Darum plant Zug Millionen für einen neuen Kantonsratssaal
Der Zuger Kantonsratssaal im Regierungsgebäude, wie er vor 1938 ausgesehen hat. Dieser hat wohl bald ausgedient. (Bild: Staatsarchiv Zug)
Seit über 150 Jahren tagt der Zuger Kantonsrat im Saal im Regierungsgebäude. Nun soll das Parlament in ein eigenes Gebäude zügeln. Das lässt sich der Kanton Zug einiges kosten. Die Hintergründe.
Grüne Wände, Holzbänke, Glasmalereien, historische Figuren, die auf einen herabblicken: Dem Kantonsratssaal in Zug sieht man seine Geschichte an. Zu Beginn diskutierte der damalige 67-köpfige Grossrat noch im Gotischen Saal des Zuger Rathauses in der Altstadt. Am 17. März 1873 tagte das heute Kantonsrat genannte Parlament das erste Mal im Saal im neugebauten Regierungsgebäude.
Und jetzt – über 150 Jahre später – soll der Kantonsrat dem altehrwürdigen Saal den Rücken kehren (zentralplus berichtete). Der Kanton plant dafür einen Neubau neben dem heutigen Gebäude. Was er sich einiges kosten lassen will.
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wieso der heutige Kantonsratssaal nicht mehr reicht
was der Neubau kosten soll
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Zu eng, zu stickig, nicht modern genug
Der Anstoss für die Änderung liegt schon einige Jahre zurück. Hintergrund ist ein überparteilicher Vorstoss von Zuger Kantonsräten vom November 2021 (zentralplus berichtete). Darin fordern sie «eine grosszügige, neue, multifunktionale Infrastruktur für den Zuger Kantonsrat». Denn: Der historische Raum sei schlicht zu eng für die jeweils rund 90 Anwesenden. Augenscheinlich wird das vor allem dann, wenn Besucher die Sitzungen live verfolgen. Seien es Schulklassen oder Bekannte bei der Wahl des Landammanns: Sie werden jeweils an die Wände gedrängt und haben zum Teil nicht mal Sitzgelegenheiten.
Doch die Liste der Mängel geht noch weiter: Wer im Rollstuhl sitzt, hat Schwierigkeiten, den Saal überhaupt zu erreichen. Die Akustik sei «alles andere als ideal», die Lüftung ungenügend und im Sommer schwitzen die Parlamentarierinnen wegen fehlender Kühlung vor sich hin. Sind die Fenster für etwas frische Luft offen, ist es aber zu laut. Weiter fehlen genügend Anschlüsse für die Laptops und Tablets der Kantonsräte. Weil ein Pausenraum fehlt, verbringen sie ihre Pause gedrängt auf zwei Ebenen im Treppenhaus. Auch eine Wandelhalle oder ein Sitzungszimmer für den Austausch oder Kommissionssitzungen gibt es nicht.
Kurz: Es fehlt an allen Ecken. Wegen der historischen Bausubstanz würde jedoch auch ein teurer Umbau die Situation nicht verbessern, waren sich die Postulanten sicher. Ihr Vorschlag: ein Neubau auf dem Areal des alten Kantonsspitals, damit «der Kantonsrat besser arbeiten und besser kommunizieren kann, als dies heute möglich ist».
Direkt daneben – auf städtischem Boden
Beim alten Kantonsspital war dies aber nicht möglich, wie die Regierung in ihrem Bericht zum neuen Kantonsratssaal ausführt. «Es stellte sich heraus, dass sich die infrastrukturellen, sicherheitstechnischen und betrieblichen Anforderungen seitens des Kantons nicht mit dem vorgesehenen Nutzungskonzept der Investoren vereinbaren liessen.» Die Regierung prüfte darum Varianten in und um den Kantonsratssaal – dort machte ihr jedoch unter anderem der Denkmalschutz einen Strich durch die Rechnung.
Also machte sie den Fächer auf und schielte auf das städtische Grundstück daneben. Ein Gremium aus Planern, Denkmalpflegern und politischen Vertreterinnen empfahl schliesslich den Standort südlich des Regierungsgebäudes.
Der Zuger Stadtrat hat hierzu bereits sein Einverständnis gegeben. In einem Vorvertrag legen Stadt und Kanton fest, dass der Kanton Zug das Grundstück haben kann. Der Kanton soll der Stadt dafür ein gleichwertiges Grundstück anbieten – was er noch nicht gefunden hat – oder maximal zwei Millionen Franken als Entschädigung zahlen. Weiter bezahlt der Kanton den Rückbau für den heutigen Kiosk, die Toilettenanlage und die Lagerräume der Stadt. Auch muss der Kanton Zug den neuen Kantonsratssaal, eine neue Buvette und eine neue WC-Anlage selbst berappen. Ebenfalls festgehalten: Das städtische Parlament darf die Räumlichkeiten im Neubau ebenfalls für seinen Ratsbetrieb nutzen.
Ebendieses muss den Vertrag erst noch absegnen. Für das neue Gebäude muss zudem das Papageienhaus bei der Voliere weichen. Eine Ersatzlösung für die Vögel gebe es noch nicht, wie die Präsidentin des Ornithologischen Vereins Zug, Annelies Häcki Buhofer, jüngst der «Zuger Zeitung» sagte.
