Einblick in ein Herkulesprojekt

Baustelle Wiesental: Eine Operation am offenen Herzen

Martin Leser (l.) amtiert als Leiter Hochbau der Gemeinde, neben ihm auf dem Wiesental-Pausenhof steht Bauchef Jost Arnold. (Bild: wia)

Beim Wiesental in Baar entsteht derzeit ein dringend benötigtes neues Schulhaus. Kostenpunkt: 100 Millionen Franken. Was die Planer vor besondere Herausforderungen stellt, ist die Tatsache, dass der Bau bei laufendem Schulbetrieb passiert.

Zunächst ein kurzer Disclaimer zur Interessens- respektive Emotionsbindung der Autorin zum Schulhaus Wiesental: Die Autorin ist als Knirps, zwischen 6 und 12 Jahren, hier zur Schule gegangen. Hat im Wiesental dank der Figuren Mi und Mo schreiben gelernt, und ihre ersten ungenügenden Noten geschrieben, etwa im Schönschreiben. (Pardon, aber Füllfederhalter und Linkshändigkeit sind eine brutale Kombi).

Ganz bestimmt klebt in einem ihrer alten Alben noch ein Klassenfoto, das während der 90er-Jahre auf der gelben Pyramide gemacht wurde, welche bis vor kurzem die Mitte des Hofes zierte.

Die Zeit des höhergelegenen, treppenlastigen und äusserst barriere-unfreien Schulhofes ist nun definitiv vorbei. Denn: Die Schule steht baustatisch auf schlechtem Grund. Als das Haus in den späten 60er-Jahren gebaut wurde, verzichtete man aus Zeit- und Kostengründen auf eine Pfählung. Zwar wusste man, dass sich unter dem Schulhaus Schiebegestein der Lorze befand. Nur rechnete man mit Kies und nicht mit der acht bis zehn Meter dicken Sandschicht, die tatsächlich unter dem Boden liegt.

Neues Schulhaus kostet 100 Millionen Franken

Für rund 100 Millionen Franken wird deshalb das aktuelle Schulhaus ersetzt (zentralplus berichtete). Schlimm ist das nicht. Denn so kann man zum einen der steigenden Schülerzahl gerecht werden. Zum anderen würde eine umfangreiche Sanierung, insbesondere auf den aktuellen Energiestandard, fast genauso viel kosten, sind sich die Verantwortlichen sicher. Für die Gemeinde Baar ist es eines der grössten Bauprojekte der letzten Jahre.

Während der Sommerferien begannen die Bauarbeiten. Der Hauptbau soll Mitte 2025 eröffnet werden. Die ganze Anlage aus vier Gebäuden, in der mitunter eine unterirdische Dreifachturnhalle, eine schulergänzende Betreuung, eine Aula sowie vier Kindergärten geplant sind, soll im Sommer 2027 fertig werden.

Hier wird unterrichtet, dort wird gebaggert

Das Besondere an der Situation: Die Bauarbeiten erfolgen, während in den Schultrakten noch unterrichtet wird. Dies wiederum erfordert eine besonders anspruchsvolle Planung. Wir sind neugierig und treffen deshalb Bauchef Jost Arnold sowie Projektleiter Martin Leser vor Ort.

Donnerstagmorgen, 8.30 Uhr bei der Waldmannhalle, direkt neben der Baustelle. Die Doppelturnhalle ist wie vom Erdboden verschluckt, ebenfalls der Trakt, in dem einst die Mediathek und die Wohnung des Schulwartes zu finden waren. Alles ist platt. Baumaschinen stehen auf dem Terrain, hier und dort ist auch ein orange gekleideter Arbeiter zu sehen. Nur eines fehlt: Der Lärm. Nichts ist zu hören, kein Presslufthammer, kein Bagger, kein Lastwagen.

Der Blick von der Baustelle hoch auf den Pausenplatz. (Bild: wia)

Das muss so sein, bestätigt Martin Leser. «Alle lärmigen Bauarbeiten wurden bereits in den Sommerferien erledigt, damit nun, während der Schulzeit, alles so ruhig wie möglich bleibt.»

Jost Arnold ergänzt: «Für den Abbruch des Traktes und der Turnhallen hätten wir Zeit gehabt bis zur zweiten Woche nach den Sommerferien. Tatsächlich wurden sie zwei Wochen früher fertig.»

Die lauten Bauarbeiten passieren während den Ferien

Derzeit werden Vorbereitungsarbeiten gemacht, um später Leitungen unter dem Boden zu verlegen. Der nächste lärmintensive Schritt: Das Runtervibrieren der Spundwände. Dies wird während der Herbstferien gemacht.

