Von der Schmitte zu Lu Two

Die 16-jährige Leidensgeschichte der Pilatusplatz-Brache

Die Schmitte am Pilatusplatz hat in der Luzerner Beizenszene Kultstatus. Daran konnte auch ihr Abriss nichts ändern. (Bild: zvg/Zunft zur Schmiede)

Mit dem geplanten Hochhaus am Pilatusplatz geht es vorwärts – aber langsamer als gedacht. Die Verzögerungen passen zur langen Leidensgeschichte des Areals.

2027 soll es endlich bezugsbereit sein, das Hochhaus am Pilatusplatz. Die Bauherrschaft Senda Immobilien AG hat diesen Zeitplan vergangene Woche angekündigt. Das ist zwei Jahre später als bislang angenommen (zentralplus berichtete). Bis die Bagger am Pilatusplatz auffahren, wird es voraussichtlich Frühling 2024.

Wir blicken zurück ins Jahr 2011. Damals fuhren Bagger das letzte Mal auf dem Pilatusplatz auf. Nicht zum Bauen, sondern zum Abreissen. Dem legendären Wirtshaus zur Schmiede – besser bekannt als «Schmitte» – ging es an den Kragen. Aus statischen Gründen musste das Gebäude damals abgerissen werden. Eine Sanierung wäre mit geschätzt über drei Millionen Franken Kosten unverhältnismässig teuer gewesen. Die Fanszene der Schmitte trauerte.

Pilatusplatz-Brache ist eine Leidensgeschichte

Bis heute: «Wir trauern der Schmitte immer noch nach», sagt Marco Wicki, Präsident der Schmiede-Zunft Luzern. Die Zunft wurde mit dem Abriss der Schmitte gegründet und hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Andenken der Schmitte zu bewahren. Deshalb legt sie jährlich am 26. März, dem Abrisstag der Schmitte, auf der Brache einen Kranz nieder (zentralplus berichtete). «Viele Luzerner und Luzernerinnen wünschen sich noch heute, dass es die Schmitte noch gäbe», sagt Wicki – im Namen des Zunftrats, wie er betont.

Jährlich legt die Schmiede-Zunft am Abriss-Tag der Schmitte einen Kranz auf der Brache nieder (zvg).

Das Jammern hilft nichts, denn die Schmitte ist seit elf Jahren Geschichte. Und weitere fünf Jahre wird es mindestens noch dauern, bis das Nachfolgeprojekt der Schmitte fertig ist. 16 Jahre werden dann seit dem Abriss des Wirtshauses vergangen sein. 16 Jahre, in denen eines der zentralsten Areale der Stadt Luzern brach lag.

Wie konnte es so weit kommen? Die Geschichte der Pilatusplatz-Brache ist eine Geschichte von den langsam mahlenden Mühlen in der Politik, von Streitereien über das künftige Stadtbild Luzerns und langwieriger Prozesse im Städtebau. Es ist vor allem aber eins: eine Leidensgeschichte.

Stadtbild-Initiative verzögert das Projekt

Dabei fing die Post-Schmitte-Ära vielversprechend an. 2013 stimmte die Stadtbevölkerung einer Zonenrevision zu, die das Areal am Pilatusplatz als künftigen Hochhaus-Standort definierte. Auf Basis dieser Einzonung verfasste der Luzerner Stadtrat einen Bericht und Antrag zur Arealentwicklung am Pilatusplatz. Der darin enthaltene Zeitplan war straff: 2015 sollte ein Projektwettbewerb durchgeführt werden. Ein Baugesuch des Siegerprojekts hätte 2017 vorliegen, das neue Hochhaus 2021 fertiggestellt werden sollen.

Das Hochhaus am Pilatusplatz wird rund 35 Meter hoch. (Bild: zvg)

Doch es kam anders. FDP-Grossstadtrat Rieska Dommann erinnert sich. Er hatte schon 2013 in einem Vorstoss gefordert, dass es auf dem «Schlüsselareal» Pilatusplatz endlich vorwärtsgeht. Daraus wurde nichts: «Es gab noch diese leidige Initiative gegen das Hochhaus-Konzept, welche schlussendlich von den Gerichten für ungültig erklärt wurde, die massive Verzögerungen verursacht hat.»

«Es ist insgesamt eine sehr leidvolle Geschichte.»

Rieska Dommann, Grossstadtrat FDP

Tatsächlich forderte die Stadtbild-Initiative nämlich eine erneute Anpassung der Zonenordnung. Hochhäuser sollten nur an den Rändern Luzerns, nicht aber im Stadtbild gebaut werden. Der Grosse Stadtrat beschloss daraufhin einstimmig, die Beratung des erwähnten Berichts und Antrags zur Arealentwicklung am Pilatusplatz zu sistieren. Zuerst sollte Klarheit zu den Rahmenbedingungen geschaffen werden.

