Luzerner Traditionsfirma trotzt dem Ladensterben

Wo nicht nur die Oma den roten Faden findet

Eine Angestellte berät eine Kundin bei der Auswahl von Knöpfen.

 

(Bild: jal)

Der Konkurrenz von Onlinehandel und Shopping-Malls zum Trotz: Das Luzerner Familienunternehmen Vonarburg setzt sich seit 125 Jahren gegen alle Widerstände durch. Obwohl es nicht Souvenirs und teure Uhren, sondern einfache Knöpfe und Wollknäuel verkauft. Wie geht das?

Wer das Näh- und Hobbycenter Vonarburg in Luzern betritt, wähnt sich ein wenig wie im Traum der eigenen Grossmutter. Regale voller Wollknäuel stehen nebst einer Armada von Bernina-Nähmaschinen, Klettverschlüssen und Nadelkissen. Auf einer schier unüberblickbaren Fläche, die wohl grösser ist als die meisten Wohnungen in Luzern, präsentieren sich ordentlich aufgereiht Stoffe aller Farben und Formen.

Doch Stricken und Nähen ist längst nicht mehr nur Sache von älteren Damen, die ihren Enkeln alljährlich Wollsocken unter den Tannenbaum legen. Das zeigt ein Blick ins Geschäft: Von der jüngeren Hipster-Frau mit Stricknadeln in den Händen über eine Mutter mit Schnittmusterheften im Einkaufskorb bis zur älteren Dame, die sich vor einer Wand voller Knöpfe beraten lässt: Das Publikum ist genauso bunt wie die Fasnachtskostüme, die ebenfalls zum Sortiment gehören.

Die Nähmaschine zur Verlobung ist passé

«Dass man heutzutage mit Krimskrams eine solch grosse Firma führen kann, ist schon speziell», sagt Besitzer und CEO Peter Vonarburg selber. Doch der Erfolg spricht für sich: Während andere Traditionsunternehmen schliessen müssen oder von grösseren Konkurrenten geschluckt werden, feierte Vonarburg diesen Freitag sein 125-Jahre-Jubiläum. Die Firma behauptet sich, obwohl sich die Umstände in dieser Zeit enorm gewandelt haben.

«Unsere Eltern erhielten zur Verlobung noch eine Nähmaschine – das ist heute leider nicht mehr so», sagt Peter Vonarburg. Während Nähen früher zur alltäglichen Pflicht gehörte, weil neue Kleider zu teuer waren, sei es inzwischen zum kreativen Hobby geworden.

«Lukrativ sind Artikel, die pro Stück weniger als einen Franken kosten.»

Peter Vonarburg, CEO und Besitzer

Doch Vonarburg scheint eine Nische gefunden zu haben. Wichtig ist laut dem Besitzer das umfassende Sortiment. Auf 1’300 Quadratmetern finden sich rund 200’000 Produkte. «Wer einen Nähfaden in einem speziellen Rot braucht und ihn bei uns nicht findet, kommt beim nächsten Mal nicht mehr», so Vonarburg. Umsatzzahlen gibt das Unternehmen keine bekannt. Anders, als man denken könnte, lebt Vonarburg aber nicht in erster Linie vom Verkauf hochwertiger und entsprechend teurer Nähmaschinen. «Lukrativ sind Artikel, die pro Stück weniger als einen Franken kosten», sagt der 53-jährige Unternehmer.

Familienunternehmen seit 125 Jahren: Anton und Marlis Vonarburg mit ihrem Sohn, dem jetzigen CEO Peter Vonarburg.

Familienunternehmen seit 125 Jahren: Anton und Marlis Vonarburg mit ihrem Sohn, dem jetzigen CEO Peter Vonarburg.

(Bild: jal)

Die vielen kleinen Produkte sind auch mit ein Grund, wieso er sich – anders als andere Ladenbesitzer – nicht über fehlende Parkplätze direkt vor der Tür beschwert. Mit der aktuellen Situation in der Nähe des Löwencenters ist er zufrieden. Dennoch hält auch er fest: «Eine Nähmaschine im Bus nach Hause schleppen oder aufs Velo packen ist nicht ganz einfach. Darum sind wir darauf angewiesen, dass die Parkplatzsituation vernünftig bleibt.»

