Entwicklungen in Zuger Stadtquartieren

Wo Vekselberg und Hayek die Aussicht geniessen

Die Hanglage des Stadtteils Rosenberg ist bei Grossverdienern beliebt. Ob die bauliche Verdichtung einen städtebaulichen Mehrwert bringt, wird bezweifelt. (Bild: anm)

Eine exklusive Wohnlage für reiche Schweizer und Ausländer. Das ist der Zuger Rosenberg. Soziale Durchmischung ist in diesem Quartier nicht vorhanden, an Briefkastenfirmen und teuren Geländewagen mangelt es hingegen nicht. Für die Nachbarschaftsvereine kein leichtes Umfeld. Sie wollen die Bewohner zusammenbringen und eine Beiz anstelle gehobener Gastronomie im Restaurant Röthelberg.

Brauste da soeben Viktor Vekselberg in seinem Geländewagen durch das Quartier? Oder doch der CEO der Swatch Group, Nick Hayek? Man weiss nicht so genau, wen man im anonymen Zuger Stadtquartier Rosenberg antrifft. Es erstreckt sich von der Löberenstrasse bergwärts bis zum Waldrand und bietet Aussicht auf den Zugersee. Dementsprechend ist es auch der Ort, wo die Reichen ihr Zuhause haben – oder zumindest ihren Wohnsitz registrieren.

Einer von ihnen ist der Oligarch Viktor Vekselberg. Dass er im Stadtteil Rosenberg seinen Wohnsitz hat, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Verschiedene Medien berichteten über seinen Wohnsitz «am Hang des Zugerbergs». Wer etwas eifrig den Grundbuchplan auf ZugMap.ch durchforstet, trifft denn auch auf den entsprechenden Eintrag. Vekselberg ist als Eigentümer eines Grundstücks an der Weinbergstrasse in Zug registriert.

Es kommt nicht darauf an, wie teuer die Miete ist

Und Vekselberg ist in guter Gesellschaft, wie Ruedi Hotz vom Verein Nachbarschaft Rötel weiss: «Nick Hayek wohnt auch hier.» Er kenne drei Leute, die im selben Haus wohnen. Er grüsse immer freundlich, hätten sie ihm gesagt. Herr Hayek sei natürlich jederzeit an einen Nachbarschaftsanlass eingeladen, nicht nur weil Hotz gerne einmal mit ihm plaudern würde. Es scheint aber ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, solche Leute für ein Engagement im Quartier zu gewinnen.

Die Nachbarschaften

Die Nachbarschaftsvereine Rötel und Lüssi im Stadtteil Rosenberg engagieren sich seit vielen Jahren für den nachbarschaftlichen Zusammenhalt. Vor allem mit Anlässen. Die Nachbarschaft Lüssi (350 Mitglieder) organisiert das «Chriesifäst» auf dem Rüschenhof, die Loretochilbi sowie das Adventsfenster. Die Nachbarschaft Rötel (180 Mitglieder) ein Strassenfest, einen GV/Lotto-Abend sowie verschiedene Sommeranlässe wie zum Beispiel das Spanferkelessen und Ende November jeweils ein Rötelmahl.

Mit Beteiligung der meisten Quartiervereine der Stadt Zug findet diesen Sommer zum weiten Mal die «Zuger Gluscht» statt. Ruedi Hotz plant ausserdem, den internationalen Tag der Nachbarn (European Neighbours' Day) auch in der Stadt Zug einzuführen. Die Idee: Die gutnachbarschaftlichen Beziehungen aktiv pflegen und so zur Steigerung der Wohnqualität beizutragen. Der Tag findet jährlich am letzten Freitag im Mai statt. Laut Ruedi Hotz könne man an diesem Tag auch ganz einfach nur bei seinem Nachbarn klingeln um sich besser kennenzulernen.

Jürg Kohler sagt: «Die Leute, die hier aufgewachsen sind, machen eher mit, die anderen kriegen es entweder nicht mit oder man sagt sich: Was soll ich dort?» Vielleicht fänden sie es langweilig. «Die Leute gehen am Morgen und kommen am Abend. Hier wohnen die Wohlverdienenden aus der Region Zug», so Kohler. Er ist der Meinung, dass es ihnen nicht darauf ankomme, wie teuer eine Miete ist, sie bräuchten den Ort vor allem als Steuersitz. Solche Leute gebe es am Rosenberg viele, bestätigt Kohler. «Persönlich finde ich es schon erschreckend, dass man diese Leute nie sieht. Man hat keine Ahnung was abgeht, es ist alles sehr autonom.»