2015 erklärte ein Gutachten der Universität Bern die Initiative jedoch für ungültig, weil sie der gesetzlich vorgeschriebenen Planbeständigkeit der Zonenordnung widerspreche (zentralplus berichtete). Erst 2017 verabschiedete das Parlament den Bericht und Antrag aus dem Jahr 2014 und lancierte damit den Projektwettbewerb. Bis dessen Gewinner bekannt waren, dauerte es weitere drei Jahre (zentralplus berichtete). Rieska Dommann fasst zusammen: «Es ist definitiv nicht normal, dass es für die Bebauung eines Areals so viel Zeit braucht. Es ist insgesamt eine sehr leidvolle Geschichte.»

Hochhaus steht vor ungewisser Zukunft

Eine Geschichte, die noch lange nicht vorbei ist. Dommann findet es «bedauerlich», dass es beim Hochhaus-Projekt erneut zu Verzögerungen gekommen ist. Zumal die wirklich heisse Phase erst noch komme: «Die grosse Unsicherheit im Zeitplan steht mit dem Bewilligungsprozess und möglichen Einsprachen erst noch bevor.»

«Bis zur Fertigstellung des Hochhauses wären die Kosten für die Sanierung der Schmitte längst gedeckt.»

Marco Wicki, Präsident Schmiede-Zunft

Auch der Schmiede-Zunftrat glaubt noch nicht so wirklich an den neuen Zeitplan des Bauprojekts. Fast schon zynisch sagt Marco Wicki: «Wir glauben, die Chance ist grösser, dass wir eher unser 20-jähriges Jubiläum erleben, als dass das Hochhaus fertig wird.» Und er wird im Anschluss kritisch: «Bis dann wären die Kosten für die Sanierung der Schmitte, inklusive des alten Wandbilds und der beiden angrenzenden Häuser, längst gedeckt.» Die Schmitte hätte so langfristig erhalten bleiben können – «und mit ihr ein wichtiges Stück der traditionellen Luzerner Beizenkultur», sagt Wicki.

Der Schmiede-Zunft geht es nämlich nicht nur um die Schmitte an sich. Sondern darum, was die Beiz verkörperte: «Die Schmitte war eine der letzten urchigen Beizen Luzerns. Heute gibt es nur noch einige wenige davon. Sie sterben aus und werden durch neumodische Beizen mit Sterneköchen und 'Schickimicki–Küche' ersetzt.» Daran werde auch die Tatsache nichts ändern, dass das neue Hochhaus am Pilatusplatz mit einem Café im Innenhof und einer Rooftop-Bar neue gastronomische Angebote schafft.

Pilatusplatz: eine lieblose Brache

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Währenddessen bleibt das Areal am Pilatusplatz brach – und ziemlich schmucklos. Obwohl der Platz seit elf Jahren leer steht, sieht er auch heute so aus, als würde er bloss für eine kurze Zeit zwischengenutzt. Ein paar aus Schaltafeln gezimmerte Bänke, ein paar Bäume in Pflanzkübeln. Ab und zu standen auf dem Platz temporäre Kunstinstallationen. Alles in allem ein lieblos gestalteter Platz. Als ob die Stadt Luzern der Bevölkerung damit signalisieren will, dass sie sich gar nicht zu sehr an den Freiraum gewöhnen soll, da er ja sowieso bald überbaut wird.

«Der Stadtrat war der Ansicht, dass damit eine angemessene, preiswerte Zwischennutzung für die Übergangszeit bis zur Arealentwicklung realisiert wurde.»

Dominic Church, Abteilung Immobilien Stadt Luzern

Dabei hat die Stadt in den letzten Jahren das grosse Potenzial von Zwischennutzungen aufgezeigt. In der Waldstätterstrasse ist ein provisorischer Pop-up-Park entstanden, bis diese voraussichtlich 2024 definitiv umgestaltet wird (zentralplus berichtete). Ein weiterer Park ist bei der Werft geplant. Auf zahlreichen Parkplätzen in der Stadt sind mit bescheidenen Mitteln weitere, zum Teil ansprechende Pop-up-Pärke entstanden – wenn auch deren Nutzen fraglich ist (zentralplus berichtete). Warum also nicht auf dem Pilatusplatz?

Einladend ist anders. Die Schmitte-Brache am Pilatusplatz. (Bild: Emanuell Ammon)

Dominic Church von der Immobilien-Abteilung der Stadt Luzern entgegnet, dass die Stadt mit den Bänken und den Bäumen durchaus einen «kleinen Ort des Zwischenhalts und der Begegnung» geschaffen hat: «Der Stadtrat war der Ansicht, dass mit Konzeption und Umsetzung dieses Vorhabens eine angemessene, preiswerte Zwischennutzung für die Übergangszeit bis zur Arealentwicklung realisiert wurde.» Eine Ausschreibung zur Findung und Evaluierung von zusätzlichen Nutzungen habe der Stadtrat jedoch nicht vorgesehen «Dies nicht zuletzt wegen der stark eingeschränkten personellen und finanziellen Ressourcen.»

