Der ABL steht ein Seilziehen um ihre Zukunft bevor
SP-Politikerinnen wollen die Luzerner ABL fairer und sozialer machen. Der Vorstand warnt, dass sie mit ihren Forderungen das Gegenteil bewirken.
Der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL) steht eine kontroverse Generalversammlung bevor: Am 20. Oktober stimmen die Mitglieder über eine Revision der Statuten ab. Eine Gruppe von SP-Politikern fordert eine Reihe von Änderungen (zentralplus berichtete). Diese aber würden – gemäss Vorstand – die grösste Wohnbaugenossenschaft Luzerns fast lahmlegen.
Konkret stehen rund 30 Anpassungen des Statutenentwurfs zur Diskussion. Ein grosser Teil der Änderungsvorschläge stammt von SP-Politikerinnen. Sie zielen darauf ab, dass ABL-Wohnungen nicht nur genossenschaftlich, sondern auch günstig sind – indem beispielsweise die Steigerung der Verwaltungskosten gestoppt wird. Zu reden geben dürften insbesondere die folgenden Forderungen:
- Lohndeckel: Die Geschäftsführerin soll maximal 180'000 Franken im Jahr verdienen, Pauschalspesen werden abgeschafft. Der Vorstand lehnt dies mit der Begründung ab, die Genossenschaft wolle kompetente Mitarbeiter marktgerecht entlöhnen. «Die Lohnbänder bieten hier die nötige Flexibilität, was mit einer Obergrenze nicht mehr möglich wäre», heisst es seitens der ABL dazu. Die Frage, welche Beträge die Lohnbänder umfassen, beantwortet sie auf Anfrage nicht.
- Personalstopp: Der Personal- und Verwaltungsaufwand wird auf das Niveau von 2021 begrenzt. Der Vorstand wehrt sich dagegen. Er sagt, die Wachstumsstrategie der ABL werde damit ausgebremst. «Die Realisierung neuer Siedlungen auf Schlüsselarealen in Luzern wie etwa Biregg/Kleinmatt oder anderer Projekte wie Sagenmatt auf unserem eigenen Areal wäre gefährdet», schreibt sie auf Anfrage. Auch die Umsetzung der Klimaziele müsste gemäss Vorstand verschoben werden.
- Stopp von «Grosseinkäufen» in die Genossenschaft: Die SP-Politikerinnen wollen, dass einzelne Mitglieder maximal Genossenschaftsanteile im Wert von 25'000 Franken erwerben können. Dies, weil die Verzinsung dieser Gelder sehr teuer sei. Der Vorstand weist darauf hin, dass Eigenkapital eine Voraussetzung für die Beantragung von Bundesgeldern für den gemeinnützigen Wohnungsbau und gute Konditionen bei den Banken sei. Die ABL brauche Geld, um Klimaziele umzusetzen, ohne die Mietzinsen erhöhen zu müssen. Ausserdem könne das Pflichtkapital der Mieter dank den Genossenschaftsanteilen tief gehalten werden – was auch Familien mit kleinem Einkommen den Zugang zu ABL-Wohnungen ermögliche.
«Eine Annahme der Anträge würde eine Einschränkung der demokratischen Rechte unserer Mitglieder bedeuten und das Wachstum beim genossenschaftlichen Wohnungsbau bremsen.»
ABL-Vorstand
- Plafonierung des Erneuerungsfonds: Jährliche Rückstellungen dienen dazu, Häuser zu sanieren, ohne die Mietzinse massiv zu erhöhen. Bei grossen Sanierungen werden dabei Instandsetzungen und Unterhaltsarbeiten kombiniert. SP-Politiker wollen, dass Instandsetzungen künftig ausschliesslich über diesen Fonds finanziert werden und dieser zudem auf 10 Prozent der Anlagekosten plafoniert wird. Sie versprechen sich davon tiefere Mietzinse. Der ABL-Vorstand warnt davor. «Der aktuelle Erneuerungsfonds würde nicht ausreichen, um alle Instandsetzungsarbeiten zu bezahlen. Entweder müssten dann die Sanierungen verschoben werden oder die Mietzinse nach oben angepasst werden», heisst es auf Anfrage. Zudem habe die renommierte Zürcher Beratungsfirma Wüest Partner AG dazu geraten, den Fonds bei 15 Prozent zu plafonieren. Das würden auch grosse Zürcher Wohnbaugenossenschaften so machen.
- Transparenz: Die SP-Politikerinnen verlangen, dass die Entschädigungen der Kommissionen und der Geschäftsleitung in einem separaten Bericht öffentlich gemacht werden. Das sei auch bei börsenkotierten Unternehmen und Non-Profit-Unternehmen üblich. Die ABL lehnt es ab, dies in den Statuten festzuschreiben. «Die Branche der Wohnbaugenossenschaften ist nicht verpflichtet und pflegt die Praxis nicht», heisst es auf Anfrage. Man werde das Thema prüfen und dabei zwischen Transparenz, Geschäftsgeheimnis und Persönlichkeitsschutz abwägen.
- Schriftliche Abstimmungen: Die SP-Politiker wollen keine schriftlichen Abstimmungen durchführen, weil die Mitglieder dann nicht mehr – wie bei einer physischen Generalversammlung – die Pro- und Kontra-Argumente zu hören bekämen. Der Vorstand weist darauf hin, dass vor den schriftlichen Abstimmungen während der Pandemie virtuelle Info-Veranstaltungen stattfanden. Damit habe man gute Erfahrung gemacht. «Die Informationen und Diskussionen von diesen Veranstaltungen, auch die Videoaufzeichnung davon, stellen wir allen Mitgliedern zur Verfügung», schreibt der Vorstand. Bei schriftlichen Abstimmungen sei die Beteiligung deutlich höher, die Entscheide seien also auf einer viel breiteren Basis abgestützt. «Die verschiedenen Abstimmungsoptionen – physisch, schriftlich oder digital – zu nutzen, bedeutet ein Mehr an Demokratie», so der Vorstand.
SP übt Kritik an der ABL: Wie kommt's?
Die ABL ist mit 13’500 Mitgliedern die grösste Wohnbaugenossenschaft in der Stadt Luzern. Sie spielt daher eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der 2012 angenommenen Initiative «Für zahlbaren Wohnraum» (zentralplus berichtete). Diese schreibt vor, dass bis 2037 mindestens 16 Prozent aller Wohnungen auf Stadtgebiet gemeinnützig sind.
Das ist ein Ur-Anliegen sowohl der SP als auch der ABL. Nur bei der Frage, wie sich die Genossenschaft da einbringen soll, gehen die Vorstellungen offensichtlich auseinander. Hinter den Forderungen an die ABL stehen bekannte SP-Vertreterinnen und ABL-Mitglieder wie wie Benji Gross, Yannick Gauch, Lena Hafen, David Roth, Claudio Soldati, Gianluca Pardini, Simon Roth und Melanie Setz.
Die Art, wie sich die Gruppe aus dem SP-Umfeld einbringt, sorgt bei ABL für Irritation. «Sie versucht mit einem Grossteil der Anträge (21 von 31) gezielt Einfluss auf die Führung und operative Geschäftstätigkeit zu nehmen», schreibt der Vorstand auf Anfrage. Die meisten Anträge seien nicht auf Statutenebene, sondern würden in strategische und operative Entscheide eingreifen.
Fehlt der ABL-Führung die «Sensibilität für Kosten»?
«Eine Annahme der Anträge würde eine Einschränkung der demokratischen Rechte unserer Mitglieder bedeuten und das Wachstum beim genossenschaftlichen Wohnungsbau bremsen», so der ABL-Vorstand. Die grösste Wohnbaugenossenschaft würde bei der Umsetzung der städtischen Initiative keine aktive Rolle mehr einnehmen können.
Die SP wiederum will mit ihren Forderungen sicherstellen, dass genossenschaftliche Wohnungen auch wirklich kostengünstig bleiben. Die steigenden Verwaltungs- und Lohnkosten waren bereits an der Generalversammlung 2021 Thema.
SP-Präsident David Roth hatte damals die Kritik geübt, dass die Entschädigungen für ABL-Vorstandsmitglieder, die Löhne der Geschäftsleitung und die Verwaltungsaufwände in den letzten Jahren stark gestiegen seien. Alleine in den vergangenen vier Jahren um rund 20 Prozent.
«Dies, obwohl im gleichen Zeitraum die Zahl der Wohnungen nur gerade um 20 Wohnungen gewachsen ist», schrieb die SP (zentralplus berichtete). Die «Sensibilität für Kosten» scheine der ABL-Führung abhandengekommen zu sein. Demgegenüber hält der Vorstand fest, dass die ABL mit den laufenden Grossprojekten insgesamt rund 500 Wohnungen auf den gemeinnützigen Markt bringe und diese Projekte über Jahre Ressourcen binden würden.
- Einladung zur Generalversammlung der ABL inklusive der Anträge
- Mailaustausch mit ABL-Sprecher Benno Zgraggen
- Zusammenfassung der Generalversammlung 2021 der ABL
- Controllingbericht zur städtischen Wohnraumpolitik 2019