Zwischennutzungen im Kanton Luzern

«Einkaufszentren bieten Potenzial für neue Nutzungen»

Wird es in Luzern bald auch zwischengenutzte Einkaufszentren geben? Laut Dominik Unternährer ist das durchaus eine Option. (Bild: mst/Sam Aebi)

Die Fachstelle Temporär setzt sich für Zwischennutzungen ein. Co-Geschäftsleiter Dominik Unternährer spricht mit zentralplus über mögliche Luzerner Zwischennutzungen der Zukunft.

In der Stadt Luzern und der Agglomeration werden immer wieder leer stehende Gebäude und brachliegende Flächen für Zwischennutzungen freigegeben. Dies ist ganz im Sinne der Luzerner Fachstelle Temporär, die eine nachhaltige Stadtplanung und Quartierentwicklung durch innovative Zwischennutzungen fordert. Doch gemäss Co-Geschäftsleiter Dominik Unternährer wäre mehr möglich.

zentralplus: Im urbanen Luzern kommt es immer wieder zu Zwischennutzungen. Sind sie auch auf dem Land wichtig?

Dominik Unternährer: Zwischennutzungen haben meines Erachtens auch ausserhalb städtischer Zentren grosses Potenzial, wobei die baulichen Begebenheiten natürlich mitentscheidend sind. Die Zwischennutzung im Unterwerk im basellandschaftlichen Bottmingen ist ein Beispiel für eine Zwischennutzung auf dem Land, die sehr gut gestartet ist. In den Gemäuern des alten Unterwerks entsteht sehr viel Kreatives.

zentralplus: Wieso gibt es dennoch mehr Zwischennutzungen in den Städten?

Unternährer: Insbesondere in städtischen Zentren ist günstiger Raum für die Kreativwirtschaft, die Kultur, für temporäre Projekte, Experimente und junge Unternehmen knapp. Zwischennutzungen bieten die Möglichkeit, zumindest vorübergehend solche Räume zur Verfügung zu stellen.

zentralplus: Was ist bei der Planung zu beachten?

Unternährer: Im Idealfall werden Zwischennutzungen in Planungsprozessen von Anfang an mitgedacht und die Dinge, die dort passieren und funktionieren, in künftige Nutzungen überführt.

zentralplus: Auch die Quartiere sollen von Zwischennutzungen profitieren. Wie gelingt dies?

Unternährer: Zwischennutzungen bieten häufig grosse Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bevölkerung und die beteiligten Personen. Es entstehen niederschwellig zugängliche Begegnungsräume, die ein breites Angebot bieten.

zentralplus: Welche Luzerner Zwischennutzungen fallen Ihnen auf Anhieb ein?

Unternährer: Das Neubad natürlich, die Krienser Zwischennutzung auf dem Bell-Areal, die Zwischennutzung Universum auf dem Inseli, das soeben gestartete Kulturhaus Fruchthof in Sursee oder das Kulturhaus «Kulti» in Littau. Zudem die Zwischennutzung diverser Räumlichkeiten der katholischen Kirche im Rahmen des Projekts Zwischenraum.

zentralplus: Das Neubad hat als Zwischennutzung neue Massstäbe gesetzt und strahlt weiter über die Stadtgrenzen hinaus.

Unternährer: Das stimmt. Gäbe es eine Prämierung für die besten Zwischennutzungsprojekte, bin ich überzeugt, dass das Neubad auch im internationalen Vergleich Preise gewinnen würde.

Das Neubad im Bireggquartier gilt als Paradebeispiel für eine gelungene Zwischennutzung. (Bild: zvg)

zentralplus: Wieso?

Unternährer: Weil das alte Hallenbad mit verhältnismässig wenigen baulichen Massnahmen in ein Kulturhaus transformiert wurde, welches durch das diverse Veranstaltungsprogramm, die Gastronomie, die Atelier- und Co-Working-Plätze und vieles mehr ein sehr breites Publikum findet. Für die alten Räumlichkeiten mit Pools und Garderoben wurden neue Nutzungen gefunden, die super funktionieren und den Ort als Kultur- und Quartierzentrum einzigartig machen.

zentralplus: Tatsächlich gehen im Neubad verschiedenste Menschen ein und aus, vom linksalternativen Kulturinteressierten bis zum Grosi, das um die Ecke wohnt.

