Kein Interesse an Gartenarbeit

Die Zuger Gartenstadt verliert ihre Gärten

Früher hatte es üppige Gärten in diesem Teil der Zuger Gartenstadt. Die sind heute verschwunden. (Bild: Gestaltungshandbuch Stadt Zug)

Die Gartenstadt in Zug gilt als schützenswertes Ortsbild. Wichtiges Element davon sind die Schrebergärten im Quartier. Denen geht es jetzt aber an den Kragen.

Im Fall der Zuger Gartenstadt ist der Name Programm: Das gesamte Quartier ist von zahlreichen Gärten und viel Grünraum geprägt. Weil die Wohnhäuser innerhalb dieser Gebäude aber in die Jahre gekommen sind, droht 13 Häusern im Quartier der Abbruch. Die Neubaupläne für die Gartenstadt haben zu einem jahrelangen Streit zwischen Anwohnern, Eigentümerinnen und der Stadt Zug geführt (zentralplus berichtete).

Im südlichen Teil der Gartenstadt kam es im vergangenen Jahr bereits zur Renovation zweier Wohnhäuser. Die Stiftung Heimstätte AG hat die Mehrfamilienhäuser an der Hertistrasse 6 und 8 sowie der Aabacherstrasse 15 und 17 renovieren lassen. Und jetzt, wo die Bauarbeiten fertig sind, zeigt sich: Die Schrebergärten zwischen den beiden Häusern sind verschwunden. Stattdessen befindet sich nun im Zwischenraum ein kleiner Kinderspielplatz.

(Schiebe den Regler nach links oder rechts, um zu sehen, wie sich die Fläche zwischen den Häusern verändert hat.)

Gärten belebten die Nachbarschaft in der Gartenstadt

Astrid Estermann bedauert den Verlust der Gartenplätze schwer. Sie ist die Präsidentin des Vereins Pro Gartenstadt, der sich für den Erhalt «der einzigartigen Substanz» des Quartiers einsetzt. Selbst hat sie viele Jahre in einem der renovierten Gebäude an der Hertistrasse gewohnt.

«Ich hatte einen eigenen Schrebergarten und habe das immer sehr geschätzt», sagt Estermann. «Darum finde ich es schade, dass die Gärten jetzt keinen Platz mehr haben.» Mit dieser Meinung steht Estermann nicht alleine da. Entsprechend hatte sich ihr Verein gegen die Baupläne an den beiden Mehrfamilienhäusern gewehrt und Einsprache erhoben.

«Durch die Gärten hatten wir als Nachbarschaft einen guten Kontakt. Wir haben uns viel geholfen und uns ausgetauscht. Für mich hat das unglaublich viel bedeutet.»

Astrid Estermann, Präsidentin Verein Pro Gartenstadt

In der Einsprache hiess es: «Insgesamt würde das Bauvorhaben den ursprünglichen Charakter einer Gartenstadt zerstören. Mit der Aufhebung der Selbstversorgergärten wird ein Kernelement einer Gartenstadt eliminiert.» Die Stadt Zug wies die Einsprache 2019 jedoch ab und erteilte die Baubewilligung. Diese wollte der Verein dann nicht anfechten.

Für Astrid Estermann ist der Entscheid auch aus nachbarschaftlicher Perspektive ein Verlust: «Durch die Gärten hatten wir als Nachbarschaft einen guten Kontakt. Wir haben uns viel geholfen und uns ausgetauscht. Für mich hat das unglaublich viel bedeutet.»

Gärten haben heute einen anderen Stellenwert

Während die Arbeit im Garten für Estermann und ihre Nachbarinnen ein Hobby war, hatten die Gärten bei der Entstehung der Gartenstadt noch eine andere Funktion. Einerseits boten sie Grünraum für die Arbeiter, die tagsüber in der nahe gelegenen Fabrik von Landis & Gyr arbeiteten. Zweitens pflanzten die Bewohnerinnen in den Schrebergärten ihr eigenes Essen an. Heinz Horat, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Zug, erklärt: «Zu den Häusern gehörten Pflanzplätze, damit sich die Arbeiterfamilien als teilweise Selbstversorger ihre ohnehin knappen Budgets aufbessern konnten.»

