdiener: Stadtrat mischt sich nicht ein

Baudirektorin Manuela Jost will nicht in das «System der Genossenschaften» eingreifen. (Bild: Jan Rucki)

Manche Genossenschaften in Luzern verlangen von ihren Mietern vor dem Einzug fünfstellige Summen. Der Stadtrat betrachtet es nicht als seine Aufgabe, etwas dagegen zu unternehmen. Die SP ist enttäuscht.

Wer in eine Genossenschaftswohnung zügelt, muss oft Anteilsscheine kaufen. Bei manchen Luzerner Anbietern beträgt sie ein oder zwei Monatsmieten, bei anderen deutlich mehr – bis zu 30'000 Franken (zentralplus berichtete).

Das schliesst gerade jene aus, die preisgünstige Wohnungen brauchen würden, findet die Stadtluzerner SP. Sie fordert in einem Postulat deshalb, dass der Stadtrat etwas dagegen unternimmt. Als mögliche Massnahme nennen die beiden Grossstadträte Nico van der Heiden und Tamara Celato, dass die Stadt für Betroffene diese Summe übernimmt.

Stadtrat sieht Widerspruch zu Genossenschafts-Gedanken

Doch davon will der Stadtrat nichts wissen, wie er in seiner am Montag veröffentlichten Stellungnahme kundtut. «Es ist nicht die Rolle der öffentlichen Hand, in das System der Genossenschaften einzugreifen», begründet Baudirektorin Manuela Jost (GLP). Mit den Anteilsscheinen würden Mitglieder auch Rechte und Pflichten erwerben – beispielsweise Mitsprachemöglichkeiten. «Insofern widerspräche ein staatlicher Eingriff dem genossenschaftlichen Grundgedanken», sagt Jost.

«Es ist ein Thema, aber kein generelles Problem.»

Manuela Jost, Stadträtin

Zwischen den Zeilen wird klar, dass der Stadtrat das Problem als weniger gravierend einschätzt, als dies die SP tut. Oder wie Jost es formuliert: «Es ist ein Thema, aber kein generelles Problem.» Die Vorgaben zu den Pflichtanteilen könnten potenziell eine Einstiegshürde sein. Doch beim grössten Teil der Genossenschaften seien diese vergleichbar mit einer Mietkaution. Bei einigen – zum Beispiel der SBL oder WGL – müssen Mieter sogar weder Mitglied sein noch Anteile kaufen.

Nur bei jüngeren Anbietern, denen wenige Wohnungen gehören, ist der «Preis» deutlich höher. «Diese Genossenschaften verfügen meist über vergleichsweise wenig Eigenkapital und können durch das zusätzliche Kapital der Genossenschaftsmitglieder ihre Fremdkapitalquote senken und dadurch einen tieferen Mietzins verlangen», erklärt der Stadtrat.

Neues Kriterium für Genossenschaften

Der Stadtrat will darum in erster Linie die Genossenschaften sensibilisieren. So hat er das Thema bereits beim Luzerner G-Net – quasi dem Zusammenschluss der Wohnbaugenossenschaften – eingebracht. Einige Genossenschaften bieten zum Beispiel an, das Einstiegskapital in Raten zu zahlen oder dafür Pensionskassengeld einzusetzen.

Ebenfalls zur Diskussion steht, dass der Stadtrat bei künftigen Landabgaben mehr Vorgaben macht. Das heisst: Will eine Genossenschaft ein städtisches Grundstück, könnte die Stadt im Einzelfall entsprechende Ansätze als Zuschlagskriterium definieren. Als Beispiel erwähnt er einen Solidaritätsfonds oder die Querfinanzierung, bei der einkommensstarke Mieter höhere Summen einzahlen, damit Geringverdiener weniger abliefern müssen.

Wie die Genossenschaften die Durchmischung erreichen, will der Stadtrat ihnen selber überlassen. «Insgesamt sollen genügend Spielräume für innovative Lösungsansätze aufseiten der Baurechtsnehmerschaften bestehen.»

