Alter Ego: Die etwas andere Buchhandlung

Wo der Weihnachts-Stress keine Chance hat

Ein Blick von der Seitengasse aus: Alter Ego-Geschäftsführer und Mitinhaber Heinz Gérard schaut auf die geschäftigen Strassen der Luzerner Altstadt. (Bild: bra)

Sie ist wie eine stille Bastion im hektischen Weihnachts-Tamtam: Die unabhängige Buchhandlung Alter Ego. Sie pflegt seit zwanzig Jahren ein ausgesuchtes Sortiment an Philosophie, Kunst und Architektur. zentral+ hat den Geschäftsführer und Mitinhaber Heinz Gérard getroffen – und ist um einiges gescheiter geworden. 

Wenn draussen in der Luzerner Altstadt das Weihnachtsgeschäft zu brummen beginnt, wenn die Kassen klingeln und viele ihren Geschenken nachjagen, wirkt die Buchhandlung Alter Ego an der Mariahilfgasse schon fast wie eine stille Oase. In gemütlicher Atmosphäre und mit viel Platz kann man hier stöbern und Bücher entdecken, die man sonst in Luzern kaum findet. Alter Ego gehört mit der Buchhandlung Hirschmatt noch zu den einzigen unabhängigen Buchhäusern in der Stadt. 

«Unser Angebot hat sich seit der Anfangszeit nicht wirklich verändert.»

Heinz Gérard, Buchhändler

Inhaber und Geschäftsführer Heinz Gérard empfängt uns für das Gespräch an einem langen und leeren Tisch. Hier wird jedes Buch grosszügig präsentiert und lädt zum ungestörten Blättern und Lesen ein. «Die Weihnachtszeit geht bei uns ohne viel Lametta über die Bühne. Auch wir erzielen im Dezember höhere Umsätze, jedoch im Vergleich zu den übrigen Monaten in überschaubarem Rahmen», sagt der 56-jährige Buchhändler. 

Als Fachbuchhandlung setzt Alter Ego konsequent auf ein Spezialsortiment: Es umfasst vorwiegend Sachbücher aus den Bereichen Psychologie, Geschichte, Kulturgeschichte und Naturwissenschaften, geisteswissenschaftliche Fachliteratur mit den Schwerpunkten Philosophie und Soziologie sowie Bildbände aus den Gebieten Architektur, Kunst, Design und Fotografie.

 

«Unser Angebot hat sich seit der Anfangszeit nicht wirklich verändert», bemerkt Gérard. Verschiebungen habe es aber schon gegeben. So sei etwa das Interesse für Frauenforschung und Theologie zurückgegangen. Offensichtlich ist für den Besucher jedenfalls, dass das Sortiment mit grosser inhaltlicher Sorgfalt zusammengestellt wird.

Die etwas anderen Bestseller

Der Name «Alter Ego» – lateinisch für «das andere Ich» –  will den Perspektivwechsel betonen, der mit dem Lesen von Büchern möglich wird. Auf der Homepage findet sich denn auch ein Zitat von Niklas Luhmann, welches das Selbstverständnis dieser Buchhandlung auf den Punkt bringt: «Erst in dem Masse, als der Mensch nicht nur als Gegenstand in der Welt, sondern als alter ego ins Bewusstsein tritt, als Freiheit, die Dinge anders zu sehen und sich anders zu verhalten, wird die traditionelle Selbstverständlichkeit der Welt erschüttert, wird ihre Komplexität in einer ganz neuen Dimension sichtbar.»

«Wir konnten uns über die Jahre eine treue Stammkundschaft aufbauen.»

Die Bestseller-Liste von Alter Ego sieht dementsprechend auch ein bisschen anders aus als die gewohnte bei Ex Libris, Lüthy-Stocker und Co. So findet man etwa eine 5-bändige Werkausgabe über den Schweizer Architekten Peter Zumthor, die sich sehr gut verkauft habe. Oder Longseller wie die «Müdigkeitsgesellschaft» von Byung-Chul Han. Zur Zeit ebenfalls vorrätig ist auch die Jubiläums-Publikation zum geschichtsträchtigen Haus der Fachklasse Grafik «Rössligasse 12 – Eine Spurensuche durch 600 Jahre». 

Die Mischung aus privater und institutioneller Kundschaft

Wie kann man geschäftlich mit dieser Ausrichtung überleben? In einer Zeit mit E-Book-Konkurrenz und Gratiskultur im Internet? Wie besteht man neben den grossen Ladenketten und Marktplayern? «Wir konnten uns über die Jahre eine treue Stammkundschaft aufbauen», antwortet Gérard. Das seien beispielsweise Architekten, Studenten, Kunstinteressierte – oder ganz allgemein diejenigen, die das Buch als physisches Objekt nicht entbehren wollen.

«Wer das Besondere sucht, findet es hoffentlich hier, und beschaffen können wir fast alles. Auf den persönlichen Kontakt und die Beratung legen wir grossen Wert.» Für diese besonderen Dienstleistungen würde die Kundschaft gerne auch mal einen höheren Preis bezahlen.  

Als zusätzliche wichtige Einnahmequelle versorgt Alter Ego verschiedene Bibliotheken in der Region mit Fachbüchern. «Institutionelle Kunden wie die Zentral- und Hochschulbibliothek, Kantons- und Fachhochschulen etc. spielen für uns eine zentrale Rolle.» Klar habe es in der Geschichte von Alter Ego auch schwierigere Zeiten gegeben, sagt Gérard. Etwa die Aufhebung der Buchpreisbindung vor acht Jahren sei nach wie vor eine grosse Herausforderung. Seit der Gesetzesänderung darf der empfohlene Preis im Handel unterschritten werden, was besonders die kleinen Buchhandlungen trifft. Heute arbeiten drei Teilzeitangestellte abwechselnd im Laden.

 

Heinz Gérard ist als Buchhändler mit seinem profunden Wissen mittlerweile stadtbekannt. Am 29. November jährt sich die Gründung der GmbH nun zum zwanzigsten Mal. «Weitere zwanzig Jahre stehe ich wohl nicht mehr hier im Laden», lacht Gérard, «aber ich hoffe natürlich, dass unser Geschäftskonzept noch lange geschätzt wird. Bücher sind heute schon für manche Kunden Sammelobjekte – oder fast schon Luxusgüter. Ein knappes Gut mit höherem Preis.»

Wer weiss, vielleicht werden die Weihnachts-Shopper auf der Suche nach dieser besonderen Art von Luxusgütern schon bald einen Abstecher in die Mariahilfgasse machen.

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