Zunft hätte eine Pop-up-Bar begrüsst

Die Schmiede-Zunft bedauert indes, dass die Stadt das Potenzial dieses Platzes in den vergangenen Jahren nicht ausgeschöpft hat. «Mit einer Pop-up-Bar hätte man hier einen schönen Treffpunkt für die breite Luzerner Bevölkerung schaffen können. Etwas, das die alte Beizenkultur der Schmitte wiedergegeben hätte», sagt Wicki. «Das wäre viel attraktiver anstatt die wenigen Bäume und Bänke.»

Er und seine Zunft werden dieser Beizenkultur im kommenden März am Pilatusplatz zum zwölften Mal gedenken. Und viele weitere Zeremonien werden wohl noch folgen.

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6 Kommentare
  • Profilfoto von tonino wir sind cool.org
    tonino wir sind cool.org, 07.09.2022, 12:22 Uhr

    Visionen nach dem Abriss des Wirtshauses Schmitte gab es schon beispielsweise «Auf zur Urhütte 2013 am Pilatusplatz» https://flic.kr/p/fEsXmh.
    Als Trostpfästerli wurden wir Stadtluzerner ab 2011 zum Glück nicht mit Autoparkplätzen, sondern mit der «Begegnungszone Pilatusplatz Luzern nach dem Abriss des Restaurants Schmiede» – die sog. Kurt Bieder (Erholungs-) Brache bis heute – beglückt.

    Hier meine Abschiedsgrüsse vom Grüsse vom PilatusPlatz in Luzern :-))
    https://flic.kr/s/aHsjHQocyJ

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  • Profilfoto von Achermann
    Achermann, 01.09.2022, 08:09 Uhr

    Ein Hoch auf das teuerste Hundeklo der Welt. Oder sind die Säcke mit Gestrüpp für etwas anderes gedacht? Mein Hund fühlt sich sehr Privilegiert seit 16 Jahren an bester lage zu Markieren! Ironie off

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  • Profilfoto von Luzerner77
    Luzerner77, 31.08.2022, 10:05 Uhr

    ich trauere der schmitte nicht wirklich nach. es gab und gibt definitiv bessere beizen in luzern und finde schön, wenn es noch 2,3 urchige lokale gibt.

    die von der stadt organisierten zwischennutzungen sehen leider alle sehr einfalls los aus. paar pflanzentröge mit gestrüpp und einige schäbige holzbänkli. allenfalls haben private etwas mehr kreativität als die stadtplaner im stadthaus? 😉

    ich befürchte, dass uns die brache wegen stadtbild & anderen nörglern noch länger erhalten bleibt. lego bekommt wohl recht….

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  • Profilfoto von Poulet-Zunft Meischter
    Poulet-Zunft Meischter, 31.08.2022, 09:08 Uhr

    Da kriechen sie wieder aus dem Loch, die Ewiggestrigen…… Verschliessen sich dem Neuen, fordern Tradition blenden dabei aber aus, dass diese Beiz heute kaum wirtschaftlich geführt werden könnte. Luzern soll sich vorwärts entwickeln. Mein Tipp: Hülse und Cervelat in den Rucksack und ab auf den Ballenberg. Dort könnt ihr das letzte Jahrhundert feiern und der Vergangenheit nachtrauern.

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  • Profilfoto von Ivo Kaelin
    Ivo Kaelin, 31.08.2022, 08:33 Uhr

    Ich kann mich noch gut an den Abriss erinnern, bei dem mir ein Herr der Stadtverwaltung gesagt hat: » Wissen Sie, dies wird ein wunderschönes Fleckchen Erde».
    Naja, wie es seit Jahren aussieht ist bekannt. Wir hätten damals unsere Initiative gegen den Abriss sogar zurückgezogen, zugunsten eines kleinen Parks. Für den Stadtrat war aber bereits klar, abreissen und ein Hochhaus, damit die internationalen Multikonzerne ihre Büros beziehen können. Dass die Mitarbeiter und Kunden dieser aber keine Parkplätze erhalten, war dem Stadtrat bewusst und er war überzeugt, dass diese alle den ÖV benutzen. Man darf gespannt sein 🙂

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  • Profilfoto von Jörg
    Jörg, 31.08.2022, 08:32 Uhr

    Als ich ein kleiner Junge war vor bald über 40 Jahren stand ,da ein Polizist der den Verkehr regelte, dann kamen die Ampel. Und da war noch das Restaurant Pilatus, und die Schmedi,
    ,ja es gab noch das Tee Room Rex, jedenfalls hiess da schon es gäbe ein Kreisel ,doch nichts kam der Platz wurde Verschandelt mit dem Hässlichen Querbaken und die Resaurants dem Erdboden gleich Gemacht ,das Resultat sieht man gut, ich will damit nur Sagen die Verschandlung Luzern begann schon in den 70jgern leider…

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