«Wir spürten, dass das Interesse an den Gärten heute nicht mehr so gross ist.»

Brigitte Aschwanden, Vize-Präsidentin des Stiftungsrats

Er ergänzt aber: «Diese Lebensweise ist heute weitgehend verschwunden.» Womit wir beim Kern des Streits um die Gärten der Gartenstadt angelangt sind: Welcher Stellenwert hat ein eigener Schrebergarten vor der Haustüre?

Einige der Gärten befinden sich in einem relativ verwilderten Zustand. (Bild: ewi)

Für Astrid Estermann zweifellos einen hohen. Für die Eigentümerin, die Heimstätte AG, überwogen jedoch andere Kriterien bei der Renovation der beiden Häuser. «Es war eine Interessensabwägung», begründet Brigitte Aschwanden, Verwaltungsratspräsidentin der Heimstätte AG den Entscheid. «Letztlich entschieden wir uns dafür, auf die Gärten zu verzichten und dafür mehr Spielflächen für Kinder und Freiraum für die Bewohner zu schaffen.» Zudem sei der Umbau der Häuser in engem Kontakt mit der Denkmalpflege realisiert worden.

Wenig Interesse an Gartenarbeit

Für den Entscheid gegen die Gärten seien Gespräche mit den Mietern ausschlaggebend gewesen, fährt Aschwanden fort: «Wir spürten, dass das Interesse an den Gärten heute nicht mehr so gross ist.» Nur drei Mieterinnen hatten auch nach dem Umbau Interesse an einem Garten bekundet. «Diesen konnten wir an der Weststrasse je einen Schrebergarten zur Verfügung stellen.»

Rund die Hälfte der jetzigen Mieter hatten bereits vor dem Umbau in den Mehrfamilienhäusern gewohnt, die andere Hälfte ist neu in die Gartenstadt gezogen. «Die Mieter sind sehr glücklich mit den neuen Wohnungen und wir konnten unserem Leitbild von sozial verträglichen Mieten treu bleiben», betont Brigitte Aschwanden.

Die Neubauprojekte in der Gartenstadt sehen weniger Flächen für Pflanzgärten vor, als es heute hat. (Bild: ewi)

Die Gartenstadt steht vor Veränderungen

Und was bedeutet der Verlust der Gärten im südlichen Teil der Gartenstadt für die Abbruchpläne dreizehn weiterer Häuser im Quartier? Gemäss Astrid Estermann werden die noch bestehenden Gartenflächen wegen der Neubauprojekte deutlich verkleinert. Die Stadt Zug wiederum will zu den Bauplänen keine Auskunft geben, weil die Einsprachen gegen die Baubewilligung noch hängig sind.

Und Denkmalpfleger Heinz Horat sagt: «An der Gartenstadtstrasse, dem Nelken- und Fliederweg, aber auch an der Hertistrasse sind viele kleine Doppel- und Reihenhäuser mit ihren Pflanzgärten noch erhalten und sollten so bewahrt werden.» Er räumt aber auch ein, dass der denkmalpflegerische Umgang mit dem Quartier anspruchsvoll sei. «Die dreigeschossigen Wohnblöcke der Vierziger- bis Sechzigerjahre sind schwierig zu erhalten. In dieser Umgebung sind Pflanzplätze kaum mehr möglich, da sind mittlerweile Kinderspielplätze wichtiger.»

Sieht so aus, als würde die Gartenstadt – trotz ihres Namens – ihre Gärten langfristig verlieren.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Urs Reutimann
    Urs Reutimann, 27.06.2022, 22:22 Uhr

    Das ginge ja noch: Ein echter, guter Kinderspielplatz.
    Aber wie die Foto verrät: Was kommt, ist übelste heutige Architekten- bzw. Bauherren-Ödnis!

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