«Bis wir auf dem heutigen Stand sind, dauert es zehn Jahre»
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Die Abstimmung zum neuen Luzerner Theater rückt näher. zentralplus hat deswegen zum Streitgespräch geladen – mit Stadtpräsident Beat Züsli als Befürworter und zwei Jungsozialisten, die gegen das Projekt sind.
Ein langer Weg liegt hinter dem Stadtpräsident Beat Züsli und der Idee der Stadt Luzern, auf dem Theaterplatz ein neues Theater zu bauen. Acht Jahre, wird der SP-Politiker im Interview sagen. Bald könnte dieser Weg zu Ende sein.
Denn nach einem mehrstufigen Wettbewerb, einer Überarbeitung des Siegerentwurfs und einer externen Prüfung des Betriebskonzepts findet am 9. Februar die Abstimmung statt: 13,8 Millionen Franken, damit weiter geplant werden darf. Lehnt das Volk die Vorlage ab, muss die Stadt zurück auf Feld eins.
«Ich will jetzt die Grundsatzdiskussion führen.»
Benjamin Ferizaj, Vizepräsident Juso Luzern
Das Stadtparlament ist einstimmig für den Kredit, ein Neinkomitee mit Architekten und Denkmalschützern lehnt ihn ab. Zu dominant sei der Entwurf, erdrücke die Jesuitenkirche, der Bau werde mehr als die geschätzten 130 Millionen Franken kosten und Theater sei ohnehin zu unbeliebt für die geplante Grösse des Neubaus.
Nur eine Partei stimmt in den Chor der Gegnerschaft ein: die Juso. Die jungen Linken hinterfragen die Rolle von Theater generell – und kritisieren scharf, was im neuen Haus geplant ist. zentralplus hat ihre Vize-Doppelspitze, Lisa Maria Kocher und Benjamin Ferizaj, zum Gespräch mit Beat Züsli eingeladen.
zentralplus: Möchte die Juso weniger Theater in Luzern?
Lisa Maria Kocher: Wir sind mit dem Nein gegen die Abstimmung zum neuen Luzerner Theater nicht gegen Kunst, Kultur und Bildung. Es braucht mehr davon, aber die Frage ist, welche Kunst und Kultur.
Benjamin Ferizaj: Klar, braucht es Massnahmen gegen die unzumutbaren Platzverhältnisse im heutigen Theater. Aber laut Betriebskonzept soll es künftig mehr Vorstellungen, mehr Premieren, aber nicht mehr Mitarbeiter geben. Ich sehe nicht, wie das aufgehen soll.
zentralplus: Tatsächlich sieht das Betriebskonzept 25 Prozent mehr Besucher vor. Ist das realistisch?
Beat Züsli: Die bisher relativ lange Sommerpause soll abgeschafft werden. Und: Wir wollen die Auslastung insgesamt erhöhen. Wir haben das Betriebskonzept durch externe Fachleute überprüfen lassen. Das Ergebnis: Ambitiös, aber durchführbar.
Kocher: Wir halten die Überschätzung von Besuchszahlen für eine Gefahr. Denn: Wenn das Theater künftig doch mehr Subventionen braucht, kann das der freien Kunst- und Kulturszene schaden.
Züsli: Ich höre das Argument häufiger: Wenn die Ziele nicht erreicht werden, leiden kleinere Institutionen. Aber so funktioniert unsere Kulturpolitik nicht. Wir haben mit der Kulturagenda 2030 die breite Kulturförderung für die Zukunft entwickelt und uns auch gegenüber den kleineren und mittelgrossen Institutionen verpflichtet.
zentralplus: Die Ziele sind dennoch ehrgeizig: Ein grösseres Haus, deutlich mehr Kosten und die Subventionen von Stadt und Kanton wachsen kaum. Was passiert, wenn das Theater seine Einnahmen nicht so steigert wie geplant?
Züsli: Erstens plant das Theater, durch Veranstaltungen und Vermietungen mehr Mittel einzunehmen. Ausserdem will ich ein Beispiel nennen: Beim KKL gab es eine Nachfinanzierung für den langfristigen Unterhalt. Das soll uns kein Vorbild sein, zeigt aber, dass die Politik bei veränderten Bedingungen reagieren kann.
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Kocher: Mich überzeugt das nicht. Ich finde, es ist wichtig, jetzt Haltung zu zeigen und zuzugeben, dass es noch Lücken im Betriebskonzept gibt.
Züsli: Darüber müssen wir diskutieren. Für mich ist aber die Frage: Hat diese Diskussion Auswirkungen auf das Projekt? Ich bin überzeugt, für die bauliche Hülle hat das keinen Einfluss, da wir ein Gebäude bauen wollen, das zukünftig unterschiedlichste Konzepte zulässt.
Ferizaj: Es ist ein Trugschluss, dass die architektonische Hülle und das, was drinnen passiert, in keinem Zusammenhang steht.
Kocher: Für mich zeigt das heutige Betriebskonzept klar, dass der ökonomische Druck steigen wird. Meine Frage: Wie kann das Theater dann zu einem Raum für die Luzerner Künstlerinnen werden und nicht nur eine Plattform für Internationale?
