30 Mieter im Hertiquartier betroffen

Kündigungen in Zug: Stadtpräsident Kobelt beschwichtigt

Der Zuger Stadtpräsident Karl Kobelt verteidigt das Vorhaben der Pensionskasse. (Bild: mbe)

Die Stadtzuger Pensionskasse renoviert einen Wohnblock und kündigt deshalb allen Mietern. Die SP spricht von einer «Luxussanierung unter dem Deckmantel einer nötigen Sanierung» und wird politisch aktiv. Stadtpräsident Karl Kobelt rechtfertigt die Pläne für das Gebäude.

Die Meldung liess aufhorchen: Am Freitag wurde publik, dass allen 30 Mietern eines Wohnblocks im Zuger Hertiquartier gekündigt worden war. Der Mieterinnen- und Mieterverband des Kantons Zug (MV) sprach von einer Hiobsbotschaft. Er warf der Eigentümerin vor, allein aus Renditegründen günstigen Wohnraum zu vernichten.

Das liess die Pensionskasse der Stadt Zug, der das Haus an der St.-Johannes-Strasse 23 in Zug gehört, nicht auf sich sitzen. Sie wies die Vorwürfe am Wochenende zurück und versicherte, dass man weiterhin angemessene Mietzinse anbieten werde. «Sie werden deutlich unter den Marktpreisen liegen», sagte Martin Kümmerli von der Pensionskasse gegenüber zentralplus. Zudem erhalten die bestehenden Mieter einen Rabatt von 400 Franken.

SP reicht Vorstoss ein

Jetzt wird sich auch die Stadtzuger Politik mit dem Fall beschäftigen müssen. SP-Fraktionschef Ivano De Gobbi hat am Montag einen Vorstoss zum Thema eingereicht. «Aus unserer Sicht wird hier eine Luxussanierung unter dem Deckmantel einer nötigen Sanierung durchgeführt», begründet er seine Interpellation. «Wir befürchten, dass der Stadt dadurch 30 preisgünstige Wohnungen verloren gehen.»

Man habe Kontakt mit betroffenen Mietern gehabt, erklärt De Gobbi auf Nachfrage. Das mag mit ein Grund sein, wieso die Partei den Beteuerungen der Pensionskasse offensichtlich nicht vollends Glauben schenkt. «Gemäss den uns vorliegenden Informationen wird es nach der Sanierung happige Mietzinsanpassungen geben», sagt Ivano De Gobbi. Dass einige Sanierungsarbeiten nötig und wichtig seien, streitet er nicht ab. «Aber sie dürfen nicht zu horrenden Mietzinserhöhungen führen.»

SP nimmt den Stadtrat in die Pflicht

Dass jetzt die Politik aktiv wird, hat auch mit der Struktur dieses Falles zu tun. Denn das Gebäude an der St.-Johannes-Strasse gehört der städtischen Pensionskasse. Und damit hat auch die Stadt Einfluss, sitzt doch mit Karl Kobelt der Zuger Stadtpräsident an der Spitze des Vorstandes.

«Der Begriff ‹Luxus› ist nicht angebracht.»

Karl Kobelt, Stadtpräsident

«Dass jetzt ausgerechnet die städtische Pensionskasse Wohnungen aus dem preisgünstigen Segment entzieht, geht gar nicht», sagt Ivano De Gobbi. Sie dürfe zwar durchaus eine anständige Rendite anstreben, aber nicht Gewinnmaximierung. Der SP-Fraktionschef erwartet vom Zuger Stadtrat, dass er sich dafür einsetzt, dass die Wohnungen trotz der Sanierung weiterhin im preisgünstigen Segment bleiben. Aktuell gelten in Zug rund 2’100 der 15’000 Wohnungen als preisgünstig.

Karl Kobelt: «Luxus» ist fehl am Platz

Karl Kobelt, Präsident der städtischen Pensionskasse, hält fest, dass der Vorstand den Entscheid für die Sanierung gemeinsam getroffen habe. «Der Anspruch ist es, die Wohnungen instand zu stellen», hält er fest. Eine Sanierung sei zwingend: Zum einen wegen statischer Normen, die nicht eingehalten würden. Zum anderen, weil Elektrik sowie Küchen und Bäder in den meisten Wohnungen stark veraltet seien. Angesichts der Kritik der SP betont er: «Der Begriff ‹Luxus› ist nicht angebracht.»

Stadtpräsident Karl Kobelt präsidiert auch die Pensionskasse der Stadt Zug. (Bild: bic)

Der Zuger Stadtrat versicherte in der Vergangenheit mehrfach, dass ihm günstige Wohnungen ein Anliegen seien. Vor diesem Hintergrund griff der Mieterverband aktuell auch Karl Kobelt an: Er warf ihm indirekt vor, als Stadtpräsident offiziell für zahlbaren Wohnraum einzustehen, als Präsident der Pensionskasse aber zu dessen Vernichtung beizutragen.

Es sei richtig, dass günstige Wohnungen in der Stadt Zug eine hohe Nachfrage haben, sagt Kobelt dazu. «Niemand will jedoch in Wohnungen leben, die über keinen zeitgemässen Komfort mehr verfügen oder sogar die Normen betreffend Sicherheit nicht erfüllen. Zudem ist gewährleistet, dass die Wohnungen an der Johannesstrasse 23 im preisgünstigen Bereich bleiben.»

