Andrea Gmür will Kosten für Baueinsprachen einführen
Wegen Einsprachen werden Bauprojekte Monate bis sogar Jahre verzögert. Die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür will dem entgegenwirken. Unterliegt eine Beschwerde, soll der Einsprecher etwas zahlen.
Das Gestänge beim Luzerner Bundesplatz gehört mittlerweile schon fast zum Stadtbild. Seit mehr als zehn Jahren sind dort Hochhäuser geplant – doch wegen Einsprachen ist bislang noch kein Bagger aufgefahren (zentralplus berichtete). Kürzlich errang der Verein hinter der Beschwerde gar einen Sieg vor Bundesgericht, die Immobilienfirma muss nun über die Bücher.
Solche Verzögerungen von Bauprojekten sind mittlerweile längst keine Ausnahme mehr. Das hat die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür auf den Plan gerufen. «Überall, wo wir bauen möchten, gibt es je länger, desto mehr Einsprachen», sagt sie auf Anfrage. «Sehr häufig entsteht dabei der Eindruck, bei den Einsprachen geht es nur darum, Projekte zu verzögern oder der Bauherrschaft den Garaus zu machen.» Erst kürzlich haben Einsprachen in der Stadt Luzern einen Pop-up-Park auf der besagten Bundesplatzbrache verhindert (zentralplus berichtete). «Damit werden die Einsprachen ihres Sinnes entleert», kritisiert Gmür in einem kürzlich eingereichten Postulat.
«Oft drohen sie bereits, das Projekt bis vor Bundesgericht zu ziehen, damit es der Bauherrschaft verleidet.»
Andrea Gmür, Mitte-Ständerätin
«In meiner Nachbarschaft wurde auch erst kürzlich ein Gebäude gebaut, dass ich lieber nicht gehabt hätte.» Solange das Bauprojekt jedoch rechtskonform sei, habe die Bauherrschaft das Recht zu bauen. «Dann muss man sich halt an die veränderte Umgebung gewöhnen», so Gmür.
Abgewiesene Einsprachen sollen etwas kosten
Den Grund für die vielen Einsprachen sieht Andrea Gmür vor allem beim fehlenden Kostenrisiko. Während Bauherren durch die Gerichtsverfahren und die Verzögerung hohe Kosten entstehen, ist eine Einsprache grundsätzlich kostenlos. Die Mitte-Ständerätin betont zwar, dass das Recht auf Einsprache verfassungsmässig geschützt ist. Durch das fehlende Risiko fühlten sich Gesuchsteller aber rechtlich schlechtergestellt.
Für sie nachvollziehbar. Sie findet deshalb, dass Einsprecher auch ein Kostenrisiko tragen sollten. Mit ihrem Postulat soll der Bundesrat eine gesetzliche Grundlage prüfen, womit Einsprecherinnen ein «massvolles Kostenrisiko» tragen. «Soweit sich ein betroffener Nachbar zu einem Baubewilligungs- und Nutzplanverfahren äussern möchte und Parteistellung einnimmt, ist ihm auch zuzumuten, dass er Verfahrenskosten trägt, wenn sich seine Rügen als unbegründet erweisen.» Dass eine Einsprache unbegründet ist, zeige sich, wenn diese Einsprache unterliege.
Eine pauschale Definition – gerade bei Bauprojekten, wo oft verschiedene Interessen gegeneinander aufgewogen werden. Beispielsweise öffentliches Interesse und Denkmalschutz. Das räumt auch Andrea Gmür ein. Doch mit potenziellen Kosten würden die Einsprachen seriöser geprüft, wie sie vermutet. «Dann würden Einsprachen nur noch gemacht, wenn ein Bauprojekt nicht rechtskonform ist und wenn eine Einsprache eine Chance hätte.»
Dass sich damit auch berechtigte Einsprecher weniger trauen, gegen Bauprojekte vorzugehen, bezweifelt sie. Sie betont: «Es geht mir nicht darum, irgendjemanden die Rechte zu beschneiden. Sondern in erster Linie, um missbräuchliche Einsprachen zu reduzieren.» Die meisten Einsprecher seien gemäss ihrer Erfahrung zudem finanziell so aufgestellt, dass sie es sich leisten könnten. «Oft drohen sie bereits, das Projekt bis vor Bundesgericht zu ziehen, damit es der Bauherrschaft verleidet.»
Bundesgerichtsurteil verhindert Umsetzung trotz kantonalen Gesetzen
Die Idee an sich ist nicht neu. Einzelne Kantone wie Luzern sehen in ihren Planungs- und Baugesetzen bereits vor, dass Einsprecher beim Unterliegen die amtlichen Kosten oder bei «leichtfertigen oder trölerischen Einsprachen» gar Verfahrenskosten tragen müssen. Jedoch hat das Bundesgericht 2017 geurteilt, dass Kosten des Einspracheverfahrens «dem Einsprecher grundsätzlich nicht auferlegt» werden dürfen. Eine Ausnahme bieten lediglich offensichtliche Missbräuche. Die rechtliche Hürde zum Abwälzen der Kosten ist demnach hoch. «Diese Rechtsprechung beschneidet die kantonale Regelungskompetenz in erheblichem Masse», stört sich Gmür.
Dabei wäre ein griffiges Mittel gegen die vielen Einsprachen besonders wegen der Wohnungsnot angezeigt. Sie verweist im Vorstoss auf einen Artikel der «NZZ»: Wegen Einsprachen sind derzeit Hunderte Wohnbauprojekte blockiert. Gleichzeitig steigt der Bedarf nach Wohnungen stetig.
Für Andrea Gmür ein ungünstiger Zustand: «Dass die rechtzeitige Realisierung von benötigtem Wohnraum an der unnötigen Verzögerung von Bauprojekten durch Einzelne scheitern kann, steht in diametralen Widerspruch zu wichtigen öffentlichen Interessen.»
Vorschlag ist breit unterstützt
Die Ausgestaltung der Kostenauflage überlässt sie dem Bund, aber die Personen sollen schon bei der Einsprache bezahlen müssen. Bezüglich Höhe der Kosten hat sie keine Angabe gemacht.
Bevor der Bund eine konkrete Regelung ausarbeitet, muss das Postulat jedoch überwiesen werden. Die Mitte-Ständerätin zeigt sich aber zuversichtlich. Denn mit 22 Mitunterzeichnern hat fast die Hälfte der kleinen Kammer bereits ihre Unterstützung zugesagt. Zudem hat Mitte-Parteikollege Leo Müller am Freitag dasselbe Postulat im Nationalrat eingereicht.
- Postulat 23.3640 von Andrea Gmür
- Telefonat mit Andrea Gmür, Luzerner Mitte-Ständerätin
- Bundesgerichtsurteil von 2017
- Luzerner Planungs- und Baugesetz, spezifisch § 212
- Raumplanungsgesetz des Bundes
- Artikel in der «NZZ»
- Postulat 23.3918 von Leo Müller