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Das Gesicht der Gemeinde Emmen verändert sich frappant. zentralplus hat sich mit zwei engagierten Einwohnerinnen getroffen und gefragt: Wieso Emmen?
Das Symbol für Emmens Umbruch ist ein Brunnen. Oder eher ein Brünneli. Es ziert seit rund einem Jahr den Sonnenplatz, rein geographisch betrachtet das Zentrum Emmens. Mit grossen Tönen hatte der Emmer Gemeinderat im Sommer 2022 die zeitnahe Installation des Brunnens angekündigt. Das «grosse Highlight» werde die Aufenthaltsqualität auf dem Platz «deutlich steigern», liess der Gemeinderat verlauten.
Doch was zum Vorschein kam, als die Bauabschrankungen entfernt wurden, war alles andere als spektakulär. Das grosse Highlight entpuppte sich als ein rund einen Meter hoher Steinsockel mit einem Trinkbecken am oberen Ende und einer Mini-Wasserfontäne.
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Auf der weiten Asphaltwüste des Sonnenplatzes geht der Brunnen zwischen Foodtrucks, Bushaltestellen, Veloständern und temporär parkierten Autos völlig unter. Die spöttischen Reaktionen aus der Bevölkerung liessen nicht lange auf sich warten.
Der Wandel trägt violett
Böse Zungen mögen behaupten, dass ein solcher Brunnen symptomatisch für eine Agglo-Gemeinde ist: Der Wille zur Veränderung ist zwar da – doch aus einer Gemeinde wie Emmen kann sowieso nie etwas Schönes werden.
Man kann aber auch einen konstruktiven Ansatz wählen. Ein Ansatz, mit dem dieser Brunnen nicht als Armutszeugnis erscheint. Sondern als Auftakt hin zu einem echten Wandel in Emmen. Und dieser Wandel ist spürbar.
«Wir wollen, dass der Sonnenplatz zu einem Treffpunkt wird.»
Jasmin Huber, Vorstandsmitglied von «Frauen engagiert in Emmen»
Der Umbruch kann viele Erscheinungsbilder haben. An diesem Morgen kommt er in der Farbe violett und in der Person von Jasmin Huber daher. Jasmin ist in Emmen geboren, aufgewachsen und arbeitet auch hier. Sie ist im Vorstand des Vereins «Frauen engagiert in Emmen». Der Anfang 2023 gegründete Verein hat sich auf die Fahne geschrieben, die Gemeinde aus der Perspektive von Frauen mitzugestalten. Nicht nur, aber auch im Einwohnerrat, wo derzeit nur 7 von 40 Sitzen von einer Frau besetzt sind.
1000 Unterschriften für einen schöneren Sonnenplatz
Das erste politische Projekt des Vereins gilt – wie könnte es anders sein – dem Sonnenplatz. Im Spätsommer dieses Jahres haben Jasmin und ihre Kolleginnen eine Petition mit rund 1000 Unterschriften dem Gemeinderat übergeben, mit der sie eine Aufwertung des Sonnenplatzes fordern. Weniger Asphalt und Beton, mehr Grünflächen und Sitzgelegenheiten, so die Forderung.
«Wir wollen, dass der Sonnenplatz zu einem Treffpunkt wird», sagt Jasmin Huber. «Heute hält sich hier kaum jemand länger als nötig auf. Dabei hätte der Platz das Potenzial, ein echtes Zentrum für Emmen zu sein.» Sie erinnert sich daran, als der Verein für ein Wochenende praktisch in Eigenregie grosse Bäume und Bänke auf den Platz hat karren lassen. «Die Stimmung war total schön und vielen Menschen hat das sehr gefallen.»
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Wer in Emmen in Ruhe verweilen will, ist am Sonnenplatz am falschen Ort. Nebst der unattraktiven Ästhetik des Platzes fahren hier täglich knapp 20’000 Autos entlang der Gerliswilstrasse am Sonnenplatz vorbei. Gemütlich geht anders – zum Beispiel im Mooshüsli oder am Nordpol.
Emmen, eine Stadt? Oder doch ein Dorf?
Letzterer ist Jasmins Lieblingsort in Emmen, auch wenn er geographisch schon auf dem Gebiet der Stadt liegt. «Für uns in Emmen ist dieser Platz und das ganze Reussufer ein wichtiges Naherholungsgebiet», betont die gebürtige Emmerin. Dass der Badeplatz mit der Buvette und dem grossen Spielplatz vor einigen Jahren eine deutliche Aufwertung erfahren hat, begrüsst sie – auch wenn seither deutlich mehr Menschen zum Reusszopf kommen. Der Ort steht für Jasmin sinnbildlich für die Qualität Emmens. Urban und dennoch naturnah.
«In Emmen hat es alles, was es auch in der Stadt gibt», sagt Jasmin über ihre Heimat. «Läden, Cafés, Dienstleistungen. Gleichzeitig ist es nicht so anonym wie in der Stadt. Emmen hat nach wie vor einen dörflichen Charakter. Und die Natur liegt wie hier an der Reuss, direkt vor der Haustür.»
