Mit tausend Plätzen

Wo eine Velostation zehnmal weniger kostet als in Luzern

Endlos reiht sich Velo an Velo an der Bahnhofstrasse – das soll sich mit der neuen Velostation Luzern ändern. (Bild: rob)

Luzern stimmt am 13. Februar über den Bau einer Velostation unter der Bahnhofstrasse ab. Kostenpunkt: 19,3 Millionen Franken. In anderen Kantonen waren vergleichbare Projekte massiv günstiger. Warum ist das so? zentralplus hat nachgefragt.

Unterirdische Velostationen gehören in den meisten grösseren Städten längst zum Alltag. Und es kommen immer mehr hinzu: Bern plant weitere grosse Stationen fast schon im Akkord, aus 4600 sollen bis ins Jahr 2030 rund 10’000 Plätze werden. Genf hat jüngst Velostation Nummer 17 eröffnet. Kapazität: 1000 Plätze. Beim Bahnhof Winterthur kam erst vor einem Monat die dritte Station für nun insgesamt 1600 Plätze dazu. Und auch hier sind weitere unterirdische Abstellplätze in vierstelliger Höhe bereits in Planung.

Die Kosten für die Plätze sind vergleichbar, besondere Umstände sorgen aber im Einzelfall für grosse Unterschiede. Bei den Velostationen mit 1000 oder mehr Plätzen das grösste Schnäppchen gemacht hat wohl Bern. Nur zwei Millionen Franken kostete der Bau der 2016 eröffneten Station Schanzenpost beim Bahnhof.

«Das ist kein Tippfehler, das war wirklich extrem günstig», sagt Karl Vogel, Leiter Verkehrsplanung der Stadt Bern, gegenüber zentralplus. «Da hatten wir das Glück, dass die Post ohnehin gebaut hat und wir die Velostation deshalb sehr günstig quasi ins Gebäude mit einfliessen lassen konnten», erklärt er. 

Velofahrerinnen laufen ungern

Bern gehört in Sachen Velostationen zu den Spitzenreitern in der Schweiz. Allein im Umfeld des Hauptbahnhofs befinden sich vier Velostationen für 2000 Velos. Unweit entfernt steht bei der Uni eine weitere für noch einmal 1000. Und fertig ist Bern noch lange nicht: Drei weitere Stationen für 5000 bis 8000 Velos sind bereits in Planung

«In Luzern hatte man bei der damaligen Bahnhofsplanung die Velos völlig vergessen und sucht jetzt nachträglich nach Lösungen.»

Karl Vogel, Leiter Verkehrsplanung der Stadt Bern

«Der Druck auf den Bahnhof ist seit sicher zehn, vielleicht sogar 20 Jahren unverändert hoch», sagt Vogel. So ist der Hirschengraben mittlerweile komplett mit Velos überstellt. «Dabei hat dieser Platz grosses Potenzial für das Stadtbild und die Aufenthaltsqualität.» Gleichzeitig bleiben in der grössten Velostation häufig Plätze leer: Velofahrer halten ihre Fusswege kurz.

Das Bild erinnert dabei an die Luzerner Bahnhofstrasse: Wie in Luzern wird auch die nächste Velostation in Bern direkt unter einer bis zum Bersten mit Velos verstellten Strasse geplant. 

80 Franken Monatsmiete pro Abstellplatz

Ein weiteres Projekt beim Berner Hirschengraben ist zudem gemäss Vogel eine Gelegenheit, «das Stadtbild rund um den Bahnhof attraktiv halten zu können.» Auch deshalb lässt sich Bern die nächsten Projekte einiges kosten, in dem sich die Stadt in die Liegenschaften für Velostationen einmietet: «Für die neue Velostation als Mieterin rechnen wir mit einem Mietpreis von 600 Franken pro Abstellplatz im Jahr», so Vogel.

Das sei natürlich sehr teuer, aber: «In Bahnhofsnähe sind die Mieten einfach so hoch, günstiger geht es heute nicht mehr.» Seit acht Jahren ist Vogel Leiter der Berner Verkehrsplanung, «und seit acht Jahren sind die Velostationen eines meiner Hauptgeschäfte».

Zuvor arbeitete Vogel in der Verkehrsplanung von Luzern, einer Stadt, der er bis heute verbunden geblieben ist. «In Luzern hatte man bei der damaligen Bahnhofsplanung die Velos völlig vergessen und sucht jetzt nachträglich nach Lösungen», sagt er. Die Kosten für die Velostation Luzern – über die demnächst abgestimmt wird – schätzt er als durchaus realistisch ein (zentralplus berichtete)

Genf testet Leitsystem aus den Niederlanden

Den Überblick in der Schweiz hat Valérie Sauter, bei Pro Velo Schweiz ist sie verantwortlich für Infrastrukturprojekte. Sie berät Gemeinden beim Bau von Velostationen, gibt Leitfäden heraus und beantwortet alle Fragen rund um Velostationen.

Ihrer Erfahrung nach sei es das zentrale Kriterium für eine Velostation, die gut genutzt sein soll, dass sie möglichst nahe am Bahnhof liegt. Die Grösse spiele für die Attraktivität einer Station keine Rolle. «Wobei es ab einer gewissen Grösse natürlich sinnvoll ist, dass eine Velostation befahrbar ist, damit die Fusswege nicht zu lang werden.»