In einer ersten Etappe entsteht das «Haus Ost», das grösste von insgesamt vier Bauten. Ist dieses fertig, verschiebt sich der Schulbetrieb hierhin. Die alten Trakte A, B und C werden abgerissen und ersetzt.

Nur noch ein kleiner Teil des Schulhofs steht

Wir machen uns auf den Weg zu diesen Trakten, respektive zum Schulhof. Oder zu dem Bisschen, was von ihm übrig ist. Denn vom früheren Schulplatz ist nur noch etwa ein Drittel vorhanden. Daneben geht es «s Loch ab» in Richtung Baustelle. Natürlich nicht ohne die nötigen Sicherheitsvorkehrungen. Eine stabile Wand sorgt für eine klare Trennung zwischen Schul- und Baubetrieb.

Mehrere vergitterte Fenster ermöglichen den Blick aufs Baugeschehen. «Und sollte es tatsächlich einmal ein Kind schaffen, die Mauer zu überwinden, landet es nicht auf der Baustelle, sondern auf einem breiten Absatz, der aus Sicherheitsgründen stehengelassen wurde», sagt Arnold.

Etwas brutal trennt die Wand den Schulhof. Immerhin können die Schüler während der Pause auch unterhalb der Trakte spielen. (Bild: wia)

Überhaupt sei die Sicherheit der Kinder während des Bauvorhabens das A und O. So gelangen die Schülerinnen nun über zwei neue Wege aufs Schulgelände, die klar abgetrennt sind von der Baustelle und deren Zufahrtsweg.

Die Blickensdorfer Kinder gelangen via Fussweg nordöstlich der Lorze und über die Langsamverkehrsbrücke zum Schulhaus. Die Schüler von Süden über die Sonnackerstrasse. Für die Bauzeit wurde eine neue Haupttreppe zum höhergelegenen Schulhof errichtet. Auf der Westseite führt eine zweite, kleinere Treppe zum Spielplatz und von dort auf den Heimweg.

Eine Passerelle ermöglicht den sicheren Weg zur Turnhalle

Damit die Kinder sicher in die Dreifachturnhalle gelangen, wurde zudem eine Passerelle errichtet, unter welcher der Werkverkehr Durchlass findet. Daneben findet der Turnunterricht ausserdem beim Skatepark, in einer Traglufthalle, statt. Diese wird später dazu verwendet, um das Freibad Lättich zu überdachen.

In der Mitte der Baustelle zieht sich, von links nach rechts, ein Graben. Ein geschickter Schachzug der Planer. (Bild: wia)

Wir blicken vom Pausenhof durchs Fensterchen auf die Baustelle. Diese wird von einem tiefen Graben durchzogen. Eine wichtige Massnahme, Arnold erklärt: «Beton überträgt den Schall sehr stark. Mit dem Graben wird dieser unterbrochen, was den Geräuschpegel merklich senkt.» Ebenfalls wird das Material mit einem Beissgerät aus dem Boden gerissen und nicht herausgespitzt. Auch dies führe zu einem deutlich tieferen Geräuschpegel.

«Es ist noch nicht 5 Minuten ab 12, aber es ist 2 Minuten vor 12.»

Jost Arnold, Baarer Bauchef

Derzeit laufen in Baar gleich drei Schulbauprojekte. Beim Sternmatt I, Sternmatt II und eben hier, beim Wiesental. Wäre es nicht besser gewesen, die Projekte gestaffelt anzugehen? «Wir haben die Schulraumplanung jeweils nach dem Bevölkerungswachstum geplant», sagt Jost Arnold. Er ergänzt jedoch: «Es ist noch nicht 5 Minuten ab 12, aber es ist 2 Minuten vor 12.»

Derzeit gilt: Finger weg von der Pyramide. Diese darf jedoch bald wieder beklettert werden. (Bild: wia)

Arnold ist sicher, dass man mit den Neubauten rechtzeitig fertig wird, um den nötigen Schulraum zu gewährleisten. Der bestehende Bau bietet zusammengerechnet Schulräume für 2,5 Klassen pro Jahrgang. Dazu kommt ein Provisorium. Mit dem neuen Projekt verdoppelt sich die Kapazität.

Und was wird aus der gelben Pyramide?

Eine Frage, welche, insbesondere Baarer sehr stark zu beschäftigen scheint: Was passiert eigentlich mit der ikonischen gelben Pyramide? Martin Leser sagt dazu: «Sie kommt zurück.» Gerade wurde sie restauriert, künftig wird sie wieder auf dem Pausenplatz zu stehen kommen.

Verwendete Quellen
  • Website des Projekts der Gemeinde Baar
  • Besuch der Baustelle und Gespräche vor Ort
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