Fossiles Heizen wird in Zug und Luzern verboten – jetzt echt?
Beim Heizen lässt sich enorm viel Treibhausgas einsparen. (Bild: Symbolbild: Pixabay)
Bis 2050 plant die Schweiz netto null. Dafür müssen Millionen Heizungen ersetzt werden. In Luzern und Zug wird es wohl zum Verbot fossiler Heizungen kommen – und im Rest des Landes auch. Wo wir bisher stehen.
Draussen schlägt dichter Regen an die Ägerihalle, drinnen drapieren Angestellte Käse auf Stehtischen. Rund ein Dutzend Platten gibt es, die gelben Würfel türmen sich auf ihnen. Mit Pfeffer, rezent, mild. An diesem Donnerstagsabend soll jeder auf seinen Geschmack kommen.
Die Gesellschaft: Ägerer, im mittleren bis hohen Alter, vorwiegend männlich und mit einem Hang, die Ortskarten hinter den Ständen ganz nah zu studieren. Sie wurden von den Einwohnergemeinden Oberägeri und Unterägeri eingeladen, um zu erfahren, dass ihre Heizungen mit Öl und Gas keine Zukunft haben.
Was der Bund bis 2050 mit netto null erreichen will
Der Anlass trägt den Namen «Energie und Umwelt Ägerital» und findet zum zweiten Mal statt. Die helle Halle in Unterägeri ist gut besucht. Im hinteren Teil des Saales präsentieren sich Experten für Solarenergie, Beratungsstellen und Anbieter von E-Fahrzeugen an Ständen. Vorne gibt es eine Bühne.
Dort tritt Beatrice Bochsler vor die 150 Anwesenden. Sie arbeitet für den Kanton und muss erklären, wie Zug die Schrauben anzieht. Denn seit Februar gilt das neue kantonale Energiegesetz. Direkt zu Anfang macht sie klar: «Im Kanton Zug ist der Anteil erneuerbaren Heizungen recht bescheiden.» Nur jede fünfte Heizung sei klimafreundlich.
Zu wenig für die Ziele, die sich der Bund mit netto null gesetzt hat: Die Schweiz soll ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Dafür müssen Millionen Gebäudeheizungen ersetzt werden. Denn der Gebäudesektor ist für etwa ein Drittel der CO₂-Emissionen im Land verantwortlich, wie das Bundesamt für Energie vorrechnet.
Kanton Zug: Wärmepumpen und nachhaltig heizen im Aufwind
Das neue Zuger Gesetz setzt klare Standards: Beim Heizungsersatz müssen Eigentümer dafür sorgen, dass künftig 20 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen stammt. Also von einer Wärmepumpe, Holzheizung, einem Fernwärmenetz oder einer PV-Anlage. Auch der Einbau einer besseren Dämmung genügt.
Im Neubau sei die Umsetzung der Auflagen kein Problem, sagt Bochsler auf der Bühne. «Das Problem sind die Altbauten.» Dort müssten die Eigentümer selbst die Initiative ergreifen. Im Kanton Zug stehe zwar ein Energie-Förderprogramm mit einem Budget von 84 Millionen Franken zur Verfügung. Doch eine Pflicht zum Umbau gibt es nicht – noch nicht.
Warum bei Sursee so viele Gebäude eine Wärmepumpe haben
Sprung nach Luzern: Rund um den Sempachersee liegt ein wahres Wärmepumpen-Eldorado. Viele der Gemeinden haben hohe Anteile Wärmepumpen, 40 Prozent, 45 Prozent, in Mauensee nahe Sursee sind es 53 Prozent, wie Daten des Bundesamts für Statistik zeigen. Auch schweizweit sticht die Region hervor, wie ein Blick in die Karte zeigt. Warum ist das so?