Beim Zusammenschluss der Genossenschaften stösst die Idee, das Baurecht an ein neues Zuschlagkriterium zur sozialen Durchmischung zu koppeln, auf wenig Begeisterung. «Wir sind grundsätzlich eher zurückhaltend, was zu viele Vorgaben für einzelne Liegenschaften betrifft», sagt Florian Flohr, Koordinator beim G-Net. Zudem erstellten die Genossenschaften ihre Eigenkapitalvorgaben nicht für jedes Gebäude einzeln, sondern einheitlich für ihr gesamtes Portfolio. «Vorschriften für einzelne Gebäude finden wir darum nicht sinnvoll, zumal die Kontrolle mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden wäre.»

SP hätte sich mehr Engagement gewünscht

Nicht vollauf zufrieden ist auch die SP. Grossstadträtin Tamara Celato begrüsst es zwar, dass der Stadtrat sensibilisieren und lenken will. Doch das reiche nicht. «Ich kann aus persönlicher Erfahrung sagen: Es ist naiv zu glauben, dass betroffene Personen zum Beispiel Statuten von Genossenschaften oder Pensionskassen verstehen.» Darum bräuchte es laut Celato Begleitung und Beratung. «Ich bin enttäuscht, dass der Stadtrat diesbezüglich nicht aktiv werden will.» 

«Der Stadtrat vermittelt den Eindruck, als wäre es für alle ein Leichtes, ein paar tausend Franken hinzublättern.»

Tamara Celato, SP-Grossstadträtin

Dass der Stadtrat grundsätzliche Überlegungen zum Genossenschaftsgedanken anführt, ist für die SP-Grossstadträtin nicht überzeugend. «Nicht alle aktiven Genossenschafter nützen die aktive Mitsprache. Schliesslich geht es in erster Linie um bezahlbares Wohnen.»

Dass nur ein paar wenige Genossenschaften hohe Summen verlangen, ist für SP-Grosstadträtin Tamara Celato kein Trost. «Auch ein Beitrag in der Höhe einer normalen Mietkaution kann ein Problem sein. Der Stadtrat vermittelt den Eindruck, als wäre es für alle ein Leichtes, ein paar tausend Franken hinzublättern.»

Stadträtin Manuela Jost entgegnet: «Wir sind uns bewusst, dass auch ein paar tausend Franken zu viel sein können. In diesem Fall greift aber die wirtschaftliche Sozialhilfe.» Sie übernehme die Pflichtteile bei Sozialhilfebezügern, wenn sie im Bereich der normalen Mietkaution liegen. Darüber hinaus engagiere sich die Gemeinnützige Stiftung für preisgünstigen Wohnraum Luzern (GSW) für niederschwelligen Zugang zum Wohnungsmarkt (siehe Box). Der Stadtrat nimmt das Postulat der SP teilweise entgegen, das Stadtparlament diskutiert voraussichtlich nächste Woche darüber.

Luzerner Sozialstiftung vermittelt bald mehr Wohnungen

Wer auf dem freien Markt keine Wohnung findet, dem wird bei der Gemeinnützigen Stiftung für preisgünstigen Wohnraum Luzern geholfen. Sie vermittelt in der ganzen Stadt 372 Wohnungen für Menschen mit kleinem Portemonnaie, psychischen Erkrankungen oder Suchtproblemen. Da die GSW als Stiftung agiert, wird bei Mietbeginn lediglich die Zahlung einer Kaution fällig – Eigenkapital muss nicht eingebracht werden.

Bis ins Jahr 2026 soll das Portfolio der GWS auf 450 Wohnungen anwachsen. Der Stadtrat unterstützt die Stiftung, beispielsweise indem er ihr die städtische Liegenschaft an der Englischgrussstrasse 10 mit rund zehn Wohnungen im Baurecht abgibt. Im Sinne der sozialen Durchmischung ist auch ein Pilotprojekt im Gespräch, in dem sich Genossenschaften und GSW zusammentun und ein grösseres Grundstück übernehmen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Stadträtin Manuela Jost
  • Stellungnahme des Stadtrates zu SP-Postulat
  • Telefonat mit SP-Grossstadträtin Tamara Celato
  • Telefonat mit Florian Flohr vom G-Net
Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon