Deponie Tännlimoos: Ökologie statt Asbest

Tiere entdecken den «Friedhof für Baustoffe» in Sihlbrugg

Mario Engi von der Risi AG vor der Deponie, die aktuell in Sihlbrugg in Betrieb ist. (Bild: wia)

Längst nicht alle alten Baustoffe können wiederverwertet werden. Ein Teil davon landet in der Deponie Sihlbrugg, und wird dort kontrolliert «zu Grabe getragen». Doch nicht nur das: Wo früher Asbest aus Italien landete, sollen auch Tiere ein neues Habitat finden. Mindestens ein Wiesel wohnt jedenfalls schon hier am Rande des Kantons Zug.

Der Erdberg, der sich in Sihlbrugg seit einigen Jahren erhebt, fällt Autofahrern kaum auf. Selbst viele Zuger sind sich nicht bewusst, dass sich beim Tännlimoos eine Abfalldeponie befindet, in der jährlich 50'000 bis 100'000 Tonnen Abfall abgelagert wird.

Weil sich hier aktuell einiges tut und sowohl die Betreiber als auch der Kanton Zug darauf erpicht ist, die Deponie ökologisch aufzuwerten, lud die Baudirektion Medienschaffende diesen Mittwoch zum Augenschein ein. Auch Regierungsrat Florian Weber ist – Anzug und Stahlkappenstiefeln tragend – vor Ort: «Deponien sind ein schwieriges Thema. Jeder ist sich bewusst, dass es sie braucht, niemand will sie jedoch im eigenen Garten.»

Martina Brennecke und Regierungsrat Florian Weber vor einem überwachsenen Deponie-Hang. (Bild: wia)

Letzte Destination für Baustoffe

Weber steht vor einem grossen Erdhügel, der teilweise überwachsen, teilweise noch ziemlich karg ist. Von Abfall keine Spur. Auch Geruchsemissionen gibt es keine. Selbst in unmittelbarer Nähe nicht. Das ist mitunter der Art des Abfalls geschuldet. Denn in die von der Gebr. Risi AG betriebenen Deponie kommt ausschliesslich Aushubmaterial, welches nicht zum Recyceln oder zur Energieerzeugung geeignet sind. Darunter befindet sich nicht nur harmloses Material. So ist im Tännlimoos auch das Entsorgen von Asbest möglich.

2006 sorgte gar der Umstand für Diskussionen, dass Asbest aus Italien nach Baar zur Entsorgung gebracht wurde. Der ehemalige Zuger SP-Kantonsrat Eusebius Spescha sprach von einem «Abfalltourismus» und kritisierte die Behörden für deren «lockere Wahrnehmung». Doch zurück in die Gegenwart und mitten aufs Deponiegelände.

«Wir müssen die Verantwortung übernehmen, dass wir die Abbaustelle am Ende des Betriebs in gutem Zustand abgeben.»

Rainer Saxer, Jura Materials

«Es handelt sich gewissermassen um einen Friedhof für Baustoffe», formuliert es Rainer Saxer, Rechtsverantwortlicher von Jura Materials. Die Firma hat sich unter anderem auf die sachgerechte Deponierung von belastetem Material spezialisiert. «Die Deponie kommt also erst zum Zug, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt. Entsprechend müssen wir auch die Verantwortung übernehmen, dass wir die Abbaustelle am Ende des Betriebs in gutem Zustand abgeben.»

Nicht immer war das ein Thema. Besagte Deponie besteht seit 1959, damals nahm man es grundsätzlich nicht so genau mit dem nachhaltigen Entsorgen (zentralplus berichtete).

Der Molassefels macht einen grossartigen Job

Heute gelten in der Schweiz sehr strenge Regeln für Deponien, insbesondere, was die Sicherheit anbelangt. Würde Material ohne besondere Vorkehrungen gelagert, könnten Schadstoffe in den Boden, respektive in die Gewässer gelangen. Ein Vorteil beim Standort Tännlimoos ist daher der natürliche Untergrund. Dieser besteht hier weitgehend aus stabilem Molassefels oder Moränenmaterial und bildet eine natürliche Barriere mit geringer Wasserdurchlässigkeit. Dadurch gibt es in der näheren Umgebung kein nutzbares Grundwasser, das gefährdet werden könne.