Das kann Tobias Ammann-Azizi beantworten. Er arbeitet bei der Umwelt- und Energieberatung des Kantons und der Stadt Luzern und berät Eigenheimbesitzer, die ihre Heizung umstellen wollen. Rund um den Sempachersee vermutet der Experte einen Bauboom an Einfamilienhäusern in den 1990er-Jahren. Deren Heizungen wären nach 30 Jahren sanierungsbedürftig – und der Einbau einer Wärmepumpe attraktiv.
Beratungen zu Wärmepumpen in Luzern nehmen stark zu
Die Umwelt- und Energieberatung in Luzern verzeichne einen starken Anstieg an Beratungen, sagt Ammann-Azizi am Telefon. «Die Menschen haben realisiert, dass der Strompreis erneuerbare Heizungen über die Gesamtzeit günstiger werden lässt.» Ausserdem sei die Technik enorm fortgeschritten.
«Früher haben Wärmepumpen Probleme verursacht. Diese Kinderkrankheiten wurden aber ausgemerzt.» Moderne Geräte seien ruhig und effizient. Ausserdem funktionieren neue Luft-Wasser-Wärmepumpen selbst bei minus 20 Grad. Sie nutzen die Wärmeenergie in der Aussenluft, um ein Gebäude zu heizen oder Warmwasser herzustellen. Am effektivsten klappt das allerdings bei Plusgraden.
Bei Ammann-Azizis Beratungen geht es viel um Fördergelder. Denn neben dem Kanton stehen auch Bundesgelder zur Verfügung. Für den Einbau einer Luft-Wasser-Wärmepumpe in einem Einfamilienhaus rechnet der Experte mit 30’000 bis 40’000 Franken. Etwa zehn Prozent der Kosten könnten sich Eigentümer über Förderungen zurückholen. Den Rest müssen sie selbst stemmen. Es gebe aber Leasing-Angebote oder vergünstigte Kredite.
Verbot fossiler Heizungen ist eine Frage der Zeit
Vor fünf Jahren hat Luzern erstmals klare Vorgaben bezüglich Nachhaltigkeit im Gesetz eingeführt. Ammann-Azizi sagt, der Kanton sei mit seinem kantonalen Energiegesetz ein Vorreiter gewesen. Zehn Prozent der Heizungsleistung muss seither aus erneuerbaren Quellen stammen. Also nur halb so viel, wie das neue Zuger Energiegesetz verlangt. Aktuell wird das Luzerner Gesetz weiter verschärft.
Und warum das alles? Ganz einfach. «Ein komplettes Verbot der Nutzung von fossilen Heizungen wird kommen. Nicht heute oder morgen. Aber bis 2050 sicher. Darauf strebt der Kanton Luzern hin», schätzt Tobias Ammann-Azizi. Auch im Rest der Schweiz ist langfristig nichts anderes zu erwarten. Nachbarländer haben den gleichen Kurs eingeschlagen, denn nur so scheint das Netto-null-Ziel erreichbar.
In Unterägeri ist die Stimmung gut – was den Wandel angeht
Wärmepumpen sind für den Wandel keine Generallösung. In den Bauernhäusern im Entlebuch dominiert zum Beispiel weiter die Holzheizung. In den Städten setzt man vielerorts auf Fernwärmenetze mit Seeenergie (zentralplus berichtete). Und beim Anlass «Energie und Umwelt Ägerital» tritt Roger Iten auf die Bühne und wirbt für das neuste Projekt der Korporation Unterägeri.
Stolz erzählt Iten, dass letztes Jahr der erste Kessel in der Heizzentrale in Betrieb genommen wurde. Dort wird nun Holz aus den Wäldern der Korporation verfeuert. Die Wärme wird über ein Netz an Rohren in die Haushalte transportiert. Der Ausbau wird noch Jahre dauern. Iten animiert, sich anzuschliessen und einen Vertrag mit der Korporation zu unterzeichnen. Dutzende zücken interessiert das Smartphone – kein Murren und kein Meckern. Dann wird der Käse serviert.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.