Ein Haus mit 40 Mitbewohnern? Vielleicht bald auch in Zug
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Eine Zürcher Firma will mit einem neuen Konzept der Wohnungsknappheit in Zug entgegenwirken. Im Interview spricht der Geschäftsführer über WG-Alternativen, Sauberkeit und Mietpreise.
Wie viel Erde braucht der Mensch? Das fragte nicht nur Leo Tolstoi in der gleichnamigen Parabel. Die Frage wird auch hierzulande immer relevanter. Die Schweiz nähert sich der 10-Millionen-Einwohner-Marke in grossen Schritten. Ein zweistöckiges Haus mit Umschwung liegt dabei nicht für jeden drin.
Muss auch nicht sein, findet Johannes Peter, Gründer von Tomodomo, was auf Japanisch so viel heisst wie «zusammen». Ein angenehmes Leben könne sehr wohl auch auf kleinerem Raum geführt werden. Die Co-Living-Häuser, die sein Start-up bisher realisiert hat, sollen das beweisen. Nun will das Zürcher Unternehmen auch in Zug Fuss fassen.
zentralplus: Wie funktioniert das Co-Living-Konzept, das Tomodomo anbietet?
Johannes Peter: Es geht uns darum, Häuser zu bauen für grosse Gemeinschaften, welche ihre Wohnflächen miteinander teilen. Jeder hat ein eigenes Zimmer mit einem eigenen Bad, daneben teilt man die Küche, Co-Working und Dachterrasse miteinander. Es ist eine Alternative zur WG.
zentralplus: Mittlerweile betreiben Sie fünf Co-Living-Häuser in verschiedenen Städten. Wie läuft es?
Peter: Im Oktober 2020 haben wir unser erstes Projekt in Kloten umgesetzt, im ehemaligen Hotel Fly Away, in dem wir 38 Zimmer anbieten. Ich bin sehr erfreut darüber, dass das Haus stets voll belegt ist und darin bisher viele tolle Freundschaften entstanden sind. Gerade habe ich erfahren, dass ein Paar, das sich dort kennengelernt hat, bald heiraten wird.
zentralplus: Wo liegen die Unterschiede zur gewöhnlichen WG respektive zum Studentenheim?
Peter: Unser Konzept spricht etwas ältere Leute an, welche diese Wohnform nicht wählen, weil sie praktisch ist, sondern weil sie diese Art des Zusammenlebens schätzen und gerne Menschen kennenlernen. Das ist übrigens auch das, was mir als Gründer Spass macht. Ich lebe deshalb selber so. Co-Living kommt mit einem gewissen Komfort, das Durchschnittsalter liegt bei 32, obwohl auch Menschen in ihren 40ern und 50ern in unseren Häusern leben. Man wählt diese Wohnform nicht unbedingt, weil sie günstig ist, sondern weil sie eine coole Gemeinschaft bietet.
zentralplus: Wie hoch ist die Miete für ein Zimmer?
Peter: Das ist unterschiedlich, je nach Grösse des Zimmers, aber auch nach Lage. Ein Zimmer mitten in Zürich ist mit rund 1'400 Franken teurer als eines in unserem neuen Haus in St. Gallen, wo ein Zimmer monatlich rund 900 Franken kostet.
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zentralplus: Wie sieht Ihr Zielpublikum aus?
Peter: Sicher Leute, die beispielsweise neu in der Stadt sind und einen Ort suchen, wo sie ankommen können. Das Wohnen in unseren Häusern ist praktisch, denn vieles ist schon vorhanden. Die Häuser sind möbliert, die Nebenkosten sind abgedeckt, es gibt ein funktionierendes Wifi. Auch leben bei uns viele Leute aus der Schweiz, die eine Zeit alleine gelebt haben und einen Tapetenwechsel wollten. Die bleiben oft auch längerfristig. Wir haben eine spannende Durchmischung, nicht nur was Alter und Nationalitäten angeht, sondern auch beruflich. In unseren Häusern leben Leute, die im Banking oder Consulting arbeiten, aber auch Landschaftsgärtner.
zentralplus: Trotzdem müssen die Bewohnerinnen wohl eine ähnliche Gesinnung haben. Sonst wird das Zusammenleben schwierig.
Peter: Ja, die Leute müssen offen sein. Ausserdem führt unser Hospitality-Manager jeweils halbstündige Gespräche mit den Bewerbern, um herauszufinden, ob die Leute wirklich so leben möchten. Wenn wir das Gefühl haben, dass sie nicht in dieses Konzept passen, sagen wir Bewerbern auch mal ab.
zentralplus: Erfahrungsgemäss gibt es beim Zusammenleben in WGs häufig Spannungen. Oft ist Sauberkeit und Ordnung ein zentrales Thema. Wie löst man in Ihren Häusern solche Probleme?
Peter: Natürlich machen wir beim Aufnahmeverfahren auf dieses Thema aufmerksam. Die Mieter willigen ein, die Sachen in gutem Zustand zu hinterlassen und aufeinander Acht zu geben. Bei den meisten Leuten handelt es sich um Menschen, die im Berufsleben stehen und einen höheren Standard gewohnt sind als damals in der Studentenbude. Ausserdem führt der Hospitality-Manager regelmässig Treffen durch, um Themen zu besprechen, die aktuell sind. Weiter wird dieses potenzielle Problem dadurch entschärft, dass die Liegenschaften wöchentlich von einem Reinigungsteam geputzt werden.
zentralplus: Bisher haben Sie insbesondere ehemalige Hotels zu Co-Living-Flächen umgenutzt. Welche Idee schwebt Ihnen in Zug vor?
Peter: Tatsächlich sind die meisten unserer Wohnobjekte ehemalige Hotels. In St. Gallen sind wir jedoch gerade dran, ein Bürogebäude umzunutzen. Das sind insgesamt 2'500 Quadratmeter, in denen 94 Co-Living-Zimmer mit sieben Küchen entstehen. So etwas wäre auch in Zug denkbar. Wenn ein Bürogebäude in der Mischzone steht, ist das grundsätzlich kein Problem. In Zug würden wir gern ein Haus für mindestens 40 Personen anbieten. Es dürfen jedoch auch 100 oder 150 sein. Je mehr Bewohner, desto mehr Clusters gäbe es, die sich gemeinsam etwa eine Küche teilen. Ein weiterer Vorteil: Je grösser das Haus, desto grösser sind die Möglichkeiten. Etwa, um einen Garten, Co-Working-Space oder eine Dachterrasse anzubieten.
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zentralplus: In Zug herrscht akute Wohnungsknappheit. Aber auch der Leerstand bei Büroflächen ist nicht sonderlich hoch. Wie begegnen Sie diesem Problem?
Peter: Das stimmt, in Zug sind die Bedingungen schwieriger als andernorts. Doch wir kennen ähnliche Situationen aus Basel oder Zürich. Letztlich ist Co-Living genau für solche Städte ideal. Der Umgang mit Wohnfläche ist viel effizienter als mit anderen Wohnformen. Man lebt in einem 22 Quadratmeter grossen Zimmer und teilt weitere Räume statt allein in einer Dreizimmerwohnung zu wohnen. In Zug sind wir jedoch noch am Anfang des Prozesses. Derzeit suchen wir lokale Partner, die an diesem Konzept interessiert sind. Wir wären jedenfalls bereit, in Zug ein Gebäude zu mieten.
- Website Tomodomo
- Telefongespräch mit Johannes Peter
- Verschiedene Medienberichte, unter anderem in der «Limmattaler Zeitung»