Prekäre Wohnraumsituation

Bürgergemeinde plant Notwohnung in der Stadt Zug

Dieses Haus möchte der Bürgerrat der Stadt Zug kaufen. (Bild: wia)

In der Stadt Zug dürfte bald eine neue Notwohnung zur Verfügung stehen. Bereits heute gibt es mehrere Angebote für Menschen, die dringend eines Obdachs bedürfen. Genug sind es dennoch nicht.

Es gibt in Zug keinen Mangel an Wohnungen. Jedenfalls nicht, wenn man über ein unbegrenztes Budget verfügt. Ganz anders sieht es aus, wenn Organisationen, aber auch die Behörden, nach geeigneten Räumlichkeiten für Notzimmer und -wohnungen suchen.

Der Bürgergemeinde der Stadt Zug scheint dies gelungen zu sein. Gemäss den Unterlagen zur Bürgergemeindeversammlung ist geplant, dass diese ein Haus kauft, in dem nicht nur preisgünstige Wohnungen, sondern auch eine Notwohnung realisiert werden können.

Das Gebäude steht in der Gartenstadt 17, erinnert von aussen ein wenig an eine Kuckucksuhr und befindet sich auf der kantonalen Liste der schützenswerten Objekte. Gemäss Bürgerrat bietet es drei Dreizimmerwohnungen sowie eine Eineinhalbzimmerwohnung im Untergeschoss.

Kapazitäten sind begrenzt

Derzeit befindet sich das Gebäude im Besitz der Stiftung Liebfrauenhof. Diese soll auch weiterhin, zumindest vorläufig, eine der Dreizimmerwohnungen für ihre Klientinnen mieten. Für die weiteren Wohnungen will die Bürgergemeinde geeignete Mieter finden.

Die Bürgerpräsidentin Judith Müller sagt auf Anfrage: «Wir begegneten in den letzten zwei Jahren mehrmals der Situation, dass Zuger Bürger plötzlich ohne Obdach dastanden. Wir mussten jeweils schnell reagieren, um diesen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen.» Bis jetzt habe dies bewerkstelligt werden können, indem sich die Bürgergemeinden gegenseitig ausgeholfen hätten. «Doch unsere Kapazitäten sind begrenzt, und es wird immer schwieriger, Wohnraum zu finden für solche Notfälle», sagt Müller.

Ein Haus für 2,45 Millionen Franken

Entsprechend habe der Bürgerrat beschlossen, selbst eine Notwohnung anzubieten. Dass man mit dem Haus Gartenstadt 17 nun die Möglichkeit dazu habe, sei sehr erfreulich. Dies insbesondere, da der Kaufpreis von 2,45 Millionen Franken für ein solches Objekt in der Stadt Zug als angemessen anzusehen sei. Die Schätzung, welche der Bürgerrat durch die Zuger Kantonalbank durchführen liess, ergab zwar den etwas tieferen Betrag von 2’230’000 Franken. Den leichten Aufpreis bezeichnet der Bürgerrat jedoch als vertretbar.

Dass das Gebäude aus denkmalpflegerischer Sicht als schützenswert gelte, tangiere die Pläne nicht. Denn umbauen, geschweige denn neu bauen, möchte der Bürgerrat nicht. Müller dazu: «Es handelt sich zwar um einen einfachen Ausbaustandard. Dieser dient unserem Zweck jedoch gut, die Wohnungen preisgünstig zu vermieten.» Sie ergänzt: «Ausserdem haben wir sofort Bedarf an einer Notwohnung und übernehmen die Liegenschaft darum, wie sie ist.» Einzig der Ersatz der Ölheizung sowie der Schindelfassade auf der Wetterseite werde mittelfristig ein Thema sein. Längerfristig sollten ausserdem die Küchen und Bäder sanft renoviert werden.

Aktuell würden die Wohnungen an der Gartenstadt 17 von der Stiftung Liebfrauenhof nur befristet vergeben. Sein Zuhause verliere aufgrund des Verkaufs niemand, da die Bürgergemeinde Zug bestehende Mietverträge übernehme. Noch ist der Kauf nicht in Stein gemeisselt. Darüber entscheidet die Bürgergemeinde an ihrer Versammlung vom 16. Dezember.

Das Haus, das der Bürgerrat kaufen möchte, befindet sich in der Gartenstadt in Zug. (Bild: wia)

Angebote der Stadt Zug sind gut ausgelastet

Die Notwohnung, welche die Bürgergemeinde plant, ist längst nicht die erste in der Stadt Zug. Bereits heute stellt die Stadt Zug Notzimmer und -wohnungen zur Verfügung. 30 Zimmer kamen vor einem Dreivierteljahr in einem Neubau im Göbli zu stehen (zentralplus berichtete). Daneben verfügt die Stadt Zug an verschiedenen Standorten über acht Notwohnungen für Familien. Die angebotenen Liegenschaften seien derzeit sehr ausgelastet, die Stadt erhalte kontinuierlich neue Anfragen, heisst es seitens der Stadt Zug.

Auch der Betrieb im Haus Göbli laufe gut. Die zuständige Stadträtin Barbara Gysel sagt dazu: «Die niederschwellige Beratung und Unterstützung durch das Personal der Stiftung Heilsarmee Schweiz wird von den Bewohnenden geschätzt und hat sich als wirksam erwiesen.»

Und weiter: «Dennoch zeigt sich zurzeit anhand der kontinuierlich steigenden Anfragen aus der Bevölkerung ein deutliches Bild: Es mangelt an geeigneten Wohnungen für die Zeit nach dem Aufenthalt im Haus Göbli.» Dieses Defizit betreffe jedoch nicht nur ehemalige Bewohnerinnen des Hauses, sondern auch die Bevölkerung der Stadt Zug im Allgemeinen.

«Die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum übersteigt das derzeitige Angebot bei Weitem. Diese Schwierigkeit zeigt sich in der allgemeinen Beratung, aber auch im Finden einer Anschlusslösung nach dem Aufenthalt im Haus Göbli.»

Vermieter möchten keine Randständige in ihren Wohnungen

Eine weitere Organisation, die sich darum sorgt, dass Menschen in Zug ein Obdach haben, ist der Verein «Ein Bett für Obdachlose». Dass es diesen dringend braucht, bestätigt Klaus Hengstler, Kirchenschreiber der Reformierten Kirche Zug und Präsident des Vereins: «Ich bekomme fast im Wochenrhythmus Anfragen. Meist kommen diese von den betroffenen Personen selber. Doch kam es auch schon vor, dass sich die Polizei bei uns meldete, da jemand bei ihnen landete, der kein Obdach hat.» Ebenfalls würden die Anrufe von Sozialdiensten oder Spitälern kommen.

Helfen könne man jedoch längst nicht allen Bedürftigen. «Mit nur sechs Wohneinheiten steht uns nur sehr begrenzt Wohnraum zur Verfügung. Der Unterschied unserer Räumlichkeiten im Vergleich mit jenen der Stadt Zug: Wir nehmen vorrangig Menschen auf, die schon länger obdachlos sind», so Hengstler. Die Zimmer stelle man zudem jeweils für eine längere Zeit zur Verfügung und nicht im Sinne einer Notschlafstelle für nur einzelne Nächte.

«Bei uns können die Leute wieder Fuss fassen und sich Wohnkompetenz aneignen. Oft müssen sie wieder lernen, selbständig zu sein.» Das passiere in Begleitung eines Sozialarbeiters der Fachstelle Punkto in Baar. «Im Idealfall übergeben wir die Wohnung letzten Endes der Person, die bereits darin wohnt», sagt Hengstler. Die Wohnungen werden anfänglich jeweils von der Reformierten Kirche gemietet.

Das Problem: «Wir sind stets auf der Suche nach mehr Wohnraum, den wir mieten können. Sobald jedoch klar wird, dass dort Menschen leben werden, die sich in diesem Reintegrationsprogramm befinden, erhalten wir oft eine Absage von den Vermietern.»

Obdachlose in Zug: Nicht mehr ganz so versteckt

Ob sich die Situation in den vergangenen Jahren verschärft habe, vermag Hengstler nicht zu sagen. Seit er 2019 dem Verein vorstehe, hätten sie ständig Leute, die auf der Suche nach einer Unterkunft seien. «Das ist nun zwar eine subjektive Wahrnehmung, doch scheint mir, als komme es häufiger vor, dass sich Menschen durchschlagen. Sie schlafen ein paar Nächte in einem Kellereingang, dann wieder draussen oder verbringen ein paar Nächte auf einem Sofa bei Bekannten, bis sie weiterziehen.»

Auch sehe Hengstler in der Stadt immer wieder Menschen, die den Eindruck machen würden, als seien sie obdachlos. «Das kam vor zwei, drei Jahren seltener vor.» Einen möglichen Grund sieht Hengstler darin, dass der Druck auf grössere Städte wie Zürich und Luzern gewachsen sei. «Die Leute kommen somit eher in die Provinz. Doch auch das entspricht nur meiner persönlichen Wahrnehmung.»

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Judith Müller
  • Unterlagen zur Bürgergemeindeversammlung
  • Telefongespräch mit Klaus Hengstler
  • Schriftlicher Austausch mit der Stadt Zug
  • Website Verein «Ein Bett für Obdachlose»
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