Macher des Waldstock-Spektakels packen aus

Wo man schneller an sein Bier kommt

Ein Teil vom Waldstock-OK (v.l.): Benjamin Kohler (Infrastruktur), Beno Staub (Programm) und Tobias Glauser (Medien/Marketing). (Bild: pbu)

Es gibt sie noch, die Festivals, die nicht dem Kommerz verfallen sind. Am Waldstock Open Air in Steinhausen gibt es keine diktierenden Geldgeber und keinen Werbedschungel. Und das soll auch so bleiben. Was dort wirklich zählt, erzählen die Veranstalter gleich selber – und geben nebenbei noch Tipps, wie man schneller an sein Bier kommt.

In gut einer Woche geht es los: Das Waldstock Open Air Spektakel steht an – bereits zum 16. Mal. Vom Donnerstag, 30. Juli, bis Samstag, 1. August, lädt Steinhausen Liebhaber von Musik, Film, Theater, Artistik und Komik an den Dorfrand ein (zentral+ berichtete). Das Material ist bereits eingetroffen, die ersten Helfer ebenfalls. Jetzt gilt es, in die Hände zu spucken und dem Hügel oberhalb des Steinhauser Dorfzentrums Leben einzuhauchen.

Denn davon ist zurzeit noch nicht viel zu vernehmen (siehe Slideshow). Über das ganze Gelände liegen unzählige Bretter, Bleche, und Karabiner verteilt. Hie und da stehen einzelne Konstrukte, die erahnen lassen, was letztlich daraus werden wird. Schwer vorstellbar, dass aus diesem Potpourri aus Deko-Artikeln und Baumaterialien in knapp einer Woche ein funktionierendes Festivalspektakel entstehen soll. Zumal sich die Anzahl der anwesenden Werktätigen an einer Hand abzählen lässt. Gehen dem Waldstock etwa die Helfer aus?

«Nein», lacht Mediensprecher Tobias Glauser, «das ist nun wirklich kein Problem. Wir konnten immer genügend Freiwillige aufbieten.» Das Gros der Helfer werde nächste Woche eintreffen. «Nächsten Donnerstag wird alles fertig sein, garantiert», sagt er mit der Ruhe eines abgeklärten Routiniers. Auf dem Rundgang über das Festivalgelände wird deutlich, dass das Projekt in den Köpfen der Organisatoren bereits viel weiter fortgeschritten ist, als es das momentane Baustellengefühl suggeriert.

Schneller zum Bier

Während das ungeschulte Auge scheinbar konzeptlos zusammengefügte Holzlatten sieht, erkennt Glauser eine im Entstehen begriffene Windmühle. Eine Holzbaracke im Stile eines Hühnerstalls soll sich dereinst in den essentiell wichtigen Technikturm verwandeln. Nur bei zwei abgesägten Baumstämmen müssen auch die Mitglieder des Organisationskomitees passen: «Daraus wird irgendwas geschnitzt, ich habe aber keine Ahnung, was es werden wird und wo wir es letztlich platzieren», gibt Glauser unumwunden zu.

«Im Technikturm ist eine kleine Bar integriert.»

verrät Mediensprecher Tobias Glauser

Was er aber weiss, ist, wo man am schnellsten an sein Bier kommt. «Im Technikturm ist eine kleine Bar integriert. Das haben offenbar die wenigsten mitbekommen. Die meisten holen ihr Getränk an der Kuba-Bar und nehmen zuweilen längere Wartezeiten dafür in Kauf. Am Technikturm hingegen kann man sich direkt bedienen lassen», gibt der Medienverantwortliche des Organisationskomitees preis.

Spürbarer Enthusiasmus

Zurzeit setze sich das OK aus neun Mitgliedern zusammen. Mit drei davon sitzt der Autor im OK-Container und möchte von ihnen wissen, was den Reiz des Waldstocks ausmacht und worin ihr Engagement für das Festival begraben liegt. «Mich reizt insbesondere das Hantieren mit verschiedenen Baumaterialien», sagt Benjamin Kohler, Verantwortlicher für die Infrastruktur. Der Landmaschinenmachniker findet Freude daran, Dingen beim Entstehen zuzusehen. «Der Aufbau ist eine ungemein spannende Phase. Der betriebliche Trubel steckt an. Überall gibt es etwas zu tun und die Dinge nehmen langsam Gestalt an.»