In Zug ist Wahljahr – spielt das auch eine Rolle?

Der Fall St.-Johannes-Strasse steht exemplarisch für ein Problem, das seit Jahren einer Lösung harrt. Zug ist in Sachen Wohnen ein extrem teures Pflaster. Seit Jahren sind freie – und vor allem preiswerte – Wohnungen Mangelware. Die hohe Nachfrage macht sogenannte Renditesanierungen für Hausbesitzerinnen und Investoren attraktiv: Nach einer Renovation lassen sich die gleichen Wohnungen teilweise deutlich teurer vermieten, weil der Markt diese Preise hergibt.

Es erstaunt kaum, dass die SP den Ball aufnimmt und einen Vorstoss eingereicht hat. Nicht nur, weil Mieterverbands-Co-Präsident Urs Bertschi jahrelang für die Partei im Stadtparlament sass. Die SP schreibt sich auch seit Jahren den Kampf für zahlbare Wohnungen auf die Fahne. Doch in Zug, wo das Mietpreisniveau hoch und die Leerwohnungsziffer tief ist, haben auch andere Parteien das Thema für sich entdeckt (zentralplus berichtete).

Dass die SP mit dem aktuellen Fall Wahlkampf betreibe, wie es bei der Pensionskasse hinter vorgehaltener Hand heisst, weist Fraktionschef Ivano De Gobbi klar zurück. «Die SP setzt sich bereits seit Jahren oder sogar Jahrzehnten für preisgünstigen Wohnungsbau in der Stadt Zug ein», betont er. Und kritisiert, dass der Stadtrat in dieser Sache nicht vorwärtsmache.

Darum doppelt die SP jetzt mit einer neuen Volksinitiative nach: Sie fordert, dass bis ins Jahr 2040 insgesamt 2’000 neue preisgünstige Wohnungen entstehen (zentralplus berichtete). Vielmehr, kontert De Gobbi keck, stelle sich die Wahlkampffrage bei der FDP, die das Thema bezahlbarer Wohnraum «auch entdeckt» habe.

Verwendete Quellen
  • Interpellation der SP Stadt Zug
  • Mailaustausch mit Stadtpräsident Karl Kobelt
  • Schriftlicher Austausch mit Ivan De Gobbi
  • Kündigungsschreiben an die Mieter
  • Stellungnahmen des Mieterverbandes und der Pensionskasse
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Reto Givel (an der St. Johannesstrasse 23 aufgewachten)
    Reto Givel (an der St. Johannesstrasse 23 aufgewachten), 13.05.2022, 21:18 Uhr

    RENDITE ODER MENSCH?

    Liebe Stadt Zug

    Während der Wohnungsnot Ende 60er Jahre hast Du in der Herti Hochhäuser gebaut. Ganze 15 Etagen hast Du die Betonelemente an der St. Johannesstrasse 23 in die Höhe getürmt und damit vielen Menschen günstigen aber lebenswerten Wohnraum beschert.

    Seither hast Du mit deinen tiefen Steuern Rohstoff, Pharma, Crypto und 10‘000 Menschen angelockt. Die Wohnungsnot aber grassiert erneut. Und just während dieser Wohnungsnot kündigst Du nun mit deiner Pensionskasse den 30 Parteien an der St. Johannesstrasse 23 die Wohnung.

    Viele der Parteien sind geschockt, wütig und konsterniert. Manche Bewohnerinnen müssten nach der Sanierung 220% des heutigen Mietzinses zahlen – und damit weit mehr als ein Drittel ihre Einkommens. Dass der Marktzins gar noch höher läge, ist für sie ein schwacher Trost.

    Jetzt ist Deine Solidarität gefragt, liebe Stadt Zug. Zerstöre nicht, was du Ende 60er Jahre geschaffen hast! Deine Pensionskasse hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. Lass diesen Worten Taten folgen. Beweise, dass Du neben der Rendite stets auch die Menschen vor Augen behältst! Vertreibe die hier verwurzelten Menschen nicht!

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  • Profilfoto von Black Pearl
    Black Pearl, 10.05.2022, 14:56 Uhr

    Wie hoch sind denn die aktuellen Mieten konkret? Diese sind möglicherweise halt massiv unterhalb der marktüblichen Preise. Und der Begriff ‹Luxus-Sanierung› ist wohl definitiv die falsche Bezeichnung für die Sanierung dieses Wohnblocks.

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  • Profilfoto von Alois Iten
    Alois Iten, 10.05.2022, 08:41 Uhr

    Wenn das stimmt, was Kobelt sagt, kann es gar keine starken Erhöhungen des Mietzines geben. Wenn Statik, Elektrik und Küchen und Bäder stark veraltet sind und nur dem aktuellen Stand angepasst werden, sind das kaum wertvermehrende Investitionen, und nur diese dürfen weiterverrechnet werden. Gerade wenn eine Liegenschaft in der Vergangenheit wenig unterhalten wurde, wie es hier Fall zu sein scheint, darf nur ein sehr tiefer wertvermehrendes Anteil eingesetzt werden.
    Entweder ist alles halb so wild oder die Pensionskasse und Kobelt erzählen nicht die ganze Wahrheit.

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