Die Stadt Luzern steckt Hunderttausende Franken in ein Bauvorhaben mit nur wenigen Jahren Zukunft. Dies zeigen Recherchen von zentralplus zur ersten Etappe der Sanierung an der Bahnhofstrasse. Gemäss der städtischen SVP handelt es sich um ein grosses Planungsversagen – mit negativen Folgen für die Umwelt und die Stadtfinanzen.
Andere Parteien sind milder, die Stadt selbst beschwichtigt. Tatsache aber ist: Wo zurzeit der Boden aufgerissen und Asphalt verbaut wird, steht in wenigen Jahren eine weitere Baustelle an.
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was auf der Bahnhofstrasse und dem Theaterplatz zurzeit gebaut wird
wie viel in wenigen Jahren wieder abgerissen werden muss
warum Stadtpolitiker von einer «sinnlosen Verschwendung von Ressourcen» sprechen
Seit Mitte Oktober stehen auf dem Theaterplatz und auf der Theaterstrasse Süd Baumaschinen. Es handelt sich um die erste von sechs Bauphasen, um aus der Bahnhofstrasse einen Ort zum Flanieren zu machen und die Autos zu verbannen. Dafür hatte das Stimmvolk 2013 votiert.
Zehn Jahre Verzögerung an der Bahnhofstrasse
Der Baustart verzögerte sich jedoch jahrelang. Wegen langwieriger bürokratischer Verfahren und Einsprachen. 2020 sperrte die Stadt daher die Strasse zuerst für den Durchgangsverkehr. Parkplätze wurden aufgehoben, die Strasse mit Spiel- und Sitzecken verschönt. Quasi als Sofortmassnahmen.
Nun sind alle Verfahren geklärt: grünes Licht für den Bau. Bis 2026 wird die Strasse für 8,45 Millionen Franken zur «Begegnungszone» umgebaut, nur Taxis und Zubringer dürfen dann noch fahren. Dutzende neue Kastanienbäume und Hunderte Veloabstellplätze sind geplant (zentralplus berichtete).
Das Problem: Wo jetzt der Theaterplatz aufgerissen wird, soll in wenigen Jahren ein anderes Grossprojekt entstehen. Das neue Luzerner Theater, als Anbau des heutigen Theaterbaus. Über dessen Planungskredit stimmt die Stadtbevölkerung im Februar ab.
Bedeutet das, die Stadt verlegt einen neuen Boden auf dem Theaterplatz, nur um ihn kurz darauf wieder rauszureissen?
Stadt verteidigt ihr Vorgehen auf dem Theaterplatz Luzern
«Es ist richtig – mit dem Baustart für das neue Theater werden die provisorischen Flächen auf dem Theaterplatz wieder zurückgebaut», bestätigt der zuständige Projektleiter Lukas Deschwanden. Derzeit beseitigen die Bauarbeiter die Höhenunterschiede auf dem Theaterplatz und heben den Strassenraum auf. So soll ein barrierefreier Platz mit hellem Asphaltbelag entstehen. Kostenpunkt: 400’000 Franken.
Deschwanden betont, die Bauarbeiten seien auf den geplanten Theaterneubau abgestimmt. Sie würden einen «Mehrwert» bieten und seien «kostengünstig» – auch wenn der provisorische Platz in einigen Jahren wieder aufgerissen werden muss. Derzeit rechnet die Stadt mit einem Baustart für das neue Luzerner Theater «circa 2027/2028». Das Provisorium dient also für voraussichtlich drei Jahre.
Eine Umfrage unter den Parteien im städtischen Parlament zeigt, dass man sich der Situation bewusst ist – viele aber Verständnis haben. Ausser eine Partei.
Linke befürworten den Bau – SVP kritisiert Planung scharf
So schreibt Grossstadtrat Yannik Gauch (SP): «Natürlich hätten wir uns gewünscht, dass das Projekt attraktive Bahnhofstrasse schneller realisiert worden wäre.» Man sei aber froh, dass es jetzt vorwärtsgehe. Grossstadträtin Judit Aregger (Grüne) sagt am Telefon: «Man kann nicht immer alle Projekte miteinander abstimmen.» Es sei wichtig, jetzt etwas für Fussgänger und Velofahrerinnen zu machen – die Stadt könne nicht weitere Jahre darauf warten.
Deutlich anders sieht das die SVP. Timo Lichtsteiner, Mitglied der Spezialkommission Neues Luzerner Theater, findet: «Die Stadtverwaltung scheint hier sowohl in der Planung als auch in der Koordination der Bauprojekte versagt zu haben.»
Diese unglückliche Überschneidung führe zu einer «sinnlosen Verschwendung von Ressourcen» und sei ökologisch und ökonomisch äussert fragwürdig. Dass die Stadt auf einen Mehrwert für drei Jahre hinweise, sei ein «schwaches Argument». Denn der Aufwand werde in wenigen Jahren wieder «zunichtegemacht». Es fehle ein «durchdachter, langfristiger Plan für den Umbau der Bahnhofstrasse und die Realisierung des Theaterbaus».
Wann auf dem Theaterplatz Luzern gebaut wird, ist unklar
Andere Bürgerliche äussern sich sanfter. FDP-Fraktionschef Mike Hauser nennt die Situation ein «Dilemma». Grossstadtrat Luzi Andreas Meyer (Mitte) hält die Situation nur auf den «ersten Blick» für ärgerlich: «Dass das Projekt Bahnhofstrasse erst so weit ist, wie es ist, ist kaum ein Versäumnis der städtischen Verwaltung.» Schuld sei das Parlament selbst, das den Prozess verlangsamt habe, sowie die Einsprecher.
Dazu kommt – darauf machen die Parteivertreter fast alle aufmerksam: Die Abstimmung zum Planungskredit für das neue Luzerner Theater steht noch aus, diese findet wie erwähnt im Februar 2025 statt (zentralplus berichtete). Es ist daher unklar, ob das Stadtvolk den Theaterneubau überhaupt will. Ausserdem kann es auch später in der Planung noch zu Verzögerungen kommen. Gut möglich also, dass der provisorische Theaterplatz, der jetzt gebaut wird, länger als drei Jahre bleibt.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.