Getrennte Eingänge und viel Platz für die Ratsmitglieder
Der Neubau soll rund 890 Quadratmeter Fläche umfassen. Der Kantonsratssaal, das Herzstück, soll 270 Quadratmeter gross werden. Künftig sollen die Sitze auf verschiedenen Treppenreihen stehen, damit alle Ratsmitglieder eine gute Sicht auf die Rednerpulte haben. Der Ratssaal selbst ist im Obergeschoss geplant und soll über eine Wandelhalle und eine Wendeltreppe erschlossen sein.
Im Foyer im Untergeschoss sollen Räume wie Garderoben, Toiletten sowie eine Küche untergebracht werden. Diese könnten ausserhalb des Ratsbetriebs auch für Publikumsveranstaltungen genutzt werden, so die Regierung. Zur Altstadt und zum Landsgemeindeplatz hin gerichtet, soll es eine öffentliche Sanitäranlage sowie eine kleine Buvette geben.
In einem Schwung mit Sanierung
Gleichzeitig mit dem neuen Kantonsratssaal nahm der Regierungsrat auch die restlichen kantonalen Gebäude am Postplatz unter die Lupe. Denn auch das restliche Regierungsgebäude und das Gebäude an der Neugasse 2, wo unter anderem das Sozialamt beherbergt ist, haben eine Auffrischungskur nötig.
Bei der Neugasse 2 müssen die Haustechnik und die Fenster ersetzt werden, das Dach optimiert und die Oberflächen und Schreinerarbeiten im Inneren erneuert werden. Beim Regierungsgebäude sollen ebenfalls das Dach saniert, die Gebäude- und Sicherheitstechnik modernisiert und der Innenausbau instandgesetzt werden.
Das passiert mit den freien Räumen im Regierungsgebäude
Im Rahmen dieser Sanierungsarbeiten will der Kanton auch Teile seiner Verwaltung zügeln. Die Gesundheitsdirektion soll aus der Neugasse 2 ins künftige Verwaltungsgebäude an der Aa ziehen. Für die freiwerdenden Räume sind Sitzungszimmer geplant. Zudem will die Regierung künftig ihre Schalter mit Dienstleistungen für die Bevölkerung – wie etwa das Ausweisbüro – in der Neugasse bündeln. Die dadurch wiederum freiwerdenden Räume im Regierungsgebäude sollen zu Sitzungszimmern für die Fraktionen und Kommissionen des Kantonsrats werden. Zudem plant der Regierungsrat einen «grosszügigen Aufenthalts- und Garderobenbereich».
Was die Bevölkerung zudem freuen dürfte: Bei der seeseitigen Terrasse will die Regierung eine Café-Bar einbauen, die ausserhalb des Ratsbetriebs auch für die Öffentlichkeit zugängig soll. Der heutige Kantonsratssaal soll künftig für öffentliche Nutzungen zur Verfügung stehen. Dem Regierungsrat schweben etwa Informationsanlässe, Konzerte, Ausstellungen, kleine Feiern, Empfänge oder Bankette vor.
So gehts jetzt weiter
Die Gesamtkosten für Sanierungen, Umgebungsgestaltungen und den Neubau schätzt die Regierung auf rund 50 Millionen Franken. Darin enthalten sind auch Mietkosten für Provisorien, die der Kanton voraussichtlich während der Sanierungsarbeiten mieten muss. Den Objektkredit für die Ausarbeitung der jeweiligen Projekte veranschlagt die Regierung auf 5,3 Millionen Franken. Über diesen soll der Kantonsrat noch in diesem Jahr entscheiden.
Gibt das Parlament grünes Licht, bereitet der Kanton ein Wettbewerbsverfahren und die weiteren Schritte vor. Nach Plan beginnen die Bauarbeiten für den Neubau 2030, 2032 soll der Kantonsrat erste Sitzungen im Neubau abhalten können. Das Regierungsgebäude soll anschliessend bis 2034 saniert werden.
Schreibt über alles, was Luzern und Zug aktuell beschäftigt. Im ländlichen Luzern aufgewachsen, hat sie beim «Entlebucher Anzeiger» ihre Begeisterung für Lokaljournalismus entdeckt. Nach einem Studium in Medienwissenschaften und Englisch ist sie seit September 2021 bei zentralplus. Nebenbei absolviert sie derzeit die Diplomausbildung Journalismus am MAZ.
Einseitige Berichterstattung über Kantonsratssal-Neubau
Mit Befremden habe ich den Artikel zum geplanten Kantonsratssaal gelesen. Statt kritischer Berichterstattung präsentiert uns die Autorin eine einseitige PR-Darstellung des Projekts. Keine einzige kritische Stimme kommt zu Wort, obwohl bekannt ist, dass die Anwohnerschaft und der Ornithologische Verein dem Vorhaben skeptisch gegenüberstehen.
Die "Mängel" des bestehenden Saals werden dramatisiert: zu eng, zu stickig, zu laut. Lösungen innerhalb des bestehenden Gebäudes wurden offenbar nur oberflächlich geprüft. Für die angeblichen Unzulänglichkeiten wäre ein gezielter Umbau ausreichend – ohne 50 Millionen Franken für 15-20 jährliche Parlamentssitzungen auszugeben.
Der Artikel verschweigt die städtebaulichen Nachteile: Eine "Staumauer" am Landsgemeindeplatz würde nicht nur die schützenswerte Voliere verdrängen, sondern auch den freien Blick auf das Seebecken verbauen. Das wertvollste öffentliche Grundstück der Stadt wird praktisch verschenkt.
Journalismus sollte alle Seiten beleuchten, nicht einfach Behördenmeinungen übernehmen.