Was steckt hinter der Fokolar-Bewegung?

Christliches Zentrum erhält Gelder des Kantons Zug

Das Dialoghotel Eckstein wird von der Fokolar-Bewegung geführt. Diese hat für dessen Umbau nun öffentliche Gelder erhalten. (Bild: wia)

Der Regierungsrat unterstützt ein Bauvorhaben der Fokolar-Bewegung mit 350'000 Franken. Was wird mit diesem Geld gemacht und warum ist es Aufgabe des Staats, eine christliche Organisation zu unterstützen? Wir haben uns das «Dialoghotel» genauer angeschaut.

Es ist eine ganze Menge Geld, die der Zuger Regierungsrat dem Dialoghotel Eckstein zugesprochen hat. Aus dem Lotteriefonds werden dem Verein Fokolar-Bewegung Schweiz 350'000 Franken ausgerichtet. «Die international tätige Fokolar-Bewegung gehört zu den anerkannten, neuen geistlichen Aufbrüchen, die aus den christlichen Kirchen hervorgegangen sind. Dazu schlägt sie den Weg des Dialogs ein», heisst es in einer Mitteilung der Zuger Regierung.

Es ist nicht die erste religiöse Organisation, die mit Staatsgeldern vom Kanton unterstützt wird. Der zuständige Regierungsrat Stephan Schleiss (SVP) sagt dazu: «Einen Präjudizfall hatten wir beispielsweise im Lassalle-Haus, für dessen Umbau der Kanton im Jahr 2016 1,6 Millionen Franken gesprochen hat. Auch dieses ist grundsätzlich religiös begründet.»

Gemäss Regierungsrat eine gemeinnützige Organisation

Er betont: «Weder beim Lassalle-Haus noch beim Zentrum Eckstein steht die Religiosität im Vordergrund.» So fördere die Fokolar-Bewegung etwa den interreligiösen Dialog, «ausserdem handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation». Dies insbesondere, da sich das Zentrum Eckstein bei der Integration von Asylbewerbern sowie lernschwachen Jugendlichen einsetze.

«Ausschlaggebend bei der Unterstützung war mitunter, dass die Organisation selber eine finanzielle Eigenleistung erbracht hat», sagt Schleiss. Dennoch habe man bei deren Gesuch genauer hingeschaut. «Gerade weil die Fokolar-Bewegung eher unbekannt ist und ich darüber und über die baulichen Pläne mehr wissen wollte, habe ich deren Vertreter zum persönlichen Treffen eingeladen.»

«Die Scientology beispielsweise würden wir nicht unterstützen, das wäre zu delikat.»

Stephan Schleiss (SVP), Zuger Bildungs- und Kulturdirektor

Wo zieht die Regierung Grenzen bei der Unterstützung religiöser Organisationen? «Die Scientology beispielsweise würden wir nicht unterstützen, das wäre zu delikat. Der Kanton unterstützt grundsätzlich keine Gesuche, die mit der Liturgie zu tun haben.» Der Kauf neuer Messgewänder oder Kirchengesangbücher sei klar nicht Aufgabe des Staats. «Das ist vielmehr der ureigenste Auftrag der religiösen Gemeinschaften selber.»

Seit vielen Jahren in Baar und dennoch unbekannt

Schleiss ergänzt: «In der Vergangenheit haben wir mehrfach Gelder für Kirchgemeinden gesprochen, obwohl diese selber über Steuerkompetenz verfügen. Dies betraf insbesondere Archiverschliessungen.» Auch hier stehe der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund, denn, so Schleiss, «mitunter hat das Staatsarchiv ein Interesse an solchen Sammlungen».

Das Dialoghotel Eckstein befindet sich beim Oberdorf in Baar. (Bild: wia)

Es ist ein Phänomen: Es steht seit bald 50 Jahren mitten in Baar, doch kaum einer weiss etwas über die Bewegung. Wenn es nach dem Geschäftsführer Willy Graf geht, soll sich das schleunigst ändern. Nicht zuletzt deshalb, weil das Zentrum Eckstein, respektive das Dialoghotel, auf die Öffentlichkeit angewiesen ist.

«Zwar ist unser Grundauftrag, ein Begegnungszentrum für die Fokolar-Bewegung zu sein. Doch sind wir daneben auch ein Hotel mit 40 Zimmern», erklärt der Hotelier, während wir durch den Gang des Hauses schlendern. Der Hotelbetrieb, sowie die Vermietung der Räume an Externe, ermögliche eine Quersubventionierung.

Ein normales Hotel mit christlichem Touch

Steht man im Eingangsbereich des Zentrums, wähnt man sich in einem normalen, unverschnörkelten Hotel. Als wir uns in den hinteren Teil des Hauses begeben, ändert sich der Eindruck etwas. Ein Durchgang führt in den ältesten Gebäudeteil. «Dieser wurde in den 1920ern als Mädchenheim für die Spinnerei-Arbeiterinnen gebaut», erklärt Irma Pezzotti, die Rechnungsführerin der Fokolar-Bewegung.

Das Restaurant, das bis vor kurzem «Speisesaal» genannt wurde, bedarf ebenfalls einer Erneuerung. (Bild: wia)

Auch dem früheren Speisesaal, der heute Restaurant genannt wird, haftet aufgrund seiner Kargheit und des offenen Buffets noch immer ein Touch von Mädchenheim an. «Sie sehen, hier herrscht Renovationsbedarf», erklärt Graf. Dasselbe gilt für einen Teil der Zimmer, die den heutigen Hotelstandards nicht mehr ganz entsprechen, respektive eher an Klosterzellen erinnern.

