Luzerner Bauern fordern mehr Geld bei Enteignungen
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Wenn der Kanton Luzern Bauern für Bauprojekte Land wegnimmt, will er ihnen künftig eine höhere Entschädigung zahlen und sie früher informieren. Der Luzerner Bauernverband ist trotzdem nur zum Teil zufrieden.
Um grosse Bauprojekte wie das Hochwasserschutzprojekt Reuss oder die inzwischen beerdigte Spange Nord umzusetzen, muss der Kanton Luzern immer wieder Privatpersonen enteignen. Diese schweren Eingriffe in die Eigentumsrechte führen bei den Betroffenen trotz Entschädigung oft zu Unmut (zentralplus berichtete). Mehrere Vorstösse von Luzerner Kantonsräten verlangten darum eine Änderung der Praxis, um den Eigentümerinnen mehr entgegenzukommen.
Martin Birrer (FDP) und Marlis Krummenacher-Feer (Mitte) reichten unabhängig voneinander Postulate ein, die eine höhere Entschädigung verlangen als die 8 bis 10 Franken pro Quadratmeter, die Luzern bis anhin für Landwirtschaftsland zahlt. Zudem verlangt Pius Kaufmann (Mitte) namens der Verkehrs- und Baukommission per Motion einen früheren Einbezug der Betroffenen.
Eigentümer erhalten neu vor Auflage schon Entwurf des Kaufvertrags
Gut zwei Jahre später legt die Luzerner Regierung nun eine Botschaft vor, die das Landerwerbsverfahren und die Entschädigung entsprechend anpasst. Künftig sollen Grundeigentümer bereits während der Projektierung schriftlich informiert werden. Je nach Grösse des Projekts und Bedürfnissen der Eigentümer soll der Kanton auch Infoveranstaltungen oder Gespräche durchführen.
«Damit werden Bauern nicht mehr vor den Kopf gestossen, wenn der Kanton Pläne von fixfertigen Projekten auf ihrem Land präsentiert.»
Raphael Felder, Geschäftsführer des Luzerner Bauernverbands, zum früheren Einbezug der Grundeigentümer
Zudem schickt die Dienststelle Immobilien ihnen künftig vor der öffentlichen Auflage einen Entwurf des Landerwerbsvertrags. Darin stehe bereits die voraussichtlich beanspruchte Fläche und die voraussichtliche Entschädigung des Kantons dafür. Jedoch sieht die Regierung eine Ausnahme bei «geringfügigen Flächen» vor oder wenn das frühe Informieren der Eigentümer das Projekt wegen besonderer Umstände erheblich verzögert. So beispielsweise, wenn die Eigentümerin unauffindbar im Ausland oder verstorben ist.
Kanton zahlt künftig das Dreifache
Weiter verdreifacht der Kanton Luzern seine Entschädigung, die er Eigentümern für Landwirtschaftsland zahlt. Dabei orientiert er sich an einer Gesetzesänderung des Bundes. Nach einer erfolgreichen Motion des St. Galler Mitte-Nationalrats Markus Ritter zahlt dieser Bauern bei Enteignung für Wasser- und Strassenbauprojekte nun das Dreifache. Während der Kanton Luzern früher zwischen 3 und 9 Franken pro Quadratmeter bezahlte, plant er neu eine Entschädigung zwischen 9 und 27 Franken.
Wie viel teurer Bauprojekte damit würden, sei schwer abzuschätzen, wie der Kanton in der Botschaft schreibt. Denn erst bei der Projektbewilligung sei klar, wie viel Land der Kanton zu welchem Preis abkaufen müsse. Gemäss einer Einschätzung rechnet er jedoch im Strassenbau mit 2 bis 6 Prozent mehr Kosten, bei Projekten zum Schutz vor Naturgefahren mit 3 bis 9 Prozent.
Bauernverband lobt Verbesserungen ...
Damit verbessert sich für Grundeigentümer und insbesondere Bäuerinnen einiges. Der Luzerner Bauernverband (LBV) sei mit der Anpassung jedoch nur zum Teil zufrieden, wie Geschäftsführer Raphael Felder auf Anfrage sagt. Zwar seien sehr viele gute Verbesserungen dabei. Dabei hebt er vor allem die Änderung zum frühen Einbezug der Grundeigentümer lobend hervor. «Damit werden Bauern nicht mehr vor den Kopf gestossen, wenn der Kanton Pläne von fixfertigen Projekten auf ihrem Land präsentiert.» Würden alle Betroffenen von Beginn an einbezogen, sei dies auch für die Qualität des Projekts zielführend, so Felder.