Programmleiter Beno Staub stimmt dem zu: «Das Gesamtpaket ist toll, alle Beteiligten sind motiviert. Du siehst, wie das Ganze wächst, du arbeitest auf etwas hin, hast ein Ziel. Das ist unglaublich anspornend.» Die Leute würden für das Fest und für die Besucher arbeiten. Es gehe nicht um Entschädigungen oder sonstige Bonitäten. «Die Leute sind glücklich mit dem, was sie hier tun – und das ist spürbar», sagt Lehrer Staub.

Mit Wellblechen in die Schlammschlacht

Keine negativen Aspekte oder Befürchtungen neben all der positiven PR? Was bringt das Organisationskomitee auf die Palme? «Das Wetter», lacht Kohler. Er nimmt unmittelbar Bezug auf die letztjährige Ausgabe des Open Airs, die zu einer regelrechten Schlammschlacht verkommen sei. «Den Launen von Petrus sind wir hilflos ausgeliefert. Es ist zwar auch ärgerlich, wenn uns plötzlich das Material ausgeht, wenn beispielsweise irgendwelche Gerüstteile fehlen. Aber diese Missstände lassen sich beheben, wohingegen wir das Wetter so nehmen müssen, wie es kommt.»

«Wir sind aber um einiges regenresistenter geworden», wirft Glauser ein. Die Wetterkapriolen 2014 hätten enorm auf die Stimmung geschlagen, was sich insbesondere auf die Abbauarbeiten ausgewirkt habe. «Da wir die einzelnen Teile beim Abbauen vom Schmutz befreien mussten, hatten wir einen grossen Mehraufwand – und letztlich zu wenig Helfer. Das war schon scheisse.» Mehr Wellbleche sollen Abhilfe schaffen. Ausserdem hätten viele Helfer ihre freien Tage geschoben, damit beim Abbau genügend Leute vorhanden sind, erklärt der Medienchef.

Learning by doing

Die Lehren wurden also gezogen. Ganz allgemein seien die Lerneffekte willkommene Nebenprodukte ihres Engagements. Staub: «Wir lernen viel hier oben. Plötzlich weiss man, wie bestimmte Materialien heissen. Man kennt Fachausdrücke und weiss, wie einzelne Werkstoffe zu behandeln sind.» Im baulichen Bereich hätten sie sehr viel gelernt, pflichtet Glauser bei. «Ausserdem lernt man eine Menge Leute kennen und erweitert damit sein soziales Netzwerk», fügt der angehende Ökonom an.

«Wir halten das Ganze zusammen. Aber letztlich steht und fällt das Festival mit den freiwilligen Helfern.»

Tobias Glauser

Ganz ohne Professionelle ginge es aber nicht. Dank dem breiten Beziehungsgeflecht sei es aber ein Leichtes, die nötigen Leute zu finden, die ihnen unter die Arme greifen. «Viel Knowhow stammt aus der Pfadi oder der Jungwacht», erklärt Programmleiter Staub. Sie selber hätten aber nicht alle eine Affinität zu den jeweiligen Ressorts, sondern seien vielmehr in ihre Aufgabenbereiche reingerutscht. «Unser Medienchef zum Beispiel, der hat eigentlich keine Ahnung vom Metier, aber er sieht einfach gut aus», foppt Staub seinen OK-Kameraden.

Ein Wachsen mit den Aufgaben. Glauser erzählt: «Ich bin fliessend in das Ressort Medien, Werbung und Marketing rein gekommen. Die Übernahmezeit beträgt in etwa ein Jahr. Nach der Übernahme bin ich grundsätzlich frei, Neues auszuprobieren. Meinen Stil zu finden.»