Unternährer: Das Neubad ist ein Wohnzimmer der Stadt Luzern, dank des Projekts «vereinbar» mittlerweile auch ein barrierefreies und damit noch inklusiveres. 

zentralplus: Macht die Stadt Luzern genug für bestehende und potenzielle künftige Zwischennutzungen? 

Unternährer: Die Kulturagenda 2030 anerkennt, dass erschwingliche Ateliers, Proberäume und Veranstaltungsräume sowie Freiräume wichtig sind und Zwischennutzungen in dieser Hinsicht Potenzial bieten. Sie setzt sich auch zum Ziel, dass der Zugang zu diesen Räumen gefördert werden soll.

zentralplus: Welche konkreten Projekte hat die Stadt zuletzt ermöglicht?

Unternährer: Auf dem Luzerner Inseli wurde das Potenzial für eine Zwischennutzung erkannt und ein passendes Projekt dafür gesucht. Beim Neubad wurden die Rahmenbedingungen über die Jahre verbessert.

zentralplus: Wo wäre mehr möglich?

Unternährer: In der Stadt Luzern liegt immer wieder viel Potenzial brach. So stehen Liegenschaften regelmässig längere Zeit leer oder sind unternutzt, wie dies beim Konservatorium oder der Villa Musegg der Fall war.

zentralplus: Welche Orte eignen sich generell besonders gut für Zwischennutzungen?

Unternährer: In der Vergangenheit waren es insbesondere ausgediente Industriegebäude, die als attraktiv für Zwischennutzungen galten. In der Regel findet man in diesen spannende Räumlichkeiten vor, die Nutzungen aller Art ermöglichen.

zentralplus: Weil die meisten Industriegebäude in der Stadt Luzern mittlerweile umgenutzt oder abgerissen sind, stellt sich die Frage, wo die Zwischennutzungen der Zukunft entstehen sollen.

Unternährer: Im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Entwicklungen ist abzusehen, dass in naher Zukunft Bürogebäude, Kaufhäuser, Verkaufsflächen und Einkaufszentren, Kirchen und Klöster vermehrt zwischen- und umgenutzt werden können. Die bieten alle Potenzial für neue Nutzungen.

zentralplus: Inwiefern spielt dabei auch die Nachhaltigkeit eine Rolle?

Unternährer: Das Projekt «Countdown 2023» hat berechnet, dass das heutige Bauen schweizweit für etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen, für 50 Prozent des Ressourcenverbrauchs und 80 Prozent des Abfalls verantwortlich ist. Vor dem Hintergrund der Klimakrise sollte sich die Einsicht durchsetzen, dass wir Gebäude nicht einfach abreissen, sondern mit neuem Leben füllen.

zentralplus: Welche Zwischennutzungen sind in Luzern gescheitert oder noch nicht zustande gekommen?

Unternährer: Eine Zwischennutzung in einem Hotel, einem Kloster oder einer Kirche wäre sicherlich spannend. Schade, wurde der «Mississippi-Dampfer» unterhalb der Spreuerbrücke vor 50 Jahren abgerissen. Dort hätte bestimmt ein spannendes Zwischen- und Umnutzungsprojekt umgesetzt werden können. 

zentralplus: Sind Zwischennutzungen die spiessige Alternative zu Hausbesetzungen?

Unternährer: Meines Erachtens hinkt der Vergleich in vielerlei Hinsicht. Besetzungen sind fast immer stark politisch motiviert und fordern zum Beispiel eine andere Wohnbaupolitik. Bei Zwischennutzungen, wie wir sie verstehen, spielt Wohnen eine untergeordnete Rolle.

Verwendete Quellen
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