Hier sieht er jedoch die grösste Schwierigkeit bei der Umsetzung. Mit dem früheren Einbeziehen der Grundeigentümer müsse der Kanton komplexe und gut eingespielte Prozesse verändern. «Wir werden die Umsetzung deshalb gut verfolgen und uns einbringen, falls wir Handlungsbedarf sehen.»
... kritisiert aber Entschädigung
Kritischer hingegen sieht er die Umsetzung der Entschädigung. Die Verdreifachung klinge zwar zuerst einmal nach viel. Jedoch werde der Grundpreis dabei mit falschen Grundlagen festgelegt, sagt Felder. Der Kanton Luzern stütze sich hierbei auf den Preis nach bäuerlichem Bodenrecht – womit jedoch eigentlich der Preis berechnet werde, wenn eine Bäuerin ihr Land an einen anderen Bauern verkaufe. Sprich: das Land auch künftig noch für die Landwirtschaft genutzt wird.
Im vorliegenden Fall werde das Grundstück nachher jedoch zum Bau von Infrastruktur wie einer Strasse genutzt. Felder zieht einen Vergleich zu anderen Bauprojekten: «Wenn Landwirtschaftsfläche nachher zum Bau von Wohnungen genutzt und der Wohnzone überführt wird, gewinnt das Land x-fach an Wert.» Deswegen sei eine Verdreifachung eigentlich zu wenig. Im Sinne eines Kompromisses habe der LBV in der Vernehmlassung als Alternative einen fixen Preis von 50 Franken pro Quadratmeter vorgeschlagen.
«Es geht uns nicht darum, die Fläche für Bauern zu vergolden, damit die sich ein schönes neues Auto kaufen können. Sondern dass der Wert von Boden wertgeschätzt wird.»
Doch der Kanton Luzern halte trotzdem an der Verdreifachung fest, wie dieser in der Botschaft schreibt. Zwar sei ihm bewusst, dass andere Kantone wie etwa Zug mit 80 Franken pro Quadratmeter deutlich mehr zahlen würden. Er möchte sich jedoch an der Regelung des Bundes orientieren, damit er keine Ungleichbehandlung zwischen Landwirten schaffe.
Bauernverband weibelt für Änderungen
Was Felder bedauert. Er betont: «Es geht uns nicht darum, die Fläche für Bauern zu vergolden, damit die sich ein schönes neues Auto kaufen können. Sondern dass der Wert von Boden wertgeschätzt wird.» Ein höherer Preis fördert gemäss dem LBV einen sparsamen Umgang mit Boden.
Der Bauernverband versuche deshalb nun, Politiker für eine Änderung der entsprechenden Passage im Rahmen der Beratung der Botschaft zu gewinnen. Jedoch nicht um jeden Preis: «Sollte sich keine politische Mehrheit finden, werden wir dies vorerst akzeptieren. Mit der vorliegenden Version setzt der Kanton das geforderte Minimum um.»
Ob dies auch der Kantonsrat so sieht, wird sich frühestens Mitte September zeigen, wenn das Parlament das nächste Mal tagt. Weniger umstritten als die Höhe der Entschädigung dürfte ein Nebeneffekt der Anpassung sein. Die Revision nimmt der Kanton Luzern zusätzlich zum Anlass, das Enteignungsgesetz gendergerecht zu formulieren. Dies basierend auf einem Vorstoss der Redaktionskommission (zentralplus berichtete).
- Botschaft zur Anpassung des Landerwerbsverfahrens und Entschädigung beim Kauf vom Landwirtschaftsland
- Medienmitteilung dazu
- Postulat Martin Birrer (FDP)
- Postulat Marlis Krummenacher-Feer (Mitte)
- Motion Pius Kaufmann (Mitte)
- Luzerner Enteignungsgesetz
- Vernehmlassungsantwort Luzerner Bauernverband
- Luzerner Strassengesetz
- Luzerner Wasserbaugesetz
- Telefonat mit Raphael Felder, Geschäftsführer Luzerner Bauernverband
- Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht
- Motion des St. Galler Mitte-Nationalrats Markus Ritter
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