Luzern hat einen digitalen Hofladen

Wo man mitten in der Nacht Rüebli und Müesli kaufen kann

Könnte auch auf einem Bauernhof sein: Der Hofladen «Urban Foods» in der Stadt Luzern. (Bild: jwy)

Mit «Urban Foods» wollen zwei Luzerner Bio-Produkte von Bauernhöfen in der Stadt anbieten. Der Selbstbedienungsladen ist rund um die Uhr offen und der Einkauf läuft über das Smartphone. Wir haben uns reingeklickt.

Es ist Mittwochabend, 22 Uhr, und wir kaufen Rüebli, Kartoffeln und ein Müesli ein. Nicht im Bahnhof-Shopping, sondern im Hofladen mitten in der Stadt Luzern. Möglich macht’s das neue Angebot «Urban Foods», das Anfang September versuchsweise in der Zwischennutzung an der Claridenstrasse 1 gestartet ist.

Das Luzerner Start-up will frische Lebensmittel direkt vom Bauern ins Stadtquartier bringen. Das geht via Smartphone und Kreditkarte – und ganz ohne Personal im Laden.

Wer und was ist «Urban Foods»?

Hinter der Idee stecken Mariann Krausz und Lukas Fischer aus Luzern. Sie ist Marketing-Profi, er Internet-Unternehmer – beide sind Urban Gardener. Sie vereinen mit dem Angebot einige Bedürfnisse der urbanen Bevölkerung: Rund-um-die-Uhr-Angebot, bargeldlos, biologisch und regional – und das Ganze mit wenig Verpackung.

Der Standort in der Zwischennutzung ist für die beiden ein Test: «Anstatt ein detailliertes Konzept auszuarbeiten, entschieden wir uns, das einfach mal auszuprobieren», sagt Lukas Fischer. «Es ist für uns ein Laboratorium: Was funktioniert und was können wir verbessern?», ergänzt Mariann Krausz.

Nicht fancy, sondern funktional: Der urbane Hofladen ist rund um die Uhr offen. (Bild: jwy)

Was kann ich im digitalen Hofladen kaufen?

Im Angebot sind saisonale Gemüse und Früchte, aber auch Müesli, Risotto, Öle und Essig, die allesamt von Produzenten im Umkreis von 50 Kilometern kommen. Etwa vom Biohof Widacher in Malters, von der Biofarm-Genossenschaft in Kleindietwil aber auch aus stätischem Urban Gardening. Bei unserem Besuch sind etwa Mangold, Kartoffeln, Kürbis, Zuckerhut, Tomaten, Heidelbeeren oder Äpfel verfügbar.

Für Schnell-Shopper gibt es fixfertige Gemüsetaschen für 15 Franken. «Ziel ist, dass Kunden alles finden, um ein Menü zusammenzustellen», sagt Fischer. Er wünscht sich in Zukunft auch Milchprodukte, Eier und Fleisch. «Fleisch hat für uns Platz, wir sind in unserem Ansatz pragmatisch», sagt er. Auch bei der Verpackung denken die beiden nicht so extrem wie andere – das Müesli darf also in Plastik verpackt sein.

Was ist die Idee dahinter?

Bei der Herkunft sind Fischer und Krausz hingegen kompromisslos: Die Produkte müssen biologisch, lokal und fair produziert sein. «Für uns macht Bio erst Sinn, wenn es in der Region produziert wird», sagt er. Angetrieben wurden sie dadurch, dass vieles schiefläuft in der Nahrungsmittelindustrie – und es gleichzeitig immer mehr Leute gibt, die bewusst konsumieren. Fischer bleibt Realist: «Wir können nicht die Bio-Welt revolutionieren, aber kleine Schritte in die richtige Richtung machen.»

Und so kamen sie auf das Konzept, die Idee des Hofladens mit den Gewohnheiten der urbanen Bevölkerung zu koppeln. «Ausser dem Wochenmarkt gibt es fast keine Optionen, in der Innenstadt direkt vom Produzenten zu konsumieren», sagt Fischer. In Gebieten wie dem Littauerboden oder auf dem Sonnenberg hingegen gibt es die traditionellen Vorbilder: herkömmliche Hofläden.

Wie funktioniert der Einkauf?

Das Einkaufen geht schnell und bequem: Auf dem Handy surfen wir auf Urbanfoods.ch und registrieren uns einmalig mit Kreditkarte. Auf der zugehörigen App gibt's verschiedene Buttons: Türe öffnen, Sortiment ansehen, Produzenten kennenlernen.

Im kleinen Raum liegen die Produkte in Kisten bereit oder aufgereiht auf Gestellen. Aus einer Ecke überwacht eine Kamera das Geschehen, das auf Eigenverantwortung basiert. Auf einem Tisch steht eine Waage und Papiertüten hat’s auch.

Wir tippen die gewünschten Waren ins Handy, klicken auf «Einkaufen» und verlassen den Laden wieder. Die Bezahlung erfolgt automatisch, die Quittung kommt sogleich per Mail.

Wird das Angebot genutzt?

Für ein Fazit sei es noch zu früh, aber Urban Foods hat nach eigenen Angaben bereits rund 250 registrierte Nutzer. «Dieses Interesse hat uns überrascht», sagt Fischer. Nicht alle, aber immer mehr Leute kaufen tatsächlich auch ein – es gebe bereits einige Stammkunden.

Fischer ist realistisch: «Es muss natürlich noch mehr passieren, aber die Leute ändern ihr Einkaufsverhalten nicht sofort, das braucht seine Zeit.»

Im Moment ist «Urban Foods» noch eine Zwischennutzung an der Claridenstrasse – in Zukunft sollen fixe Standorte folgen. (Bild: zvg)

Wie geht’s weiter mit dem Projekt?

Nach der Testphase bis Ende September sollen fixe Ladenlokale entstehen. Lukas Fischer und Mariann Krausz denken nicht an klassische Verkaufsgeschäfte in der Innenstadt, sondern wollen in den Quartierzentren Fuss fassen. «Die Läden müssen nicht super fancy aussehen, sondern einladend und funktional sein», sagt Fischer. Noch ist Urban Foods ein Verein, in Zukunft soll das Konzept auch etwas abwerfen. «Wir machen das nicht ehrenamtlich, wir wollen ein nachhaltiges Geschäft aufbauen», sagt Fischer.

Bei den Preisen orientieren sie sich am Bio-Sortiment von Grossanbietern, wollen aber günstiger sein als herkömmliche Bio-Läden. Zudem will «Urban Foods» die Produzenten fair bezahlen. In Zukunft könnten die Produzenten direkt via App sehen, was gefragt ist und gezielt die Produkte liefern.

Kontrolle muss sein: Der digitale Hofladen «Urban Foods» wird mit Kamera überwacht. (Bild: jwy)
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1 Kommentar
  • Profilfoto von Klaus
    Klaus, 15.09.2019, 14:05 Uhr

    Tierprodukte verkaufen ist in diesem Fall nicht «pragmatisch». Weil, erstens verderben diese viel schneller und stinken dann auch schlimmer (im echten Geschäft würde das Personal das wegräumen). Ausserdem machen diese Sachen den Planeten kaputt, das ist schade.

    Statt umweltschädliche Produkte zu verkaufen, sollten die Inhaber lieber Rezepte liefern, die mit dem Angebot funktionieren. Man muss sich nicht jeder alten Gewohnheit anpassen, man kann auch neue Inspiration geben.

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