ABL-Präsidentin Marlise Egger Andermatt

«Jede neue Genossenschaftswohnung ist ein Highlight»

Marlise Egger Andermatt auf der Dachterrasse des Himmelrich 3. (Bild: zvg)

ABL-Präsidentin Marlise Egger Andermatt tritt im Juni zurück. Sie prägte den Vorstand der Luzerner Baugenossenschaft während zwölf Jahren. zentralplus blickt mit ihr zurück.

Die Allgemeine Baugenossenschaft Luzern, die ABL, ist die mit Abstand grösste Wohnbaugenossenschaft der Stadt Luzern. Über 2’000 Wohnungen hat sie in ihrem Portfolio. An der Bern- und Industriestrasse oder auf dem EWL-Areal kommen in den nächsten Jahren Hunderte weitere hinzu.

Die Verantwortung für dieses Konstrukt trug während der vergangenen vier Jahre Präsidentin Marlise Egger Andermatt. Sie ist seit rund 25 Jahren für die ABL tätig, die letzten zwölf als Vorstandsmitglied. zentralplus blickt mit ihr auf eine erfolgreiche Zeit zurück, die aber insbesondere in ihrem letzten Amtsjahr nicht von Turbulenzen verschont blieb.

zentralplus: Marlise Egger Andermatt, wir sitzen hier im neuen Geschäftssitz der ABL im Himmelrich 3 an der Bundesstrasse in Luzern. Was bedeutet diese Siedlung für die ABL?

Egger Andermatt: Kaum hatte ich 2019 als Präsidentin angefangen, feierten wir die Eröffnung vom Himmelrich 3. Und es ist wirklich ein Highlight, dass wir mitten in der Stadt einen Ersatzneubau in dieser Form realisieren konnten. Bereits 2011 hatten wir im Quartier einen Workshop durchgeführt, an dem verschiedene Interessengruppen sagen konnten, was ihnen fürs Himmelrich 3 wichtig ist. Und sehr viele dieser Erwartungen konnten wir erfüllen. Es ist eine lebendige, durchmischte Siedlung geworden. Hier ist eine kleine neue Welt entstanden.

zentralplus: Gleichzeitig steht das Himmelrich 3 im Gegenwind. Kritiker monieren, es handle sich um eine Akademikersiedlung, und die Wohnungen seien zu teuer. Wie sehen Sie das?

Egger Andermatt: Ich stelle fest, dass wir auch im Himmelrich 3 ein sehr gemischtes Publikum haben. Klar gibt es Mieterinnen mit einem akademischen Hintergrund. Es gibt aber auch andere. Auch bezüglich des Alters ist diese Siedlung sehr durchmischt. Es hat jede Menge Kinder, aber auch viele ältere Leute. Und diese Mischung funktioniert. Ich habe den Eindruck, dass hier eine neue Form des Zusammenlebens entstanden ist.

«Das interne Engagement ist wirklich spürbar hier. Das wäre nicht möglich, wenn die Bewohner so abgehoben wären, wie uns vorgeworfen wird.»

zentralplus: Inwiefern? Viele Genossenschaften legen Wert auf eine gute Altersdurchmischung.

Egger Andermatt: Sowohl die Jungen als auch die Älteren engagieren sich stark. Es gibt zum Beispiel die Gruppe «Salon Himmelblau», welche im Gemeinschaftsraum immer wieder Veranstaltungen durchführt. Diese Gruppe hat im Rahmen der vergangenen Statutenrevision aber auch einen Anlass für Mieterinnen organisiert, um über die Statuten zu sprechen. Es gibt zahlreiche weitere Gruppen. Das interne Engagement ist wirklich spürbar hier. Das wäre nicht möglich, wenn die Bewohner so abgehoben wären, wie uns vorgeworfen wird. Uns ist bewusst, dass die Wohnungen hier nicht die günstigsten sind. Die Menschen wohnen bewusst und gerne hier und schätzen die Interaktion untereinander.

Marlise Egger Andermatt tritt nach zwölf Jahren im ABL-Vorstand ab. (Bild: zvg)

zentralplus: War das von Anfang an der Anspruch der ABL beim Himmelrich 3, oder ist dieses Engagement eher ein Zufallsprodukt?

Egger Andermatt: Es ist wunderbar, wie unsere ursprüngliche Idee aufgegangen ist. Noch bevor die Wohnungen bezogen wurden, organisierten wir einen ersten Workshop mit den zukünftigen Mietern, um über das gemeinsame Wohnen zu sprechen. Dort haben sich die Menschen kennengelernt, bevor sie Nachbarn wurden. Wir haben die Interaktion angestossen, ihnen Räume zur Verfügung gestellt. Die Mieterinnen haben den Ball sofort aufgegriffen, und seither läuft das wie von selbst. In einem marktwirtschaftlichen Umfeld würde das kaum passieren.