Daneben müssen umfangreiche bauliche, betriebliche und organisatorische Sicherheitsmassnahmen umgesetzt werden, damit ein umweltgerechter Deponiebetrieb gewährleistet ist. Bernhard Brunner, zuständiger Projektleiter des Amts für Umwelt in der Baudirektion, illustriert dies an einigen Beispielen.

Sie reichen von baulichen Vorgaben wie Abdichtungen, Schutzschichten und Sickerwasserdrainagen über zahlreiche interne und externe Kontrollsysteme bis zur Überwachung von möglichen Umweltauswirkungen. «All das endet nicht mit dem Ende des Deponiebetriebs, sondern wird über viele Jahre in der sogenannten Nachsorgephase weitergeführt», betont Brunner.

Rohre sorgen dafür, dass sich das Wasser nirgends sammelt

Zur Veranschaulichung betreten wir den imposanten Entwässerungsstollen. Durch diesen mehrere hundert Meter langen Tunnel wird das Wasser, das in die Deponie gelangt, mit Rohren abgeleitet und ausserdem triagiert. Unbedenkliches Meteorwasser gelangt in die Gewässer, verschmutztes Wasser wird gereinigt.

Mario Engi im Entwässerungsstollen. Dieser soll bald um 100 Meter erweitert werden. (Bild: wia)

Über die Einhaltung der strengen Sicherheitsanforderungen in den Zuger Deponien wacht das Amt für Umwelt in der Baudirektion. Ein Langzeit-Unterfangen, denn: Die Deponie Tännlimoos wird voraussichtlich bis im Jahr 2075 genutzt.

Auf der Deponie wächst Gras für Kühe

Umso entscheidender ist gemäss Kanton deshalb die Rekultivierung der nicht mehr genutzten Deponien, welche in Etappen erfolgt. Will heissen: Gefüllte Deponien werden zunächst dicht gemacht. Oben drauf kommt eine meterdicke Erd- und Steinschicht. Diese wird bewusst in unterschiedlichen Verfahren besät und dient später als Nährboden für Magerwiesen.

Martina Brennecke ist beim Kanton für Natur und Landschaft zuständig. «45'000 Quadratmeter Land werden innerhalb von zwei Jahren rekultiviert. Das ist insofern wichtig, da es im Kanton Zug grundsätzlich an Trockenstandorten fehlt», sagt sie.

Der grüne Teil der Deponie wird aktuell rekultiviert. Im rosa Teil wird derzeit Müll deponiert, links, in Blau, sieht man das Reserveland. (Bild: wia)

Dass dieser neu gewonnene Lebensraum Reptilien, Insekten aber auch kleinen Säugetieren dient, sehen wir gleich selbst. Während der Medienkonferenz turnt, wie auf Kommando, ein Wieselchen über die mager bewachsene Hügellandschaft. «Das klingt zwar komisch, aber eine rekultivierte Deponie ist für Tiere ein paradiesischer Ort. Hier werden sie weder von Verkehr noch von Fussgängern gestört», so Brennecke.

Einige der weiter oben liegenden Flächen werden überdies mit saftigeren, intensiveren Wiesen versehen, sodass sie künftig von der Landwirtschaft genutzt werden können. Diese intensiver bewachsenen Flächen dienen ausserdem dazu, dass die Erdhügel bei stärkerem Regen nicht abgetragen werden.

Die aktuelle Grube reicht noch sieben Jahre aus

Last but not least werfen wir von einem erhöhten Standpunkt aus einen Blick in jenen Teil der Deponie, der aktuell «in Betrieb» ist, respektive befüllt wird. Eine riesige Grube klafft vor uns, viele Meter tief. Mario Engi von der Risi AG erklärt: «Bis diese gefüllt wird, dauert es vermutlich sieben bis acht Jahre.» Und dann? Steht weiteres Reserveland zur Verfügung, dass bis dahin ausgebaggert werden kann.

Hier wird aktuell Bauabfall deponiert. (Bild: wia)
Verwendete Quellen
  • Besichtigung Deponie, Gespräche vor Ort
  • Informationen zu den Abfall-Arten
  • Medienmitteilung Baudirektion
  • Artikel «Zuger Zeitung» über Asbest-Importe, 2006
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 05.05.2022, 11:29 Uhr

    «Die Deponie kommt also erst zum Zug, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gibt.» Das lässt sogar die NAGRA aufhorchen!

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