Hinterschlund-Areal kommt aufs Tapet

In Kriens? SP fordert Plätze für Fahrende in Luzern

Im Hinterschlund ist bereits eine Wagenburg – wäre das auch ein Platz für Fahrende in Luzern? (Bild: Archivbild bic/zvg)

In der Region Luzern fehlen Standplätze für Fahrende. Die SP fordert die Stadt Luzern nun auf, dies zu ändern. Grossstadtrat Claudio Soldati sieht Potenzial in einem bestimmten Areal – das allerdings nicht auf Stadtgebiet liegt.

Fahrende sind – der Begriff sagt es – Menschen, die nicht das ganze Jahr am gleichen Ort leben, sondern grösstenteils unterwegs sind. Von den Jenischen und den Sinti mit Schweizer Staatsbürgerschaft pflegen noch 2'000 bis 3'000 Personen diese Lebensweise. Das Problem: Vielerorts fehlen die Plätze, an denen sie sich aufhalten können.

Aus einem im Mai letzten Jahres erschienenen Bericht der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende geht hervor, dass im Raum Sursee, Hochdorf, Luzern ein Bedarf von 15 Standplätzen besteht. Die aktuellen Durchgangsplätze in Luzern seien zu klein und dauerhaft belegt (zentralplus berichtete). Ein Transitplatz fehlt.

SP will zusätzliche Plätze für Fahrende in der Stadt Luzern

Die bestehenden Plätze sind zudem oft wenig attraktiv. «Halteplätze finden sich oft dort, wo Sesshafte nicht wohnen wollen», schreibt Stiftungspräsident Christoph Neuhaus in seinem Vorwort zum Bericht.

Die SP-Fraktion des Grossen Stadtrats ist der Ansicht, «dass es Aufgabe der Öffentlichkeit ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Minderheiten ihre Kultur leben können», wie sie in einem Vorstoss schreibt.

«Ich kann mir einen Standort Hinterschlund gut vorstellen.»

Claudio Soldati

Erstunterzeichner Claudio Soldati fordert den Stadtrat auf, zügig neue Durchgangs- und Standplätze in der Stadt Luzern zu schaffen. Weiter soll er sich für die Realisierung eines Transitplatzes im Raum Luzern einsetzen (siehe Box unten).

Soldati macht keine konkreten Vorschläge, wo Plätze für Fahrende in Luzern geschaffen werden könnten. «Ich masse es mir nicht an zu beurteilen, was die Fahrenden alles brauchen», sagt er gegenüber zentralplus. «Es wäre begrüssenswert, wenn sich die Stadt mit den Fahrenden respektive mit Fahrenden-Organisationen an einem runden Tisch zusammensetzen würde.»

2016 besetzten Fahrende ein Gelände beim Kreisel Schlund

Zuletzt hat sich Luzern im Jahr 2016 mit dem Thema auseinandergesetzt. Damals hatten Fahrende ein Gelände neben dem Kreisel Schlund besetzt – was in der ganzen Schweiz Schlagzeilen machte. Sie riefen dem Stadtrat damit in Erinnerung, dass sie ein Anrecht auf Durchgangsplätze haben.

Der zuständige Stadtrat Adrian Borgula versprach damals gegenüber der «Luzerner Zeitung», man suche ein alternatives Gelände. Dieses müsse etwa 2'000 Quadratmeter gross sein. Das entspricht in etwa einem Drittel eines Fussballfelds.

Nun trifft es sich, dass nur einen Steinwurf vom damaligen Standort entfernt gerade ein Areal frei ist, das etwas mehr als zwei Fussballfelder gross ist: der Hinterschlund. Eigentümerin des Geländes auf Krienser Boden ist die Stadt Luzern. Die beiden Städte planen gemeinsam eine neue Nutzung – die allerdings frühstens 2029 realisiert wird. Wäre das eine Option für die Fahrenden?

Claudio Soldati wäre dafür offen: «Ich kann mir einen Standort Hinterschlund gut vorstellen. Ich würde es sehr begrüssen, wenn die Städte zusammenarbeiten würden», sagt er.

Im Hinterschlund hätte es Platz

Einige Hürden wären diesbezüglich allerdings absehbar. Die Stadt will zwar eine Zwischennutzung im Hinterschlund ermöglichen. Die entsprechende Teilfläche liegt aber in der Arbeitszone, während der andere Teil des Grundstücks landwirtschaftlich bewirtschaftet werden soll.

