Schwinger duellieren sich auf einem ganzen Wald

Woher das Sägemehl fürs ESAF kommt – und was daraus wird

Sägemehl: Der Stoff, auf dem der Ruhm errungen wird. Aufnahme von einem früheren Rigi Schwing- und Älplerfest.

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Fürs Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Zug ist gutes Sägemehl zentral, denn für den Kampf im Rund braucht es einen ganzen Wald davon. Der Lieferant kommt aus Küssnacht am Rigi und hat fürs Schwingen beste Referenzen. Mit seinem Sägemehl wollen sich auch die Organisatoren des Events Bestnoten verdienen – aber auf einem ganz anderen Feld.

Es wird wohl das grösste Schwing- und Älplerfest aller Zeiten: Das ESAF in Zug, zu dem im kommenden August über 300’000 Leute erwartet werden und bei dem so viele Zuschauer wie noch nie die harten Kämpfe auf weichem Untergrund betrachten werden.

Sägemehl ist ein zentrales Element dieses Sports und wird selbst zum Training als Unterlage gebraucht. Umso wichtiger also, dass es zum Zeitpunkt des Wettkampfes in ausreichender Menge und in richtigem Zustand vorhanden ist.

Zuger holen Sägemehl immer in Haltikon

«Es sollte nicht zu grob sein», sagt Alois Betschart, der Sportverantwortliche fürs ESAF zu den spezifischen Anforderungen an die Unterlage. «Ansonsten verwenden wir eigentlich ganz normales Sägemehl.»

Über die Zusammensetzung muss sich Betschart keine Gedanken machen, denn seit Jahren verwendet der Zuger Schwingverband stets den Rohstoff des gleichen Produzenten: jenen von Schilliger Holz, einem Traditionsunternehmen in Haltikon, das zur Bezirksgemeinde Küssnacht am Rigi gehört. «Dieses Sägemehl hat sich für uns bestens bewährt», sagt Betschart zur Sägerei aus dem Dreiländereck der Kantone Schwyz, Luzern und Zug.

Walter Schilliger in der Schaltzentrale des Sägewerks in Haltikon.
Walter Schilliger in der Schaltzentrale des Sägewerks in Haltikon.

(Bild: mam)

Krisenresistentes Unternehmen

Schilliger hat zwei Vorteile: Der Betrieb hat die tiefe Strukturkrise der Branche in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur überlebt, er ist mit Investitionen in die Holzplattenfabrikation und mit seinem Engagement in fortschrittlichen Hausbau mit Holzelementen sogar gewachsen. Es betreibt neben der Sägerei in Haltikon ein Werk in Perlen und ist vor einigen Jahren auch ins Ausland – genauer ins Elsass – expandiert.

Sprich: Schilliger Holz ist in der Lage, auch eine grössere Menge von Sägemehl zu liefern. Davon braucht es fürs ESAF nämlich eine ganze Menge: rund 300 Kubikmeter. Dies erfordert einen ganzen Wald: «400 bis 500 Bäume sind dazu schon nötig», sagt Walter Schilliger, der fürs Werk in Haltikon verantwortlich ist.

«In einem halben Tag haben wir das Sägemehl für das ESAF fertig.»

Walter Schilliger, Schilliger Holz, Haltikon

Bei unserem Besuch in der Sägerei ist es kurz vor Mittag und die Anlage hat bereits 1600 Stämme verarbeitet – zu Brettern zersägt, die Randpartien zu Schnitzeln verarbeitet und aus den Fugen Mehl gemacht. «Sie sehen: In einem halben Tag sind wir für das ESAF fertig», sagt Schilliger.

Man liefere immer wieder Sägemehl für Schwingfeste, sagt Schilliger. «Wir sind da schon ein wenig weiter herum bekannt.» Ein Eidgenössisches sei zwar schon länger nicht mehr unter den Abnehmern gewesen. Aber beim nächsten Bergfest auf dem Stoos zum Beispiel werden sich die Schwinger ebenfalls in Sägemehl aus Haltikon duellieren.

