Deshalb lieben alle Politiker das 80-Meter-Hochhaus Pi
Die Stadt Zug will an der Baarerstrasse das neue Hochhaus Pi bauen. Das Stadtparlament hat sich ohne Gegenstimme dahintergestellt. Warum, verrät Gemeinderat und Ingenieur David Meyer (GLP) im Interview.
Am 9. Februar entscheidet sich das Schicksal des geplanten Hochhauses Pi an der Ecke Baarerstrasse/Göblistrasse in Zug. Der Grosse Gemeinderat hat den entsprechenden Bebauungsplan GIBZ bereits einstimmig angenommen. Die Bewohner des heutigen Wohnblocks – der vor dem Abriss steht – haben jedoch das Referendum ergriffen. Nun entscheidet die Stadtbevölkerung.
Das Komitee «Ja zu Wohnraum für Zug» mit rund 100 Mitgliedern weibelt für das Projekt. Trotz Abriss sei der Bau sehr nachhaltig – und das in quasi jeder Hinsicht. Was das genau heisst, fragt zentralplus Gemeinderat David Meyer (GLP) im Interview. Der ausgebildete ETH-Ingenieur sitzt nicht nur im Komitee, sondern auch in der städtischen Bau- und Planungskommission. Er weiss, warum das Projekt der Tech Cluster AG so viele Befürworter hat.
zentralplus: David Meyer, in einem Satz: Warum finden Sie, dass die Stadt Zug dieses Hochhaus braucht?
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wieso für dieses Gebäude Politiker von links bis rechts ihre Stimme gegeben haben
warum Hochhaus Pi tatsächlich so einmalig in der Schweiz sein soll, wie viele meinen
weshalb der Abriss des bestehenden Wohngebäudes nachhaltig sein soll
David Meyer: Das Wohnhochhaus Pi leistet mit über 180 Wohnungen – 70 Prozent preisgünstig nach kantonalem Wohnbaugesetz – einen dringend benötigten Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot in der Stadt Zug.
zentralplus: Das Hochhaus Pi wäre mit 80 Metern das zweithöchste Gebäude der Stadt. Nur der Parktower an der Gubelstrasse ist einen Meter höher. Ist das nicht überdimensioniert?
Meyer: Nein. Die Dimensionen des Wohnhochhauses Pi machen sozial, ökonomisch, ökologisch und städtebaulich Sinn. An einem geeigneten Ort entsteht mit einem minimalen Fussabdruck und ohne Grünfläche zu opfern sehr viel preisgünstiger Wohnraum. Eine Reduktion des Gebäudevolumens ginge zwangsläufig zulasten des preisgünstigen Wohnanteils.
zentralplus: 1300 bis 1600 Franken für 2,5 Zimmer und 2200 bis 2500 Franken für 4,5 Zimmer. Ist das Ihrer Meinung nach der Hauptgrund, warum das Stadtparlament das Projekt ohne Gegenstimme durchgewunken hat?
Meyer: Als Mitglied der Bau- und Planungskommission kann ich bestätigen, dass der preisgünstige Wohnraum – zumal privat, nicht mit Steuergeldern finanziert – ein gewichtiges Argument war. Aber auch die ökologische Nachhaltigkeit des Konzepts sowie der soziale Nutzen fürs Quartier haben im Grossen Gemeinderat über alle Parteien und Gesichtspunkte hinweg überzeugt.
zentralplus: Als Holzhochhaus wird der Turm als wegweisend in der Architektur angepriesen. Warum?
Meyer: Das Wohnhochhaus Pi ist ein Pionierbau: Seine Konstruktion ist erstmalig für die Schweiz, und sein Konzept der vertikalen Nachbarschaften eröffnet neue Formen des Zusammenlebens. Bereits heute findet es in der Diskussion um Hochbauten, preisgünstiges Wohnen und nachhaltige Bauweise schweizweit Beachtung.
zentralplus: Gemäss Hochhausreglement der Stadt Zug darf eigentlich nur 60 Meter hoch gebaut werden. Die 80 Meter des Pi sind möglich, weil es sich um eine besonders «gute städtebauliche Lösung» handeln soll – das Label hat das Projekt von einer Jury erhalten. Warum hat das Gebäude diesen Stempel verdient?
Meyer: Das Hochhaus Pi verdient diese Auszeichnung wegen seiner stimmigen Gesamtkonzeption, seiner nachhaltigen und ästhetischen Qualitäten und einer Reihe von Innovationen – vor allem aber, weil es städtebaulich am richtigen Ort steht. Der Entwurf ging aus einem Studienwettbewerb mit sechs namhaften Architektenteams und einer hochkarätig besetzten Expertenjury hervor.
zentralplus: Pi soll nachhaltig sein – auch wegen der Holzbauweise. Für dieses Projekt muss aber ein bestehender Wohnblock abgerissen werden. Das kostet enorm viel Energie. Das ist doch nicht nachhaltig.