Optional möglich seien Leitsysteme, die den Velofahrern den Weg zu noch freien Plätzen weisen. So eines testet gerade Genf in einer kleineren seiner 17 Velostationen. «Das hat Genf aus den Niederlanden übernommen», erklärt Sauter. Bewährt es sich, könnte es in Zukunft in anderen Stationen der Stadt eingesetzt werden.

Velostationen: Von gratis bis 150 Franken pro Jahr

Aus den Niederlanden kommt auch eine Idee, die Bern verfolgt: In einem Pilotprojekt plant die Stadt, die ersten 24 Stunden in einer oder mehreren Velostationen umsonst anzubieten. 

Die Nutzungspreise gehen in den Schweizer Städten weit auseinander. Während die ersten 24 Stunden meistens einen bis zwei Franken kosten, gibt es ein Jahresabo in Genf schon für 60 Franken, in Winterthur erst für 150 Franken. Und Zürich plant gerade ein «Velo-GA» für mehrere Parkhäuser, das nur 50 Franken kosten soll.

Auch in Zürich hatte die Stadt Glück

In Zürich findet sich unter dem Europaplatz beim HB übrigens eine weitere Velostation, die deutlich günstiger realisiert werden konnte als diejenige in Luzern. Doch wie in Bern sorgten auch hier günstige Bedingungen für tiefe Kosten: Die Velostation konnte in eine Grossbaustelle der SBB integriert werden. Viele Aufwände fielen so weg oder mussten wegen umliegenden Neubauprojekten ohnehin angegangen werden. 

Winterthur ist Luzern weit voraus

Spannend gestaltet sich die Situation am Bahnhof von Winterthur. Während die Stadt etwas mehr Einwohner hat als Luzern, wird ihr Bahnhof etwas weniger frequentiert (Luzern ist die Nummer drei in der Schweiz). Vor einem Monat hat der dritte unterirdische Veloabstellplatz eröffnet, die Pläne für Nummer vier und fünf sind bereits fertig.

Ähnlich wie in Bern und Luzern wird der Winterthurer Bahnhof von immer mehr Menschen mit dem Velo anstatt mit dem öV oder Auto angefahren. 1600 unterirdische Plätze gibt es, Tausende weitere Velos werden oberirdisch abgestellt. Thomas Hunziker vom städtischen Tiefbauamt verweist auf eine ausführliche Strategie, die die Stadt jüngst ausgearbeitet hat. Ihr Horizont reicht bis ins Jahr 2050, dann soll es insgesamt 10’000 Veloabstellplätze in Bahnhofsnähe geben.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Karl Vogel, Verkehrsplaner Stadt Bern
  • Gespräch mit Valérie Sauter, Pro Velo Schweiz
  • Gespräch mit Thomas Hunziker, Stadt Winterthur
  • Plattform Forum Velostation Schweiz
  • Strategiepapier der Stadt Winterthur
  • Artikel Berner Zeitung: Oben ein neues Parkregime, unten Gratisplätze in der Velostation
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4 Kommentare
  • Profilfoto von Christian A. Märki
    Christian A. Märki, 19.01.2022, 16:03 Uhr

    Im Hochbau errichtete Anlagen kosten deutlich weniger als in den Boden versenkte, und auf der Fläche eines Parkplatzes können bis zu 60 Bikes abgestellt werden. Vielleicht sollte man sich mal überlegen, ob man nicht nachhaltiger, günstiger und schneller ein Projekt mit Parktürmen planen und umsetzen sollte. Bin mir nicht sicher, ob die Verantwortlichen die Parktürme von v-locker.ch kennen und geprüft haben, die jetzt z.B. im Kanton Zürich gebaut werden?

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  • Profilfoto von Güterbahnhof Luzern
    Güterbahnhof Luzern, 19.01.2022, 15:58 Uhr

    Wieso macht man nicht eine Überdachung des Güterbahnhofes – wie in Chur die Postautostation.
    Da hätten tausende Velos Platz, wären oberirdisch, einsehbar, Bahnhof direkt.

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  • Profilfoto von Planer
    Planer, 19.01.2022, 10:55 Uhr

    Luzern bezahlt sehr teuer für die verkehrsplanerischen Sünden und Weglassungen aus dem letzten Jahrhundert. Auch hier wieder: Diese Velostation ist teuer, im schlechtestmöglichen Boden und ausserdem im direkten Perimeter der Hauptpostfundation und Reuss. Zudem verlaufen in der Bahnhofstrasse wichtige Werkleitungen.
    Dieses Projekt ist wahrlich nicht einfach zu realisieren, der hohe Preis also durchaus realistisch. Trotzdem braucht es Velostationen im Umfeld des Bahnhofs, die Nachfrage ist da und noch mehr Wildwuchs bei der Veloparkierung ist nicht erwünscht.

    Eigentlich tragisch:
    Um umweltfreundlichen Verkehr zu fördern, müssen erst einmal rund 2000 bis 2500 Tonnen CO2 alleine aufgrund der Beton- und Betonstahlproduktion (ohne Strassenaufbau, Baumaschinen und Weiteres) in die Atmosphäre geblasen werden, sollten die Abmessungen so bleiben.

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  • Profilfoto von Rudolf 1
    Rudolf 1, 19.01.2022, 05:23 Uhr

    Diese Kosten sind in Luzern an diesem sehr schwierigen Platz an der Reuss realistisch. Rund um den Bahnhof muss noch das Zehnfache an Velostationen errichtet werden. Auch hier geht das nur unter Strassen, und die sind alle dicht verkabelt.

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