«Einen Teil der Zimmer haben wir während Corona bereits umgebaut, als unser Betrieb sowieso auf Sparflamme lief», sagt Graf. «Das haben wir intern finanziert.»

Willy Graf leitet das Zentrum seit drei Jahren. (Bild: wia)

Dolmetscherkabinen und Murmelecken

Dass es sich hier nicht um ein normales Hotel handelt, zeigen die «Murmelecken», also Nischen zwischen den Zimmern, in denen die Gäste ins Gespräch kommen können. Auf den Salontischen liegt neben dem Kochbuch «Helvetia Vegetaria» auch ein Bildband mit dem Titel «Die Offenbarung».

Die grossen Säle sind mit Dolmetscherkabinen ausgestattet. «Wir verstehen uns als Begegnungszentrum der Fokolar-Bewegung der ganzen Schweiz. Das bezieht also auch die italienische und die französische Schweiz mit ein», sagt Pezzotti. «Doch auch andere Gruppen, Institutionen und Firmen, welche hier Tagungen durchführen, schätzen diesen Service.»

Die Fokolar-Bewegung

Die Fokolar-Bewegung ist eine neuere geistliche Bewegung, die aus der katholischen Kirche heraus entstand und 1943 von der Italienerin Chiara Lubich gegründet wurde. «Unser Fokus liegt auf der Spiritualität mit Blick auf das soziale Engagement und den Dialog», erklärt Beatrix Ledergerber, die Sprecherin der Fokolar-Bewegung. «Schon früh gehörten zur Fokolar-Bewegung Menschen verschiedener Kirchen und auch anderer Religionen. Wie die Kirchen spüren auch wir die Umbruchzeit, sehen das aber als Chance zur Erneuerung.»

In der Vergangenheit war die Fokolar-Bewegung nicht unumstritten. Konkret ging es bei früheren Vorwürfen um geistlichen Missbrauch sowie Machtmissbrauch. Ledergerber dazu: «Tatsächlich gab es früher problematische Züge, bei denen man heute genauer hinschaut.» Und weiter: «Es ist aber nicht so, dass Menschen bewusst ihren Einfluss missbraucht hätten, respektive sich selber bereichern wollten.»

Sondern? «Viel eher sind aus lauter Idealismus Verletzungen passiert, insbesondere an jungen Menschen.» Über diese Themen rede man seit einigen Jahren offen. «Auch gibt es seit letztem Jahr eine Kontaktstelle, an die sich Betroffene wenden können.»

Willy Graf kam vor drei Jahren in den Baarer Betrieb und hat schon einiges umgekrempelt. Nicht zuletzt wurde der ganze Auftritt des Hauses neu gemacht. «Wir müssen modern sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Es geht nicht, dass wir auch Firmen ansprechen möchten und dann altmodische Zimmer anbieten.»

Eines der alten Zimmer im Hotel. Der Geschäftsführer findet: Um mithalten zu können, braucht es eine Renovation. (Bild: wia)

Zimmer und Heizung müssen erneuert werden

Bereits mehrere Millionen Franken wurden für bauliche Anpassungen in den letzten 15 Jahren ausgegeben. Das reiche jedoch noch nicht. «Neben der Renovation der restlichen Zimmer müssen auch die Gebäude energietechnisch auf den neusten Stand gebracht werden. Die Heizung läuft mit Gas. Wir wollen in Zukunft auf erneuerbare Energien setzen», sagt Graf.

Aus diesem Grund habe man das Gesuch beim Kanton eingereicht, mit dem ein kleinerer Teil der Kosten gedeckt werden könne. «Dafür sind wir sehr dankbar.»

«Wichtig ist, dass man die christlichen Werte akzeptiert, die hier gelebt werden.»

Willy Graf, Hotelier des Dialoghotels Eckstein

Graf selber ist ein «Externer», gehört also nicht der Fokolar-Bewegung an. «Ich bin auch nicht mal katholisch, sondern evangelisch», sagt er. Aus welcher Glaubensrichtung man komme, spiele keine Rolle. «Wichtig ist, dass man die christlichen Werte akzeptiert, die hier gelebt werden», sagt Graf.

Auch Buddhistinnen, Musliminnen und Atheisten arbeiten im Dialoghotel Eckstein. «Auch hier spürt man den sozialen Gedanken der Fokolar-Bewegung. Wir können und wollen es uns leisten, nicht gewinnorientiert zu arbeiten.» So beschäftige man immer wieder Mitarbeiter aus dem GGZ@Work-Arbeitsprogramm, aber auch IV-Bezüger, die hier nach Möglichkeit beruflich unterstützt würden.

Eine der Murmelnischen im Dialoghotel. (Bild: wia)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Cordula Heiner
    Cordula Heiner, 29.09.2022, 13:20 Uhr

    Ich mag es dem Fokolarzentrum von Herzen gönnen. Dies möchte ich klar vorausschicken. Aber gerade erst wurden der Lesebühne Satz&Pfeffer die Unterstützungsgelder, die nicht einmal einen Drittel dieser Summe gewesen wären, vom genau gleichen Regierungsrat verwehrt. Okay, kann man vielleicht nicht vergleichen. Aber irgendwie hinterlässt das Ganze in mir ein schlechtes Gefühl… und die Lesebühne Zugs teht nun vor dem Aus! Was läuft da falsch?

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