Vermietung des besetzten Hauses wäre wohl möglich

Kellerstrasse: ein unnötiger Leerstand

Das Haus an der Kellerstrasse steht leer – das müsste nicht sein. (Bild: ber)

In der Stadt Luzern ist ein Haus besetzt, das seit über vier Jahren leer steht. Grund für den Leerstand ist ein Erbstreit. Recherchen von zentralplus zeigen: Rechtlich wäre eine Vermietung möglich. Die Frage ist: Wie ist der Zustand des Hauses an der Kellerstrasse?

«Dieses Haus ist alt und hässlich, dieses Haus ist kahl und leer, denn seit mehr als vier Jahren, da bewohnt es keiner mehr.» Diese abgewandelten Zeilen aus einem alten Lagerfeuersong passen wunderbar zur aktuellen Kontroverse um die Besetzung an der Kellerstrasse in Luzern.

Seit bald einer Woche ist die Liegenschaft – Hauptpunkt eines Erbschaftsstreits – besetzt. Die Aktivisten wollen damit ein Zeichen gegen die Wohnungsnot setzen (zentralplus berichtete). Es sei eine Schande, ein Haus an dieser Lage mitten in der Stadt leer stehen zu lassen, finden sie.

Auftrag des Willensvollstreckers: das Erbe erhalten und verwalten

Benno Studer ist der vom verstorbenen Eigentümer eingesetzte Willensvollstrecker. Während des laufenden Gerichtsverfahrens seien ihm «die Hände gebunden» (zentralplus berichtete), sagt Studer. Und: Er selber kenne den Zustand und Sanierungsbedarf des Hauses nicht.

Kann das sein? zentralplus hat bei mehreren Expertinnen nachgefragt, welche Kompetenzen ein Willensvollstrecker hat. Seine Aufgabe ist es – der Name verrät's – den Willen eines Verstorbenen umzusetzen. Das heisst: Er hat unter anderem den Auftrag, den Nachlass zu erhalten und zu sichern, bis dieser geteilt ist – etwa durch einen Gerichtsentscheid.

«Die Kompetenzen eines Willensvollstreckers sind sehr weitreichend», erklärt Domino Hofstetter. Die Luzerner Fachanwältin ist auf Erb- und Immobilienrecht spezialisiert. «In Bezug auf die Liegenschaftsverwaltung hat der Willensvollstrecker die Stellung eines Vermieters, womit sowohl die Kündigung als auch der Neuabschluss von Mietverträgen und auch die Ausweisung zu seinen Kompetenzen gehört.»

Leerstand an der Kellerstrasse: Vermietung wäre rechtlich möglich

Anders gesagt: Der Erbstreit ist kein überzeugendes Argument, um den Leerstand des Hauses zu erklären. Vielmehr hatte der Willensvollstrecker von sich aus das bestehende Mietverhältnis mit der Caritas Luzern nach dem Tod des Eigentümers aufgelöst und dafür gesorgt, dass das Haus verbarrikadiert wurde (zentralplus berichtete). Grundsätzlich wäre es problemlos möglich gewesen, den Mietvertrag weiterlaufen zu lassen und damit beispielweise allfällige Hypotheken zu finanzieren.

Ein Hausverkauf jedoch – oder auch Grossreparaturen – durch den Willensvollstrecker sind während eines laufenden Erbstreits ohne Zustimmung der Erben nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. Und bei unklarem oder allenfalls ungültigem Testament ist grosse Zurückhaltung angebracht. Aber dass Studer als Willensvollstrecker angeblich nichts über den Zustand des Hauses weiss, mutet seltsam an. Zumal das Haus – von aussen augenscheinlich – zunehmend verlottert.

Das Haus verlottern zu lassen ist nicht erlaubt

«Wenn Sanierungsmassnahmen dringlich sind und im Unterlassungsfall mit einem erheblichen Wertverlust einhergehen, kann ein Willensvollstrecker meines Erachtens je nach den konkreten Umständen durchaus verpflichtet sein, solche vorzunehmen», meint dazu Domino Hofstetter. Es wäre also rechtlich durchaus möglich, das Haus instand zu halten.

Damit wären wir wieder beim «Alten Haus von Rocky Docky». Wie heisst es darin so schön? «Dieses Haus hat keine Farbe und der Rost, der nagt und frisst, bis das ganze Haus ein einz'ger Rostfleck ist.» Es ist zu hoffen, dass der Erbstreit geklärt ist, bevor es soweit ist.

Willensvollstrecker sagt: Vermietung wäre unzumutbar

Stellt sich die Frage: Was sagt der Willensvollstrecker dazu, dass das Haus grundsätzlich durchaus trotz des Erbstreits vermietet werden könnte? Dazu muss man wissen: Das Haus wurde schon zu Lebzeiten des Eigentümers durch eine professionelle Liegenschaftsverwaltung bewirtschaftet. «2017 hat uns die Liegenschaftsverwaltung mitgeteilt, dass die Liegenschaft in einem sehr schlechten Zustand sei und Leerstände nicht mehr vermietbar seien», schreibt der Vertreter von Benno Studer auf Nachfrage von zentralplus.

Die Verwaltung habe auf Rückfragen hin noch Fotos geschickt, die gezeigt hätten, dass eine «sanfte Renovierung» hier nichts bringe. «Die Verwaltung hat diese Auffassung bestätigt und mitgeteilt, dass nur eine Totalsanierung infrage komme», so der Vertreter von Benno Studer. Eine solche würde allerdings – wie oben erwähnt – die Kompetenzen eines Willensvollstreckers überschreiten.

Strafanzeige stellen kann auch die Witwe

Was die Besetzung angeht, so hat Benno Studer den Aktivistinnen ein Ultimatum gesetzt. Bis Mittwoch sollen sie das Haus verlassen, ansonsten würde er rechtliche Schritte einleiten (zentralplus berichtete). «Das Strafantragsrecht steht nicht der Erbengemeinschaft als Ganzes zu, sondern jedem einzelnen Mitglied der Erbengemeinschaft persönlich», erklärt Hofstetter. Heisst: Die Witwe des Verstorbenen könnte die Besetzer wegen Hausfriedensbruchs auch selbständig anzeigen.

Verwendete Quellen
  • Mailaustausch mit Domino Hofstetter
  • Mailaustausch mit dem Teilungsamt Luzern
  • Mailaustausch mit dem Stellvertreter von Benno Studer
  • Schweizerisches Strafgesetzbuch: Art. 8, Strafantragsrecht
  • Schweizerisches Zivilgesetzbuch: Art. 517 f: Willensvollstrecker
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1 Kommentar
  • Profilfoto von C. Bucher
    C. Bucher, 17.10.2022, 17:18 Uhr

    Es ist ja schon traurig, wie das Argument des angeblich verlangten «Standards» gebraucht wird, um günstigen und guten Wohnraum kaputtrenovieren, abreissen oder (in diesem Fall) leerstehen zu lassen.
    Mein Vorschlag an Herrn Studer: Schreiben Sie mal probehalber die Wohnungen aus und zwar genau so, wie sie sind: als renovationsbedürftigen Altbau ohne Komfort, mit befristetem Vertrag bis zur «Totalsanierung». Sie werden viele Interessierte finden!
    Unter anderem jene, die schon drin sind.

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