Luzerns neuste Überbauung

Geissensteinring: Run auf Wohnungen trotz hoher Preise

Alexander Rieder von der Pneumatikhaus AG verteidigt die Mietpreise am Geissensteinring. (Bild: Projekt-Webseite)

Auf der südlichen Strassenseite am Luzerner Geissensteinring entstehen derzeit rund 60 neue Wohnungen. Der Ansturm ist gross, auch wenn die Mietpreise im Vergleich zur Nachbarschaft teils happig sind.

Am Luzerner Geissensteinring wummerten noch vor knapp zwei Jahren die Bässe von Technomusik. Die Quelle der Musik war das «Uferlos», eine beliebte Disco in der Luzerner Partyszene. Mittlerweile sind die Bässe verstummt. Der Lärm hingegen ist geblieben.

Nun ist es Baulärm, der am westlichen Ende der Strasse über den Geissensteinring schallt. Hier entsteht eine neue Wohnüberbauung. 66 neue und vorwiegend kleine Wohnungen sowie zehn neue Gewerberäume sind geplant. Die ersten Wohnungen sollen im Dezember dieses Jahres bezogen werden.

Run auf Wohnungen

Das Grundstück gehört der Pneumatikhaus AG aus Rothenburg. Geschäftsinhaber Alexander Rieder ist sehr zufrieden mit dem Fortschritt des Projekts: «Insgesamt sind wir auf Kurs.» Zwar laufe bei solchen Projekten nie alles ganz rund, es handle sich bei diesen Problemen aber um Details.

«Überraschenderweise ist der Run auf die ‹teureren› Wohnungen besonders gross.»

Alexander Rieder, Grundstückbesitzer und Inhaber Pneumatikhaus AG

Rund läuft offenbar auch die Vermietung der Wohnungen. Die Vermietungsphase hat erst vor kurzem begonnen, doch gemäss Projektwebseite sind bereits 16 Wohnungen reserviert.

«Die Inserate sind nun seit einer Woche online, was zu einer üppigen Anzahl an Anfragen geführt hat und uns ausserordentlich freut», berichtet Rieder. So erhalte die beauftragte Verwaltung mindestens 20 Anfragen pro Tag. Und Rieder ergänzt: «Überraschenderweise ist der Run auf die ‹teureren› Wohnungen besonders gross.»

Der Rohbau steht. Im Dezember dieses Jahres sollen dann die ersten Wohnungen bezogen werden. (Bild: ewi)

Teure Wohnungen sind beliebt

Ein Blick auf die Projektwebseite bestätigt dies. Von den 16 teuersten Wohnungen sind lediglich noch drei frei. Die Wohnungen im günstigsten Preissegment hingegen sind fast alle noch verfügbar.

Die bereits vergebenen Wohnungen haben teils stolze Mietpreise. Bis zu 3'500 Franken kostet eine 4,5-Zimmer-Attikawohnung – Nebenkosten nicht eingerechnet. Allerdings handelt es sich dabei um einen teuren Ausreisser. Dennoch sind die durchschnittlichen Mietpreise nicht gerade billig, vor allem im Vergleich zu den sonstigen Mietpreisen in diesem Stadtteil.

«Wenn wir die Preise mit anderen Neubauten in der Umgebung vergleichen, gehören wir zu den preiswertesten.»

Alexander Rieder

So kostet eine 3-Zimmer-Wohnung im Unterlachen-Quartier gemäss dem Luzerner Statistikportal Lustat durchschnittlich zwischen 1'300 und 1'400 Franken. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung am Geissensteinring ist mit durchschnittlich rund 2'000 Franken Mietkosten deutlich teurer – wenn auch bei den Wohnungen am Geissensteinring ein zusätzliches «halbes» Zimmer hinzukommt. Ähnlich verhält sich der Preisvergleich auch bei den kleineren und grösseren Wohnungen.

Diese Erkenntnis ist überraschend, zumal Alexander Rieder im März 2019 gegenüber zentralplus angekündigt hatte, dass am Geissensteinring günstiger Wohnraum entstehen wird – auch ohne Subventionen (zentralplus berichtete). Bei diesem Standpunkt bleibt er auch drei Jahre später.

Teuer – für wen?

Die Kritik, dass die Wohnungen teurer als von ihm versprochen sind, lässt er deshalb nicht gelten. «Dass wir nicht mit den Preisen der Altbauten mithalten können, ist nicht überraschend», so Rieder. «Wenn wir die Preise mit anderen Neubauten in der Umgebung vergleichen, gehören wir zu den preiswertesten.»

So sah es am Geissensteinring bis zum Sommer 2020 aus. Links im Bild der Eingang zum «Uferlos». (Bild: jwy)

Dies bestätigt beispielsweise ein Blick auf die Wohnungsausschreibung der Himmelrich-Überbauung der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL). Die Preisspanne der Wohnungen am Geissensteinring bewegt sich ziemlich genau im gleichen Bereich wie beim Himmelrich – wo es sich wohlbemerkt um genossenschaftliche Wohnungen handelt, die grundsätzlich günstiger sind als auf dem freien Wohnungsmarkt.

Allerdings stand auch die ABL bereits in der Kritik hinsichtlich der Mietpreise. So kritisierte die SP vergangenes Jahr, dass der ABL «die Sensibilität für Kosten» abhanden gekommen sei (zentralplus berichtete).

Alexander Rieder ergänzt dessen ungeachtet: «Preisgünstig ist immer relativ.» Das erlaubt aber auch die Gegenfrage: Preisgünstig für wen?

Gentrifizierung wie aus dem Bilderbuch

Rieder gibt sich in dieser Frage offen: «Es sind alle willkommen. Ob jung oder alt, Singles, Paare, WGs oder Familien, einfach alle.» Deshalb betrachtet er sein Projekt auch nicht als Verdrängungsprozess, obwohl die Entwicklung am Geissensteinring als Gentrifizierung wie aus dem Bilderbuch daherkommt.

Gentrifizierung beschreibt einen urbanen Verdrängungsprozess: Günstiger Wohnraum, meistens in Quartieren mit geringem Neubau-Anteil, zieht junge und kreative Bewohner an. Diese beleben das Quartier und werten es dadurch auf. Das lockt Investorinnen auf den Plan. Diese bauen neue Wohnungen, allerdings zu meist deutlich teureren Preisen. So geht in den Städten weltweit günstiger Wohnraum in Zentrumsnähe verloren.

«Was zugegebenermassen verdrängt wurde, sind die lauteren Betriebe wie zum Beispiel die Schreinereien.»

Alexander Rieder

Auch am Geissensteinring verdrängte das Neubau-Projekt nicht nur das «Uferlos», sondern auch langjährige Bewohnerinnen und verschiedene Ateliers sowie Handwerksbetriebe im Erdgeschoss. Rieder hält dem entgegen, dass die Verwaltung in Kontakt stehe mit den ehemaligen Mietern. Manche hätten Interesse signalisiert, wieder an den Geissensteinring zurückzukehren.

«Was zugegebenermassen verdrängt wurde, sind die lauteren Betriebe wie zum Beispiel die Schreinereien», räumt Rieder letztlich ein. Er selbst sieht diese Entwicklung aber durchaus positiv und belegt dies mit der eigenen Erfahrung: «Wir selbst haben den Schritt nie bereut, unser Pneuhaus vom Pilatusplatz ins Industriegebiet in Rothenburg zu verlegen. Schlagschrauber und Wohnquartier vertragen sich nun mal nicht gut.»

Technobeats auch nicht. Die neuen Bewohner wird das freuen – die Luzerner Partyszene weniger.

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