Man ist sich der eigene Chef

Diesen freiheitlichen Aspekt geniesst auch Beno Staub, der für das Line-up zuständig ist. «Ich stelle das Programm zusammen. Dabei gibt es keine Vorgaben oder Rahmenbedingungen – die mache ich mir selber.» Einzig eine gute Mischung solle bestehen bleiben. «Wir sind kein Rock-Festival und auch kein Hip-Hop-Festival. Die Vielfalt ist uns wichtig.» Das Line-up spiele sowieso nicht unbedingt eine wichtige Rolle. Denn die Leute kämen in erster Linie wegen der Festivalstimmung.

«Die beteiligten Helfer feiern sich und das Fest, welches sie auf die Beine gestellt haben», erzählt Mediensprecher Glauser. Auch daher rühre mitunter ihr Engagement. Er fügt an: «Wir machen das für die Besucher, für die Freiwilligen und für die gute Stimmung. Wir erschaffen eine optimale Welt hier oben. Man bekommt etwas für seinen geleisteten Einsatz, das ist aber nichts, was man mit nach Hause nehmen kann.»

«Aufbauzeit ist schönste Zeit»

«Für den Kopf ist es die reinste Erholung», ergänzt Beno Staub. «Von körperlicher Erholung kann zwar keine Rede sein. Aber es lässt sich super vom Berufsalltag abschalten.» Es komme durchaus ein Lagerfeeling auf, wenn sich die OK-Mitglieder und Helfer auf dem Gelände eine Zeltstadt aufbauen und während einiger Wochen hier leben würden. «Wir haben alles da, was es braucht. Essen, einen Pool für die heissen Tage und Bier. Die Aufbauzeit ist die schönste Zeit», sind sich alle einig.

Ganz grundlegend wollen sich die Jungs vom OK aber dennoch nicht in den Mittelpunkt stellen. «Wir halten das Ganze zusammen, aber letztlich steht und fällt das Festival mit den freiwilligen Helfern.» Dieser «kunterbunte Haufen» aus Hilfsleuten sei der Schlüssel. «Es sind oftmals ehemalige Festivalbesucher, die im darauffolgenden Jahr ihre Unterstützung anbieten. Die meisten sind aus der Umgebung, wir hatten aber auch schon Leute aus Australien – nicht zu vergessen unseren Quoten-Iren, der immer wieder kommt und sich aufopferungsvoll um die Künstler kümmert», erzählen sie im Kollektiv.

Wunsch, dass Material wieder abgeholt wird

Und was wünschen sich die drei für die Zukunft? «In logistischer Hinsicht wäre es schön, wenn alles Material gebracht und wieder abgeholt werden würde. Das wäre durchaus eine Erleichterung», sagt Benjamin Kohler. Mediensprecher Glauser ergänzt: «Ich hoffe, dass auch in Zukunft gute Leute gefunden werden, die den Kahn auf diesem Kurs weitersteuern. Und dass wir auch weiterhin auf die Unterstützung von behördlicher Seite zählen können.»

Sie haben keine Angst davor, dass der kommerzielle Aspekt des Festivals überhand nehmen wird. «Werbung kommt nicht auf Platz», zitiert Staub ihr Credo. Das werde auch so bleiben, denn: «Darauf beruht unser Erfolg. Durch eine Kommerzialisierung würde viel Freiheit verloren gehen. Die Unterstützung durch den Verein und die Helfer wären weg», ist der Programmleiter überzeugt. Sie seien deshalb zuversichtlich, dass es das Waldstock auch in zehn Jahren noch geben wird – und zwar in dieser Form. «Anders, aber gleich», bringt es Glauser auf den Punkt.

«Durch eine Kommerzialisierung würde viel Freiheit verloren gehen.»

Programmleiter Beno Staub

Ein zweiter Rundgang zum Abschied zeigt, dass für die Bezifferung der anwesenden Helfer auf dem Gelände mittlerweile bereits zwei Hände nötig sind. Vielleicht liegt es an der fortgeschrittenen Stunde. Vielleicht an der Sonne, die zögerlich hinter den Wolken hervorschaut. Auf jeden Fall sind die anwesenden Helfer – so wenig es momentan sein mögen – mit Elan bei der Sache. Man kommt nicht umhin, zu glauben, dass es gut kommt mit dem Festival. Denn sie wissen, was sie tun – trotz freiheitlicher und lockerer Atmosphäre.

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