Diese Frau macht aus Emmenbronx einen Lieblingsort für alle
zentralplus hat jüngst über den Wandel der Gemeinde Emmen berichtet. Nun haben wir jene Frau zum Gespräch getroffen, die massgeblich für diesen Umbruch verantwortlich ist: Gemeindepräsidentin Ramona Gut-Rogger.
Die Gemeinde Emmen ist im Wandel. Während früher Kriminalität, schlechte Gemeindefinanzen und Verkehrsprobleme die Berichterstattung über Emmen dominierte, sorgen heute Bauprojekte und öffentliche Pärke für Schlagzeilen. Hinter dem Wandel steckt eine neue Strategie der Gemeinde. Für diese ist Gemeindepräsidentin Ramona Gut-Rogger (FDP) massgeblich verantwortlich.
zentralplus hat mit ihr über den Wandel ihrer Gemeinde gesprochen – und gefragt, ob wegen des Wachstums auch Menschen aus Emmen verdrängt werden.
zentralplus: Frau Gut-Rogger, zentralplus hat einen Bericht kürzlich mit «Emmenbronx ist Geschichte» getitelt. Sehen Sie das auch so?
Ramona Gut-Rogger: Es freut mich, dass unsere Bemühungen langsam wahrgenommen werden. Darum habe ich mich auch sehr über Ihre Interviewanfrage gefreut. Es ist uns nämlich schon seit vielen Jahren ein grosses Anliegen, Emmen weiterzuentwickeln, zu verändern und in ein positives Licht zu rücken. Doch lange Zeit wurde das kaum bemerkt, da die damit verbundene strategische Arbeit vor allem im Hintergrund ablief.
zentralplus: Das hat sich nun geändert?
Gut-Rogger: Ja. In letzter Zeit erhalte ich viele Nachrichten von Menschen, denen der Wandel in Emmen auffällt und die sich darüber freuen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir zuletzt viele konkrete Projekte realisieren konnten. Der Pumptrack, der neue Kunstrasen, der Mooshüsli-Park. Das sind zwar nur kleine Projekte, aber wir entwickeln uns Schritt für Schritt weiter. Darum stört es mich umso mehr, dass teilweise noch immer von Emmenbronx gesprochen wird.
zentralplus: Klischees halten sich bekanntlich hartnäckig.
Gut-Rogger: Ich wehre mich aber auch umso hartnäckiger dagegen.
Ich denke, dass der Seetalplatz das Potenzial hat, in einigen Jahren zum «Place to be» zu werden.
zentralplus: Und wie wird man dieses Klischee los?
Gut-Rogger: Emmenbronx ist für mich negativ behaftet. Der Begriff schafft ein Gefühl von Unsicherheit. Dabei bin ich hier aufgewachsen und habe mich nie unsicher gefühlt. Darum wollen wir positive Emotionen in der Bevölkerung wecken. Dazu haben wir eine neue Gemeindestrategie ins Leben gerufen: Pionier Emmen – mein Lieblingsort. Die Idee dahinter ist, dass alle Menschen in Emmen einen Lieblingsort haben und das Potenzial dieser Gemeinde erkennen. Zum Beispiel das Mooshüsli: Das war schon immer ein beliebter Treffpunkt, doch die Badi war nur während vier bis fünf Monaten im Jahr offen. Das ist doch schade. Warum sollte dieser Lieblingsort nicht das ganze Jahr offen haben? Das haben wir jetzt mit dem neuen Park erreicht.
zentralplus: Emmen will ganz viele Lieblingsorte schaffen. Die können überall in der Gemeinde sein. Braucht Emmen nicht vor allem ein Zentrum, damit die Gemeinde fassbarer wird?
Gut-Rogger: Das stimmt, Emmen hat heute kein Zentrum. Das liegt aber auch daran, dass es in der Gemeinde zwei ganz unterschiedliche Ortsteile gibt. Wir haben mit Emmen Dorf einen Ortsteil mit fast schon ländlichem Charakter. Emmenbrücke hingegen ist städtisch und anonym. Das trägt massgeblich zur Vielfalt von Emmen bei und sorgt für spannende Gegensätze. Auf der anderen Seite hat sich so nie ein gemeinsames Zentrum entwickelt. Ich denke aber, dass der Seetalplatz das Potenzial hat, in einigen Jahren zum «Place to be» für beide Ortsteile zu werden.
zentralplus: Bis dahin dauert es aber noch eine Weile …
Gut-Rogger: Wir wollen bei der Entwicklung nichts überstürzen, sondern Projekte koordiniert angehen. Es wäre fahrlässig, auf dem Seetalplatz oder dem Sonnenplatz etwas aufzubauen, was im Zuge der Entwicklungen rundherum in wenigen Jahren schon wieder abgerissen werden müsste. Das können wir uns in unserer finanziellen Situation schlicht nicht leisten.