90 Prozent der Kunden sind weiblich

Begonnen hatte alles ganz anders: Xaver Vonarburg gründet 1892 mit seinem Sohn in Luzern eine Schuhmacherwerkstatt. Später kommt der Handel mit Leder hinzu. Der Erste Weltkrieg bringt die Firma an den Rand des Ruins – bis ein lukrativer Armeeauftrag Geld einbringt. Erst im Verlaufe der Zeit kommen Nähmaschinen dazu, Bastelmaterial und später die Fasnachtskostüme. Und das hat sich bewährt. Ausflüge in andere Bereiche, beispielsweise hin zu Souvenirs, waren von kurzer Dauer.

«Wir erleben immer wieder, dass die Beratung von Kunden ausgenützt wird.»

Peter Vonarburg, CEO und Besitzer

Vor fünf Jahren ist das Geschäft vom Weinmarkt an die Alpenstrasse gezogen – und hat dabei die Ladenfläche verdoppelt. Den Eindruck, dass vor allem ältere Frauen einkaufen, weist Peter Vonarburg zurück – zumindest teilweise. «Altersmässig haben wir querbeet Kunden.» Es seien aber weit über 90 Prozent Frauen. «Wobei sich immer mehr Männer zum Beispiel selber eine Mütze stricken oder ein Fasnachtskostüm nähen.»

Trotz des aufkommenden Onlinehandels setzt Vonarburg auf die persönliche Beratung im Geschäft. 45 Mitarbeitende zählt die Vonarburg Voco AG, die in fünfter Generation geführt wird. «Wir erleben aber immer wieder, dass die Beratung teilweise von Kunden ausgenützt wird, indem sie das Produkt anschliessend doch online anderswo kaufen.» Für das Verkaufsgespräch deshalb Geld zu verlangen, wie das erste Detailhändler machen, kommt für Peter Vonarburg aber nicht infrage.

Kostüme, Masken und Perücken: Wer bereits die Fasnacht sucht, wird bei Vonarburg fündig.

Kostüme, Masken und Perücken: Wer bereits die Fasnacht sucht, wird bei Vonarburg fündig.

(Bild: jal)

Lieber versucht er, den eigenen Onlineshop auszubauen. Noch wird der grösste Teil des Umsatzes im Geschäft gemacht. Doch im November will Vonarburg eine neue Webseite lancieren – auch als Tor zu den Kunden. «Viele Leute wollen sich vorab orientieren, Ideen sammeln und sich inspirieren lassen», sagt CEO Peter Vonarburg.

Im Geschäft selber werde hingegen das «Einkaufserlebnis» immer wichtiger. Ein Wort, das man in letzter Zeit öfters hört, beispielsweise bei der Mall of Switzerland in Ebikon. Die will bekanntlich mehr sein als ein Shoppingcenter und Kunden mit einer Surfwelle, Kinos und einem Kinderland zum Bleiben animieren. Im Vergleich dazu wirken die Aktivitäten bei Vonarburg geradezu entschleunigend: Einmal wöchentlich wird bei Kaffee gestrickt, regelmässig werden Näh- und Bastelkurse veranstaltet.

Dass man die Welt aber nicht neu erfinden muss, zeigt die Antwort von Peter Vonarburg auf die Frage, was andere Läden von seinem lernen können. «Schuster, bleib bei deinen Leisten», sagt er nach einem kurzen Zögern. «Man muss sich auf die eigenen Stärken besinnen und tun, was einem Freude macht. Die Kunden spüren diesen Enthusiasmus – ansonsten können sie genauso gut im Discounter einkaufen.» Eigentlich ein einfaches Rezept; aber eines, das sich über 125 Jahre bewährt hat.

Seit fünf Jahren ist das Näh- und Hobbycenter Vonarburg an der Alpenstrasse zuhause.

Seit fünf Jahren ist das Näh- und Hobbycenter Vonarburg an der Alpenstrasse zu Hause.

(Bild: jal)

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