Kurzer Transportweg

Das Werk ist in relativer Nähe zum Austragungsort des ESAF gelegen. Das ist für die Organisatoren von Belang, die aus dem Grossanlass einen «ökologischen Erfolg» machen wollen, wie es der Nachhaltigkeitsverantwortliche Andreas Lustenberger ausdrückt. Es soll bekanntlich klimaneutral gestaltet werden (zentralplus berichtete).

Nun ist es nicht ganz einfach zu verstehen, wie ein Massenauflauf mit vielen menschlichen und nichtmenschlichen Kohlendioxid-Ausstössern klimaneutral sein kann. Natürlich wird möglichst vieles wiederverwertet, Emissionen minimiert. «Zudem werden wir aus unserem Nachhaltigkeitsfonds weitere Projekte im In- und Ausland unterstützen», sagt Lustenberger.

Doch das Sägemehl hilft den Betrachtern sehr anschaulich, die grossen Bemühungen der Organisatoren auf diesem Feld zu verstehen.

Hier wird das Sägemehl zum Abtransport in Fudern bereitgestellt.
Hier wird das Sägemehl zum Abtransport in Fudern bereitgestellt.

(Bild: mam)

«Tannigs» kommt zum Einsatz

Das Sägemehl besteht aus Tannenholz, denn Schilliger verarbeitet in Haltikon aussschliesslich Nadelholz. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass das Schweizer Mittelland zwar zu einem grossen Teil mit Buchenmischwald bewachsen ist, Buchenholz auch exportiert wird, aber hartes Holz von Laubbäumen kaum mehr von einheimischen Sägereien verarbeitet wird.

«Das hängt damit zusammen, dass in der Schweiz kaum mehr Hartholz für den Möbelbau verwendet wird», erklärt Walter Schilliger. Die Industrie verwende eben fast nur noch furnierte Platten.

Kein Abfall – «ein Nebenprodukt»

«Natürlich interessieren wir uns bei der Holzverarbeitung am meisten für die Bretter», sagt Walter Schilliger. Aber das Sägemehl sei kein Abfall, «sondern ein Nebenprodukt». Ebenso wie die Holzschnitzel. Dafür wird durchaus Aufwand getrieben: Eine Sortieranlage mit drei Ebenen trennt die Sägeabfälle nach der Partikelgrösse.

Zum Festgelände transportiert wird das Sägemehl dann mit Lastwagen um den 15. August herum – rund eine Woche vor dem Schwingfest. «Wir müssen dabei auch ein wenig auf die Witterung Rücksicht nehmen», sagt Alois Betschart vom ESAF-OK. Es soll nicht zu feucht werden, aber andererseits müssen neben der Vorbereitung der Kampfplätze auch noch andere Abschlussarbeiten auf dem Festgelände vorgenommen werden.

«Die Moorrenaturierung heisst offiziell Zuger Methode.»

Andreas Lustenberger, Nachhaltigkeitsverantwortlicher ESAF

Nach dem ESAF, am 25. August, soll der Wald aus Sägemehl dann weiterverwertet werden – und zwar vollumfänglich in der Nähe. Der bildende Künstler Reto Bärtschi aus dem Berner Oberaargau will einen Teil davon zu einer seiner übergrossen Wächterfiguren verarbeiten, die anschliessend aufgestellt wird.

Ein anderer Teil wird Moor

Den grössten Teil übernehmen Landwirte aus der Umgebung, die einen Teil des Sägemehls mit Stroh vermischen und als Einstreu für ihre Tiere nutzen werden.

40 Kubikmeter wird Mutter Natur übergeben. Es wird auf den Zugerberg transportiert und dort im Eigenried ausgebracht. Das Moorgebiet war zuletzt während des Zweiten Weltkrieges zum Torfabbau genutzt worden, Gräben aus dieser Zeit sollen nun mit dem ESAF-Sägemehl aufgefüllt werden. Der Rohstoff, der aus dem Wald stammt, wird so dereinst zu Moor. Und das Material, auf dem ein Spektakel stattfand, trägt dann zur Ruhe im Naturschutzgebiet bei.

«Diese Art der Moorrenaturierung heisst übrigens offiziell Zuger Methode», sagt Andreas Lustenberger, «und ist wirklich eine sehr gute Sache.»

Mehr Fotos aus Haltikon in der Bildstrecke:

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