Meyer: Doch, das Wohnhochhaus Pi bringt auch bezüglich grauer Energie ganz entscheidende Vorteile:
Erstens werden 48 Wohnungen durch über 180 ersetzt. Diesen dringend benötigten Wohnraum müsste man sonst woanders schaffen, was entsprechend dort graue Energie und Landfläche beanspruchen würde.
Zweitens wäre auch die bald fällige Sanierung des bestehen Gebäudes mit erheblichem Energieaufwand verbunden.
Drittens fällt der Betrieb ins Gewicht: Das neue Gebäude ist optimal gedämmt und mit Fernwärme aus See- und Grundwasser geheizt, und das Konzept des autoarmen Wohnens und die zentrale Lage reduzieren den Autoverkehr und die damit verbunden Emissionen.
Viertens erfolgen sowohl der Rückbau des alten Gebäudes als auch die Neukonstruktion nach dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft, bei dem gebrauchtes Material konsequent wiederverwendet werden soll.
zentralplus: Und was passiert mit den Mieterinnen und Mietern im heutigen Gebäude?
Meyer: Alle Mieterinnen und Mieter der Bestandsliegenschaft haben auf Wunsch Vorrang bei der Vergabe der neuen Wohnungen und werden bei der Suche nach einer Ersatz- oder Übergangswohnung unterstützt. Eine Informationsveranstaltung fand statt und direkte Gespräche mit den Bewohnern. Die Bauherrschaft tut ihr Möglichstes, ihnen die Situation zu erleichtern.
zentralplus: Zu einem Hochhaus muss auch Aussenraum geplant werden. Im Bebauungsplan des Gevierts GIBZ sind Aussenräume gekennzeichnet. Doch wie qualitativ ist ein Quartierplatz hinter einem 80 Meter hohen Gebäude?
Meyer: Dank der vergleichsweise geringen Grundfläche des Hochhauses und der Verlegung der heutigen Parkplätze in eine Tiefgarage entsteht zwischen den Häusern viel Aussenraum. Den kann man intensiv begrünen und mit einem schönen Spielplatz, Sitzgelegenheiten und Nutzungen wie ein Café, ein Bistro oder eine Kita zum Quartiertreffpunkt aufwerten. Ausserdem wird das Areal für den Fuss- und Veloverkehr besser erschlossen.
zentralplus: Die obersten Geschosse mit Weitblick sollen nach Marktpreisen verkauft und vermietet werden – zur teilweisen Finanzierung des Projekts. Wird hier ein Luxusprojekt als preisgünstiger Wohnungsbau getarnt?
Meyer: Nein, die gesamte Konzeption des Hauses ist von Beginn weg auf preisgünstigen Wohnraum und sozialen Nutzen ausgerichtet. Ein Luxusprojekt steht für die Pensionskasse der V-Zug und die Zuger Wohnbaugenossenschaft Gewoba klar nicht im Fokus.
zentralplus: Was passiert, wenn die Abstimmung im Februar scheitert?
Meyer: Die Entscheidung steht den Stimmberechtigten zu, und wir sind sehr zuversichtlich, dass sie diese Chance für die nachhaltige Entwicklung der Stadt und eine Entlastung der angespannten Wohnsituation wahrnehmen werden. Andernfalls müsste geprüft werden, ob im Geviert GIBZ ein neues Verdichtungsprojekt folgt. Die Bestandsliegenschaften müssten so oder so umfassend saniert oder durch Neubauten ersetzt werden.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.
Sich für das Hochhaus Pi einzusetzen, geht i.O. Aber den 771 Referendums-Unterzeinenden (Alles Nicht-Politiker:innen"?) jetzt, kurz vor der Abstimmung, keine (eigene) Stimme zu gewähren, ist fragwürdige Parteinahme zugunsten "aller Politiker".
Zumal es im Artikel keinen Hinweis gibt, dass das Referendumskomitee die gleiche Tribüne erhält, eine Stellungnahme abgelehnt hat oder – dass die Sicht des Komitees im O-Ton statt nur als Frage/einleitende Behauptung = den "kritischen Fragen" des Journalisten und/oder früherer Berichterstattung als unnötig angesehen werde.
Christian Hug, 06.01.2025, 15:46 Uhr
zentralplus publizierte verschiedene Artikel zum Hochhaus Pi, auch kritische. Tags darauf etwa ein Porträt des Referendumskomitees oder zuvor ein Meinungsbeitrag:
https://www.zentralplus.ch/wohnen-bauen/diese-truppe-leistet-widerstand-gegen-das-geplante-hochhaus-2725347
https://www.zentralplus.ch/kolumne/zug-wach-auf-sonst-frisst-dich-das-verdichtungsmonster-2720169