Firmen ohne Büro und Telefon

Die tiefen Steuern sind sicherlich auch ein Grund für die vielen Firmeneinträge am Rosenberg. Eine kurze Recherche von zentral+ hat ergeben, dass mehr als dreissig Firmen ihren Sitz in dem Gebiet um die Weinbergstrasse haben. Im Handelsregister sind einige davon als Domizilgesellschaften eingetragen. «Das zeigt die c/o-Adresse», bestätigt Bernhard Häusler vom Handelsregisteramt des Kantons Zug, «eine solche Adresse deutet darauf hin, dass die Gesellschaft über keine Räumlichkeiten verfügt.»

Ebenso verfügt der Grossteil der gefundenen Firmen über keinen Telefonbucheintrag. Auf die Anfrage, ob das ein Hinweis auf eine Briefkastenfirma sei, sagt Häusler:« Weder eine Privatperson noch eine juristische Person ist verpflichtet, sich ins Telefonbuch einzutragen.»

Die Firmennamen lassen auf internationale Tätigkeiten schliessen. Beispiele sind die Holdinggesellschaft Rusint AG, die JD Global GmbH oder die Euro Asia Plastics GmbH. Auch der Diamantenhändler Zellweger Diamonds GmbH ist am Rosenberg ansässig; aber mit Telefonnummer.

Die Schweden an einem Tisch versammelt

Für die Vereine sei es ein Problem, dass sie die Neuzuzüger nicht optimal abholen können, sagt Ruedi Hotz. An die verschiedenen Anlässe (siehe Box), welche die Quartiervereine organisieren, kommen vor allem jene, die schon lange da wohnen. Ruedi Hotz sieht aber auch Erfolge: «Am Quartierfest fanden sich auf einmal viele Schweden an einem Tisch wieder. Die wussten nicht einmal, dass sie im selben Quartier wohnen.» Dass sich auch Zugezogene mehr austauschen, begrüsst er. Es spiele keine Rolle, ob jemand Schweizer sei oder ob jemand Deutsch spreche. Deshalb war er auch dafür, auf die Einladung zum Quartierfest «all are Welcome» zu schreiben. 

Architekt und GGR-Mitglied für die Grünliberalen, Daniel Stadlin, wohnt ebenfalls im Quartier. Er sagt, dass die soziale Durchmischung in den letzten zwanzig Jahren ausgedünnt worden sei. Es sei zwar schon immer ein Quartier der Besserverdienenden gewesen, diese Tendenz habe aber stark zugenommen. «Heute ist es eine exklusive Wohnlage für reiche Schweizer, aber auch für Ausländer, die zudem kaum am Quartierleben teilnehmen. Ihre Kinder gehen in der Regel in international ausgerichtete Privatschulen und haben keinen sozialen Kontakt mit den Schweizer Kindern», sagt Stadlin. 

«Die bauliche Verdichtung hier bringt keinen städtebaulichen Mehrwert.»

Daniel Stadtlin, Architekt und GGR-Mitglied

Als Architekt wäre ihm wichtig, hier eine «qualifizierte Architektur zu ermöglichen, die sich in den baulich-historischen und topografischen Kontext einfügt.» Leider fände eine bauliche Verdichtung statt, die keinen städtebaulichen Mehrwert generiere. Wie schon Kohler, betont auch er, dass am Rosenberg lauter in sich geschlossene kleine Wohneinheiten ohne grossen Aussenkontakt vorherrschen.

«Auch ein verschwitzter Mountainbiker soll willkommen sein»

Eine letzte Sache brennt den befragten Quartierbewohnern unter den Nägeln: Es fehlt ein Treffpunkt. Einen solchen sähen sie gerne im Restaurant Röthelberg, welches seit sechs Jahren der Stadt gehört. Dass die Pächter dort ein gehobenes Speiserestaurant führten und nicht an einem Platz für die Quartierbewohner interessiert seien, sei einer Nachbarschaft nicht gerade förderlich, sagt Ruedi Hotz. Leider sei dort nicht mehr viel passiert, seit die Stadt das Haus gekauft habe. Die Nachbarschaft wünscht, dass das Haus mehr geöffnet wird und als Treffpunkt dienen würde. «Auch ein verschwitzter Mountainbiker soll hier willkommen sein. Wir wünschen uns eine Beiz für alle. Das ist es im Moment einfach nicht», sagt Hotz. Die Nachbarschaft würde mit seinem Verein gerne das alljährliche Rötel-Essen im Restaurant machen. Das sei aber mit den aktuellen Betreibern noch nicht möglich.

Ruedi Hotz möchte dennoch nicht schwarzmalen für sein Quartier. Es sei keineswegs alles pauschal schlecht. Seit 12 Jahren sei er Präsident und noch immer optimistisch, etwas bewirken zu können. Trotzdem: «Die Herausforderungen gibt es nicht nur im Quartier. Die ganze Stadt Zug muss sich mit diesen Entwicklungen beschäftigen.» Vielleicht habe man zu spät gemerkt, was man mit den Steuersätzen oder der Pauschalbesteuerung alles schaffen würde. «Es war den Leuten wohl nicht ganz bewusst.»

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