Verwaltungsgericht muss über die Bücher

Etappensieg für Nachbarschaft im Baarer Bauknatsch

Ein Baarer Einwohner will hier bauen. Viel zu hoch, finden die Nachbarn. (Bild: wia)

Ein Baarer möchte an guter Lage bauen. Die Nachbarschaft legt Beschwerde gegen das Projekt ein und erhält vom Bundesgericht Recht. Zu Ende ist der Knatsch deshalb noch nicht.

So geht das nicht, befindet das Bundesgericht und pfeift das Zuger Verwaltungsgericht betreffend eines geplanten privaten Bauprojekts in Baar zurück. Das Unterfangen hatte in der Nachbarschaft in den letzten Jahren für grosse Entrüstung gesorgt. Die Nachbarn gingen sogar bis vors Bundesgericht mit dem Fall. Dieses gab ihnen nun recht.

Doch worum gehts genau? Ein wohlhabender Baarer will an einer am Hang liegenden Strasse im Gebiet Alpenblick zwei Neubauten realisieren. Bloss: gemäss der Nachbarschaft seien die geplanten Bauten viel zu wuchtig für die Umgebung (zentralplus berichtete). Ausserdem plane der Bauherr so hoch, dass der bergseitig wohnende Nachbar kaum noch von der eigentlich sehr schönen Aussicht auf Baar profitieren könne.

Schon wegen des ersten Neubaus gelangten mehrere Nachbarschaftsparteien bis ans Bundesgericht. Diese Beschwerde wurde indes abgewiesen. Mit ihrer Beschwerde gegen das zweite Projekt erhält die Nachbarschaft nun recht.

Rechtliches Gehör gemäss Bundesgericht verletzt

Der Gemeinderat erteilte die Baubewilligung für das zweite Projekt völlig unkritisch. Anja Haller, die Anwältin der Beschwerdepartei, sagte vor einem Jahr dazu: «Der Baarer Gemeinderat hat die Pläne scheinbar einfach durchgewinkt. Wäre die Abteilung Planung/Bau kritischer gewesen, wäre das nicht passiert.» Die Nachbarn vermuten gar, dass der Gemeinderat die Baubewilligung nur erteilt habe, weil er befürchtet habe, einen guten Steuerzahler zu verlieren.

Die Kritik des Bundesgerichts zielt nun jedoch auf den Umgang des Verwaltungsgerichts mit der Angelegenheit. Dieses habe nämlich das «rechtliche Gehör» verletzt. Dieses diene, so das Bundesgericht im Urteil, «einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift».

«Das Verwaltungsgericht hat nie gemeinsam mit den Beschwerdeführern einen Augenschein vor Ort gemacht.»

Anja Haller, zuständige Rechtsanwältin

Dazu gehöre unter anderem das Recht der Betroffenen, an der Erhebung wesentlicher Beweise mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern. Sofern dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen.

Keine Möglichkeit zur Stellungnahme, kein Augenschein

Die zuständige Rechtsanwältin Anja Haller dazu: «In diesem spezifischen Verfahren hat das Verwaltungsgericht nie gemeinsam mit den Beschwerdeführern einen Augenschein vor Ort gemacht, sondern sich auf den Augenschein gestützt, der im Zusammenhang mit dem ersten Bauprojekt gemacht wurde.» Ebenso habe für die Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit bestanden, Stellung zu nehmen zum Protokoll des Verwaltungsgerichts.

«Wir geben nicht klein bei.»

Stephan Rietiker, Beschwerdeführer

Haller weiter: «Ich fand es rechtsverletzend, dass das Verwaltungsgericht bei einem solch grossen Projekt keinen Augenschein durchgeführt hat. Das Bundesgericht sah das offenbar ebenso.»

Das Urteil des Bundesgerichts nimmt Stephan Rietiker, einer der Beschwerdeführer, «mit grosser Genugtuung» zur Kenntnis. Er sagt auf Anfrage: «Allein aus prinzipiellen Erwägungen würden wir den Fall weiterziehen. Wir bestehen auf dem rechtlichen Gehör. Sollte man uns dieses nicht gewähren, werden wir den Fall erneut ans Bundesgericht weiterziehen.» Abschliessend sagt Rietiker mit Nachdruck: «Wir geben nicht klein bei.»

Verwaltungsgericht steht nun in der Pflicht

Wie geht es nun weiter? «Das Verwaltungsgericht muss das Beschwerdeverfahren wieder aufnehmen und überprüfen. Das Gericht muss den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör gewähren», erklärt Rechtsanwältin Haller.

Heisst? «Entweder stellt man den Beschwerdeführern das Protokoll zum aktuellen Bauprojekt zur Verfügung, damit diese Stellung dazu nehmen können. Oder aber es gibt einen erneuten Augenschein. Ist dieser gemacht, ist das rechtliche Gehör gewährt.» Erst dann könne das Gericht die Sachverhaltsermittlungen abschliessen und abermals entscheiden.

Kurios: Obwohl der Bauherr betreffend des ersten geplanten Neubaus bereits seit Längerem grünes Licht hat, haben die Bauarbeiten auf diesem Grundstück noch nicht begonnen.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Anja Haller
  • Gespräch mit Stephan Rietiker
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2 Kommentare
  • Profilfoto von Fakten Nenner
    Fakten Nenner, 14.04.2022, 12:45 Uhr

    Warum wird im Bericht der Fakt verschwiegen, dass es sich beim Bauherr, welcher in Baar an bester Lage zwei Häuser abreissen und diese durch eine Riesenvilla für über 10 Mio. ersetzen will, um den Chef der „gemeinnützigen“ Firma Texaid handelt? Noch Fragen, was Altkleider für ein Business sind? Darüber wurde schon mehrfach berichtet……. Berichte dazu findet man im Internet unzählige.

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    • Profilfoto von Redaktion zentralplus
      Redaktion zentralplus, 14.04.2022, 12:56 Uhr

      Danke für den Hinweis. Hier fehlt im Artikel tatsächlich die Verlinkung auf unseren früheren Bericht, was wir gerne nachholen: https://www.zentralplus.ch/news/texaid-chef-hat-in-baar-grosses-vor-877995/

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