Züsli: Das ist eine Frage der Ausrichtung. Die Stadt kann zusammen mit dem Kanton Vorgaben machen, zum Beispiel für den Umfang von Kooperationen mit der freien Theaterszene. Die Kunstfreiheit darf das aber nicht tangieren. Klar ist: Das Theater soll ein offenes Haus und für alle da sein.
Kocher: Man kann nie alle ansprechen. Ich war neulich im Theater und habe mich umgeschaut: nur ältere Menschen. Ich frage mich: Wer ist mit «alle» gemeint?
Züsli: Es sind immer Minderheiten, die eine solche Institution besuchen. Das gilt übrigens auch für Spiele des FCL. Klar ist: Das Theater muss in Zukunft noch mehr Junge ansprechen. Ich will aber auch sagen: Für mich geht der Begriff «offenes Haus» weiter. Wir besetzen den Theaterplatz stärker als bisher, geben aber einen Begegnungsort zurück, den man von früh bis spät nutzen kann.
Ferizaj: Ich habe im Betriebskonzept gelesen, dass nur das Foyer ohne Konsumzwang zugänglich ist. Im Dachgeschoss ist ein Restaurant geplant. Ich finde nicht, dass ein Foyer dem Platz und Markt, der verloren geht, gerecht wird.
Züsli: Es gibt mehr als das Foyer. Auch der grosse Saal kann für diverse Aktivitäten, vielleicht sogar für Flohmärkte oder Ausstellungen, genutzt werden und lässt sich zur Reuss öffnen. Solch einen Raum haben wir in der Stadt noch nicht.
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zentralplus: Nehmen wir einmal an, das Stimmvolk sagt zum Planungskredit nein. Was folgt dann?
Kocher: Kommt es zum Nein, muss sich die Stadt mit Menschen aus der freien Kulturszene zusammensetzen und die Frage klären, was für ein Theater wir wollen. Wir hinterfragen dabei auch, ob es eine Intendanz braucht.
Ferizaj: Es gibt bereits Theater, in denen Künstlerinnen demokratisch über das Programm entscheiden. Darüber muss diskutiert werden. Mich stört aber noch etwas: Die Stadt sagt, dass bei einem Nein lange kein neues Projekt kommt. Das halte ich demokratietechnisch für problematisch.
Züsli: Das ist keine Drohung, sondern Realität. Seit ich vor über acht Jahren als Stadtpräsident angefangen habe, planen wir am neuen Luzerner Theater. Bis wir mit einem neuen Projekt auf dem heutigen Stand wären, dauert es sicher zehn Jahre. Denn bei einem Nein wäre auch die Frage des Standorts wieder offen.
Ferizaj: Ich finde, es braucht nicht zig neue Machbarkeitsstudien. Meine Vision wäre, dass man bei diesem Entwurf bleibt, aber das Betriebskonzept verändert.
Züsli: Wenn das Stimmvolk Ja sagt, werden wir auch das Betriebskonzept parallel zur Projektierung überarbeiten. Falls es aber ein Nein gibt, glaube ich nicht, dass das reicht. Wir müssten dann ausserdem mehr Geld in den Erhalt des baufälligen Theaters stecken – Geld, das wehtut, weil es nicht langfristig nutzt.
zentralplus: Was im Betriebskonzept wollen Sie anpassen, wenn das Stimmvolk den Planungskredit annimmt?
Züsli: Der Slogan von der Offenheit ist bisher primär eine Zielsetzung: Nach rund zwei Jahren Projektierung müssen wir die Umsetzung dazu detaillierter aufzeigen können. Dann kommt das Bauprojekt noch einmal zur Abstimmung – dann auch mit den genaueren Baukosten.
zentralplus: Das Nein-Komitee fürchtet massive Kostensteigerungen – 130 Millionen Franken würden nicht ausreichen, heisst es.
Züsli: Die Baukosten wurden professionell geschätzt, erst im Wettbewerb und nach der Überarbeitung des Siegerprojekts aktualisiert. Ausserdem ist die Kostengenauigkeit der städtischen Projekte in den letzten Jahren sehr gut.
zentralplus: Schlussrunde: Was wollen Sie dem Stimmvolk für den Entscheid auf den Weg geben?
Kocher: Wir stimmen über ein Gebäude ab, das Jahrzehnte stehen bleibt. Deswegen müssen wir es gesamtheitlich anschauen und nicht nur die Hülle.
Ferizaj: Wenn der Kredit und später das Bauprojekt angenommen werden, werde ich zu meinen Lebzeiten kein wirklich «neues» Theater erleben. Deswegen will ich jetzt die Grundsatzdiskussion führen.
Züsli: Ich bin überzeugt, dass wir ein sehr gutes, flexibles Projekt haben, das auch innovative, neue Formen zulässt und ich hoffe sehr auf die Unterstützung aus der Bevölkerung.
- Gespräch mit Beat Züsli, Lisa Maria Kocher und Benjamin Ferizaj