Kommt hinzu: Die Stadt Luzern hat das Areal bereits dem Kanton Luzern angeboten, um dort Flüchtlinge unterzubringen (zentralplus berichtete). Bereits die Verhandlungen für eine «Legalisierung» der Wagenburg, welche das Gelände seit einiger Zeit besetzt, wurden deshalb sistiert (zentralplus berichtete).

Entscheid des Kantons lässt auf sich warten

Vonseiten des Kantons ist allerdings nicht in Erfahrung zu bringen, ob er die Option überhaupt zu nutzen gedenkt. Seit März hat er diesbezüglich nicht mehr kommuniziert. Auf Anfrage heisst es von Seiten der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen: «Der Kanton prüft gemeinsam mit der Stadt Luzern noch immer verschiedene Optionen.»

Ein Grundsatzentscheid scheint noch immer nicht gefallen zu sein. «Falls am Standort Hinterschlund Unterbringungsplätze für Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich entstehen sollten, informieren wir aktiv», heisst es seitens der Dienststelle lediglich.

Auch der Krienser Stadtrat hat sich bislang nicht dazu geäussert – und ist derzeit ferienabwesend. In einer Vorstossantwort schrieb er letzten März lediglich, dass er sich eine Zwischennutzung wünsche, die «zielführende Impulse für die weitere Entwicklung des Areals generiert».

Plätze für Fahrende

Fahrende haben ein Anrecht darauf, ihre Kultur zu leben – unter anderem geschützt durch die Europäische Menschenrechtskonvention. UNO-Menschenrechtsorgane haben die Schweiz verschiedentlich aufgefordert, den Minderheiten genügend Plätze zur Verfügung zu stellen. Es braucht drei Arten von Plätzen:

  • Standplätze werden die Orte genannt, an denen Fahrende den Winter in fest installierten kleinen Holzchalets, Wohncontainern und Wohnwagen verbringen. Dort haben die Fahrenden ihren Wohnsitz.
  • Von Frühling bis Herbst sind Fahrende oft in Gruppen unterwegs und halten sich auf Durchgangsplätzen auf. Dort bleiben sie in der Regel einige Wochen.
  • Auf Transitplätzen halten sich vorwiegend ausländische Roma auf.
Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Claudio Soldati
  • Standbericht 2021 der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende
  • Archiv-Artikel der «Luzerner Zeitung»
  • Antwort des Krienser Stadtrats auf einen Vorstoss von Marco Meier
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5 Kommentare
  • Profilfoto von schaltjahr
    schaltjahr, 05.08.2022, 07:49 Uhr

    Besser als in den Hinterschlung würde man die Durchgangsplätze ins Zentrum von Kriens legen. Auf den Stadtplatz. Da ist es immer leer und man ist nahe der Verwaltung, welche sich sicher auf ein wenig Leben auf dem Platz freuen würde …
    Als Mietpreis könnten die Luzerner vielleicht ein paar Blumenkübel stiften …. ( Von den Schrecklichen, welche es in Kriens so viele gibt .. )

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  • Profilfoto von Pilatus Dragon
    Pilatus Dragon, 04.08.2022, 13:40 Uhr

    Die SP fordert nur immer, denn Begriff wünschen kennen die gar nicht. Die Stadt Luzern hat schon die unliebsamen Carparkplätze nach Kriens verschoben und nun sollten wir auch noch neben den grässlichen Baubaracken im Hinters Holunder die Fahrenden aufnehmen.

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    • Profilfoto von Irgendwo in der Mitte
      Irgendwo in der Mitte, 05.08.2022, 07:22 Uhr

      Welche Partie fordert denn nicht? Nun, die SVP meckert eher, fordert aber auch.

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  • Profilfoto von Renggloch Böög
    Renggloch Böög, 04.08.2022, 12:43 Uhr

    Kein Problem, liebe SP…… Alles Unbeliebte schiebt man gerne nach Kriens ab um sich in der Stadt zu profilieren. Erst die Car’s, nun die Fahrenden, was folgt als nächstes? Womöglich noch Paul Winiker?

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    • Profilfoto von Kasimir Pfyffer
      Kasimir Pfyffer, 04.08.2022, 19:16 Uhr

      Jawohl, Verwaltungsrechts-Experten verweisen hier auf die vorgezogene Recycling-Gebühr (VRG): Wer ein Produkt herausgibt, muss es auch wieder zurücknehmen.

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