Der 84-jährige Stanislaus von Moos ist seit Jahrzehnten eine gewichtige Stimme in der Schweizer Kultur- und Architekturkritik. In den letzten Wochen leistete er der Nein-Kampagne gegen das neue Luzerner Theater Schützenhilfe.
Sein kritischer Kommentar im Architekturmagazin «Hochparterre» führte zu einer Welle der Entrüstung, wie die Redaktion später zugab. Denn wichtige Akteure der Architekturszene hatten sich hinter den Entwurf der Ilg Santer Architekten (Zürich) für einen Theaterneubau gestellt. Der Querschiesser kam vielen ungelegen.
Nun hat die Abstimmung gezeigt: Von Moos hat der Mehrheit der Stadtbevölkerung aus der Seele gesprochen. Sie hat den Neubau beerdigt (zentralplus berichtete). Noch am Abstimmungssonntag hat zentralplus den in Nidwalden lebenden Luzerner daher zum Interview getroffen.
zentralplus: Stanislaus von Moos, Ihr Kommentar hat Wellen geschlagen. Sind Sie glücklich über den Entscheid?
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Stanislaus von Moos: Ja, ich bin glücklich. Und ich meine, das Nein kann auch ein Ja für die Kultur sein. Ein Ja für einen vernünftigen Umgang mit dem Bild der Stadt.
zentralplus: Hat das Volk dem Theater nicht gerade eine Absage erteilt?
von Moos: Das Nein hatte mindestens zum Teil mit der Unzufriedenheit über das Projekt zu tun. Auf der Ebene der Lustigkeit und der Entspanntheit sollte das Publikum abgeholt werden. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Viele haben sich sehr geärgert über die Aufdringlichkeit des Projekts.
zentralplus: Was meinen Sie mit Aufdringlichkeit?
von Moos: Ein Neubau an dieser städtebaulich wichtigen Stelle zwischen dem alten Theater aus dem 19. Jahrhundert und der barocken Kirche aus dem 17. Jahrhundert muss zu einem zurückhaltenden Dialog bereit sein. Doch was wir bekamen, war eine fasnächtliche Karambolage.
zentralplus: Mit dem Nein ist der Standort Theaterplatz vom Tisch, richtig?
von Moos: Nicht unbedingt. Ich habe Verständnis für das Anliegen, diese städtebauliche Zahnlücke schliessen zu wollen. Aber bitte nicht mit einem Kolossalspielzeug. Es gibt andere Projekte aus dem Wettbewerb, die verantwortungsbewusster mit dem Platz umgehen.
zentralplus: Welche zum Beispiel?
von Moos: Diejenigen von Cometti Truffer Hodel Architekten und Marques Architekten (beide Luzern) sowie jene von Knapkiewicz & Fickert und Caruso St John Architects (beide Zürich). Diese vier Projekte haben gezeigt, dass man diesem überlasteten Programm eine Form geben kann, die mit dem Stadtbild verträglich ist.
zentralplus: Ist der Erhalt des alten Theaters für Sie ein Thema?
von Moos: Das ist für mich sekundär. Wenn es sich machen lässt, ist es sympathisch und entspricht dem Zeitgeist. Aber einfach nur zwei Fassaden zu erhalten und drinnen eine vollkommen neue Nutzung unterzubringen, halte ich für Schnickschnack.
zentralplus: Was halten Sie von der Formel des Stadtrats: «Das Theater muss in die Stadt»?
von Moos: Das Theater muss in die Stadt, aber nicht ins Zentrum.
zentralplus: Wo sonst hin?
von Moos: Ich bin überzeugt, dass es auf städtischen Grund Industriebrachen gibt, die sich vorzüglich für so etwas eignen. Im Gebiet des Südpols könnte etwas entstehen oder auch im Tribschen. Vor einigen Jahren, als das KKL gebaut wurde, gab es auch in Emmenbrücke Konzerte in den alten Stahlwerken. Das war grossartig. Klar, halt nicht auf dem Boden der Stadt Luzern.
zentralplus: Was erwarten Sie als nächsten Schritt?
von Moos: Die Stadt muss jetzt wohl überprüfen, weshalb die Grundlagen für unseriös und ungenügend erachtet wurden. Dies gemeinsam mit Fachleuten, auch solchen von ausserhalb Luzerns. Diese sollten zusammensitzen und die Perspektive Theater in Luzern neu überdenken.
zentralplus: Überdenken: Das klingt nach weniger Theater für Luzern?
von Moos: Klar, braucht Luzern ein Theater. Andererseits halte ich persönlich den Versuch, Luzern als Zentrum der Opernkultur zu platzieren, für überrissen. Aber wie gesagt, das ist nicht meine Hauptschiene. Mir geht es um Architektur und Städtebau.
zentralplus: Bitte erklären Sie, warum Architekturverbände und Denkmalschutzkommissionen, national wie kantonal, das Projekt für verträglich deklariert haben.
von Moos: Wenn solche Instanzen zu einem Urteil kommen, sind immer auch Ermessensfragen im Spiel. Zudem möchte man sich nicht als Kulturmuffel exponieren. Also winkt man auch Projekte durch, die keine Begeisterung auslösen.
zentralplus: Letzte Frage: Haben Sie mit sich gerungen, bevor Sie Ihren Kommentar im «Hochparterre» geschrieben haben?
von Moos: Ich habe insofern mit mir gerungen, als dass ich mich noch nie öffentlich hinter eine Nein-Parole gestellt habe. Auch nicht publizistisch, und ich habe viel über Architektur geschrieben. Es ist wirklich eine Premiere, dass ich ein Projekt so missraten finde, dass ich dachte: Ich muss versuchen zu erklären, warum dem so ist.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.
Neben der Politik- und Kultur-Bubble hat sich nun auch diejenige der Architektur geäussert. Jetzt geht es meines Erachtens darum, den Souverän, d.h. uns ansässige Steuerzahlerinnen und Steuerzahler endlich aufzuklären: warum sollen wir einem Projekt zustimmen, welches pro Aufführung und pro Sitzplatz mit einer Subvention (= Steuergeld) zwischen CHF 300.00 und CHF 420.00 gefördert wird?
martin.vonrotz, 12.02.2025, 10:22 Uhr
Sorry, aber in welche parallelen Architekturwelt sind diese anderen Entwürfe schöner? Und günstiger wären die garantiert auch nicht und "engen" den Platz genau so ein wie das abgelehnte Projekt.
Patrick Brunner, 12.02.2025, 16:14 Uhr
Es geht ja nicht um Ästhetik, sondern um den sinnvollen Umgang des Ortsbildes. Die vier zum Vergleich vorgestellten Projekte machen das deutlich besser.
Den Begriff «fasnächtliche Karambolage» für das Siegerprojekt erachte ich als passend.