«Ich finde, die ABL geht gestärkt aus dieser turbulenten Zeit hervor.»

zentralplus: Sie haben die Statutenrevision angesprochen. Diese hat die ABL im vergangenen Herbst ins Wanken gebracht. Eine Gruppe von Mitgliedern hat zahlreiche Änderungen vorgeschlagen, welche einen Wandel bei der ABL forderten (zentralplus berichtete). Ein Teil der Anträge wurde von den Mitgliedern letztlich gutgeheissen. Haben Sie diese Forderungen überrascht?

Egger Andermatt: Dass die Mitglieder mitreden wollen, hat mich nicht überrascht. Das haben wir uns auch gewünscht. Allerdings hat mich die Heftigkeit dieser Anträge überrascht. Diese Gruppe hat sozusagen eine zielgerichtete Kampagne lanciert. Das hat mich schon irritiert. Es ist jedoch das gute Recht der Mitglieder, über diese Themen diskutieren zu können. Letztlich haben wir in einem demokratischen, fairen Prozess neue Statuten verabschiedet, welche von den Mitgliedern im Grundsatz fast einstimmig angenommen wurden. Ich finde, die ABL geht gestärkt aus dieser turbulenten Zeit hervor.

«Ich bin überzeugt davon, dass die ABL weiter wachsen soll. Wir haben nicht genügend Wohnungen für die kontinuierlich steigende Nachfrage nach gemeinnützigem Wohnraum.»

zentralplus: Nun folgt mit Ihrem Abgang und demjenigen von Geschäftsführer Martin Buob, der sechs Jahre lang in dieser Funktion tätig war, ein grosser Umbruch (zentralplus berichtete). Birgt das Gefahren für die Kontinuität der ABL?

Egger Andermatt: Das glaube ich nicht. Die ABL ist wie ein grosses Schiff, das langsam, aber stetig unterwegs ist. Es lässt sich von einzelnen Ereignissen nicht vom Kurs abbringen. Wir sind auch für die Zukunft auf allen Ebenen gut und breit aufgestellt. Zudem stellen sich mit Marcel Budmiger und Marco Müller zwei hervorragende Kandidaten zur Wahl für meine Nachfolge.

zentralplus: Wieso gibt es überhaupt eine Auswahl? Normalerweise schlägt doch der Vorstand den Mitgliedern nur eine Person zur Wahl vor.

Egger Andermatt: Tatsächlich haben wir das in den vergangenen Jahren so gemacht. Nun hat aber die Findungskommission für das neue Präsidium, welcher auch zwei Mieterinnen angehören, auf ihrer Suche zwei gleich gute Kandidaten hervorgebracht. Zudem wurde bei vergangenen Wahlen gewünscht, dass seitens Mieterschaft mehr Mitsprache möglich ist. Diesem Anliegen werden wir mit dem jetzigen Vorgehen gerecht.

zentralplus: Wie sehen Sie die Zukunft der ABL?

Egger Andermatt: Ich bin überzeugt davon, dass die ABL weiter wachsen soll. Wir haben nicht genügend Wohnungen für die kontinuierlich steigende Nachfrage nach gemeinnützigem Wohnraum. Allein in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der ABL-Mitglieder von 9’000 auf 14’000 angestiegen. Darum ist jede neue Genossenschaftswohnung ein Highlight. Weil es eine Wohnung ist, die nicht auf den spekulativen Markt gelangt.

zentralplus: Auf dem heutigen Immobilienmarkt ist Wachstum aber leichter gesagt als getan.

Egger Andermatt: Das stimmt, das betrifft aber nicht nur die ABL. Es ist für Genossenschaften schwierig, auf dem Bau- und Wohnungsmarkt mit privaten Investoren mitzuhalten. Als grosse Genossenschaft fehlt uns hierfür die Flexibilität. Bis unsere Mitglieder dem Kauf eines möglichen Grundstücks zugestimmt haben, ist dieses schon lange vom Markt. Ich wünsche mir, dass die ABL auch in Zukunft mutig und offen bleiben wird. Es braucht kein Wachstum um jeden Preis. Aber wenn sich Chancen bieten, sollen diese beim Schopf gepackt werden.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Marlise Egger Andermatt
  • Website der ABL

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