Sehr ähnlich sieht es Angelo Fusco. Auch ihm gefällt die gute Mischung aus Stadt und Dorf in Emmen. Angelo kommt ursprünglich aus dem Kanton Thurgau und lebt seit knapp sechs Jahren in Emmen. Während dieser Zeit hat er sich sozusagen zum Pressespiegel der Gemeinde entwickelt: Kaum ein Artikel über Emmen entgeht seinen wachsamen Augen. Die Berichte über seinen Wohnort teilt er dann in der Facebook-Gruppe «Du besch vo Ämmebrog, wenn …».
Emmen ist besser als sein Ruf
Warum dieses grosse Engagement, insbesondere als Zugezogener? «Als ich wegen der Arbeit nach Emmen gezogen bin, hatte ich meine Bedenken», gibt Angelo zu. «Ich hörte viel Negatives über ‹Emmenbronx›, dass die Kriminalität hier so hoch sei.» Doch dann folgte die positive Überraschung. «Ich habe Emmen von Beginn an überhaupt nicht als ‹Emmenbronx› wahrgenommen.» Stattdessen stiess er regelmässig auf tolle Angebote in der Gemeinde und positive Berichte in den Zeitungen.
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«Mit meinen Beiträgen auf Facebook will ich meinen Mitmenschen zeigen, was Emmen alles zu bieten hat», erklärt Angelo. «Die Gemeinde hat zahlreiche positive Seiten, welche viele gar nicht kennen.» Gefragt nach seinem Lieblingsort in Emmen, entscheidet sich Angelo ohne zu zögern für das Mooshüsli – das wichtigste Naherholungsgebiet Emmens.
Emmen Center und Mooshüsli sind die wichtigsten Treffpunkte
Gerade während der Sommermonate ist die Badi wohl der wichtigste Treffpunkt in Emmen – nebst dem Emmen Center. Entgegen aller Markttrends, die auf das baldige Ende von Shopping-Tempeln hindeuten, floriert das Emmen Center (zentralplus berichtete). Keine leeren Ladenflächen, Hochbetrieb an jedem Wochentag. Weil die zentralen Orte von Emmen wie der Sonnen- oder Seetalplatz im Verkehr versinken und nicht zum Verweilen einladen, treffen sich die Emmerinnen in Ermangelung von Varianten halt im Shopping-Center.
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Wenn das Emmen Center die moderne Form des Dorfzentrums ist, dann ist das Mooshüsli das heutige Pendant zur früheren Allmend – einem öffentlichen Grünraum, ohne Konsumzwang. Und auch das Mooshüsli steht für den Wandel in Emmen. Vor wenigen Wochen hat der Gemeinderat verkündet, dass das Mooshüsli bald ganzjährig als Park geöffnet haben wird. Zudem baut die Gemeinde neue Wege, Sitzgelegenheiten und Spielplätze im Park.
Es ist eines von vielen Projekten, welche das Gesicht Emmens in den kommenden Jahren markant verändern werden. Am Seetalplatz entsteht das kantonale Verwaltungsgebäude, am Bahnhof Emmenbrücke eine grosse Überbauung, ebenso auf dem Sonne-Areal beim Bahnhof Gersag (zentralplus berichtete). Der untere Teil der Gerliswilstrasse wird aufgewertet, dank Tempo 30 leiser und sicherer (zentralplus berichtete). Die viel befahrene Seetalstrasse soll gar zu einer mit Bäumen gesäumten Allee werden, wo Fussgänger, ÖV und Velos künftig mehr Platz haben. Und das Emmen Center erhält einen grünen Vorgarten.
Emmenbronx ist Geschichte
Was macht das mit einer Gemeinde, wenn sie sich innert weniger Jahre so stark verändert? Schiessen die Mieten bald in die Höhe? Zieht Emmen jetzt neureiche Yuppies an? Wird Emmen zum trendigen Vorort Luzerns, wie der Prenzlauer Berg in Berlin oder der New Yorker Stadtteil Brooklyn? «Emmenbrooklyn» würde zumindest das Emmenbronx-Wortspiel grandios fortführen.
Angelo Fusco hat tatsächlich Bedenken und sagt: «Ich wünsche mir, dass die Gemeinde nicht zu schnell wächst, sonst geht der heutige Charakter von Emmen verloren.»
Gelassener sieht es Jasmin Huber. Sie hofft, dass die Gemeinde ihre Zukunftspläne, die auf dem Papier gut klingen, auch in die Realität umsetzen kann. «Wenn es uns gelingt, dass sich in Emmen noch mehr Menschen fürs Zusammenleben engagieren und zum Beispiel auch die Wahlbeteiligung steigt, wird Emmen auch in 20 Jahren noch so vielfältig sein wie heute.»
Emmen steht am Scheideweg. Klar ist heute nur: Emmenbronx ist Geschichte.
- Persönliches Treffen mit Jasmin Huber und Angelo Fusco
- Webseite von Frauen engagiert in Emmen
- Petition für den Sonnenplatz
- Statistiken von Lustat
- Webseite der Gemeinde Emmen
- Facebook-Seite «Du besch vo Ämmebrogg, wenn...»
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