«Für die weitere Entwicklung der Gemeinde ist es darum entscheidend, dass wir mehr Steuereinnahmen generieren.»
zentralplus: Die Gemeindefinanzen bereiten Ihnen Sorgen?
Gut-Rogger: Die schlechte finanzielle Lage vor einigen Jahren war einschneidend für die Gemeinde. Wir mussten sparen, Projekte wurden zurückgestellt. Nun dreht sich das Blatt langsam, und wir haben wieder mehr finanziellen Spielraum. Das ist positiv und eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung unserer Gemeindestrategie. Die Situation bleibt aber angesichts des hohen Investitionsbedarfs herausfordernd. Für die weitere Entwicklung der Gemeinde ist es darum entscheidend, dass wir mehr Steuereinnahmen generieren.
Im Video verrät Ramona Gut-Rogger, was ihr an Emmen besonders gefällt – und was nicht:
zentralplus: Und das gelingt über die Entwicklung der Schlüsselareale Sonne beim Bahnhof Gersag oder in der Schützenmatt beim Bahnhof Emmenbrücke? Sollen damit gute Steuerzahler nach Emmen gelockt werden?
Gut-Rogger: Diese bauliche Entwicklung ist zwingend notwendig, wenn wir in Emmen ein qualitatives Wachstum wollen. Dann braucht es in gewissen Quartieren eine Verbesserung der Bausubstanz, und es braucht Neubauten. Auch wenn damit preisgünstiger Wohnraum teilweise verschwindet.
zentralplus: Damit nehmen Sie in Kauf, dass Menschen mit tieferen Einkommen aus Emmen verdrängt werden?
Gut-Rogger: Die Gemeinde Emmen ist nicht alleine dafür verantwortlich, dass alle Menschen ein Zuhause finden. Das ist eine kantonale oder gar nationale Aufgabe. Man kann nicht alle Lasten auf unsere Gemeinde abschieben und das Gefühl haben, dass es uns finanziell trotzdem gut geht. Wenn jeweils der kantonale Finanzausgleich kommuniziert wird, sollen wir dem Kanton danken. Doch uns dankt niemand dafür, dass wir bei der Bevölkerungsstruktur oder auch beim Verkehr die Lasten vieler anderer Gemeinden tragen. Für solche Fragen müssen wir gemeindeübergreifend handeln. Dazu braucht es Dialog.
zentralplus: Sie haben den Verkehr angesprochen – in Emmen ist das ein riesiges Thema. Zuletzt haben Gemeinde und Kanton aufgezeigt, wie die chronisch überlastete Seetalstrasse aufgewertet werden soll. Der Entwurf kommt visionär daher. Soll es beim Verkehr künftig in diese Richtung gehen?
Gut-Rogger: Unser Ziel ist, dass unsere Strassen auch in 20 Jahren noch funktionieren – für alle Verkehrsteilnehmenden. Wenn wir so weitermachen wie bisher und die Gemeinde wächst, stehen wir bald nur noch im Stau. Dazu müssen wir auch unser Mobilitätsverhalten umstellen. Bei der Seetalstrasse sehen wir schon jetzt, dass es Gegenstimmen zur geplanten Entwicklung gibt (zentralplus berichtete). Darum suchen wir Lösungen, die möglichst viele Bedürfnisse abdecken. Wir haben nicht vor, langjährige Unternehmen aus Emmen zu verdrängen. Es ist darum nicht unser Ziel, dass es in Emmen nur noch grüne Wiesen, Bäume und Velowege gibt.
zentralplus: Eine abschliessende Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Emmen?
Gut-Rogger: Ich wünsche mir, dass in Emmen viele weitere Lieblingsorte entstehen und dass diese auch belebt werden. Das haben wir bei der Viscosistadt gemerkt. Das Areal ist seit längerer Zeit öffentlich zugänglich – doch das haben viele noch nicht verinnerlicht. Pärke, Plätze und Areale brauchen Leben, damit sie zu einem Lieblingsort werden. Darum wünsche ich mir, dass die Bevölkerung diese Idee mitträgt.
- Persönliches Gespräch mit Ramona Gut-Rogger