Universität Luzern

Wirtschaftsfakultät: Sponsoring wirft Fragen auf

Die Universität Luzern will wachsen. (Bild: Marc Benedetti)

Der Kanton Luzern will sich finanziell nicht am Aufbau einer Wirtschaftsfakultät beteiligen. Die Uni muss deshalb auf Sponsorensuche gehen und die nötigen 5 Millionen Franken selber auftreiben. Fundraising für eine öffentliche Institution? Wissenschaftler aus Bern und Zürich, Erstunterzeichner des so genannten Zürcher Appells, stellen die Frage der Unabhängigkeit von Lehre und Forschung. Was raten sie der Uni Luzern? Und was sagt der Rektor Paul Richli dazu?

Die Kritik kommt quasi von innen: Anfang Jahr haben 27 Wissenschaftler in einem öffentlichen Appell die wachsende Bedeutung des Uni-Sponsorings durch Unternehmen kritisiert.

Bei den Erstunterzeichnern handelt es sich um amtierende und emeritierte Uni-Professoren aus der Schweiz, Deutschland und Österreich. Mittlerweile haben 1400 Personen den «Appell für die Wahrung der wissenschaftlichen Unabhängigkeit» unterschrieben. Er wird auch Zürcher Appell genannt.

«UBS-Institut» an der Uni Zürich

Entzündet hat sich die Kritik an einem 2012 bekannt gewordenen Sponsoring-Abkommen der Universität Zürich mit der UBS. Die Grossbank versprach der Hochschule 100 Millionen Franken und durfte dafür das «UBS International Center for Economics  in Society» an der Uni einrichten. Das UBS-Center ist mittlerweile in Betrieb und dem Zürcher Institut für Volkswirtschaftslehre angegliedert. Es wird laut der Webseite durch eine Stiftung unter dem Vorsitz von alt Bundesrat Kaspar Villiger «überwacht und finanziert».

Die Kritiker sehen in der Kooperation einer staatlichen Universität mit der Grossbank die in der Verfassung geschützte Freiheit von Lehre und Forschung gefährdet und monieren die Kooperation und das Eingehen eines Sponsorings mit «Institutionen, die in der Öffentlichkeit mit Skandalen und unethischem Verhalten assoziert werden».

Berner Professor: «Unabhängigkeit gefährdet»

Einer der Wortführer des Widerstands ist der Berner Staatsrechtler und Professor Markus Müller. «Für mich besteht die Hauptgefahr solcher Sponsoring-Vereinbarungen darin, dass die Universitäten den Anschein ihrer Unabhängigkeit verlieren. In der Öffentlichkeit kann rasch der Eindruck entstehen, dass die Wahl der Forschungsthemen und die Ergebnisse der Forschung durch Externe beeinflusst werden.»


Bruno S. Frey: «Die Schere im Kopf ist unangenehm»

Diese Meinung teilt auch ein zweiter Erstunterzeichner des Zürcher Appells, Bruno S. Frey. Er ist emeritierter Professor für Volkswirtschaftslehre der Universität Zürich. «Das Engagement der UBS in Zürich war sehr dominant. Das führte dazu, dass sich einzelne Dozenten einer Grossmacht gegenüber sahen. Man wird in diesem Fall als Dozent sehr zurückhaltend mit Äusserungen.»

Laut Frey haben Blogeinträge dies bestätigt. «Studierenden ist aufgefallen, dass kein negatives Wort mehr über die UBS gesagt wurde.» Da die Uni Zürich auf Finance spezialisiert ist, sei das fatal für eine Universität. Die «Schere im Kopf» sei unangenehm und auch nicht zu vermeiden. «Ich finde es ausserdem persönlich unanständig, wenn man einen Sponsor kritisiert», fügt Frey hinzu.

Die Zentralschweiz braucht gut ausgebildeten Nachwuchs

Bruno S. Frey ist nicht nur Zürcher, sondern auch eng mit Luzern verbunden – als Mitglied des Universitätsrats. Und die Universität Luzern beschäftigt sich derzeit ebenfalls mit Sponsoring: Denn der Kanton Luzern will sich finanziell nicht am Aufbau einer geplanten Wirtschaftsfakultät beteiligen, also müssen andere Geldgeber her. 

Frey hofft nach wie vor auf einen Sinneswandel der Luzerner Politiker. «Ich würde es sehr begrüssen, wenn der Kanton die Universität grosszügiger unterstützen würde.» Für die Zentralschweiz sei es entscheidend wichtig, gut ausgebildete Berufsleute hervorzubringen. «Sonst können wir in Zukunft nicht mithalten mit den BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien oder China», sagt Bruno S. Frey.

Je mehr Drittmittel, destso mehr zahlt auch der Bund

Ein Hauptproblem, das die Hochschulen dazu «verleite», Mittel zunehmend von Dritten zu holen, sieht der Berner Staatsrechtler Markus Müller unter anderem im Verhalten des Staates: «Der Staat kürzt laufend die Mittel und setzt die Unis dadurch enorm unter Druck.» Zudem, so Müller weiter, setze das Universitätsförderungsgesetz des Bundes einen falschen Anreiz.

«Danach erhält eine kantonale Universität nämlich umso mehr Bundesgelder, je mehr Drittmittel sie selber einwirbt.» Gemäss Markus Müller hat der Zürcher Appell viele Diskussionen ausgelöst, die man jetzt in geordnete Kanäle leiten wolle. Man habe Bundesrat Johann Schneider-Ammann einen Brief geschrieben. Positiv findet der Berner, dass die Akademie der Wissenschaften eine Arbeitsgruppe bilden will, die Sponsoring-Regeln erarbeitet. Gefordert seien aber auch die Bildungspolitiker.

Luzern sei sicherlich ein anderer Fall als Zürich, sagt Müller. «Wenn die Wirtschaftsfakultät als Ganzes von verschiedenen Sponsoren unterstützt wird und die Universitätsleitung bestimmt, wie die Gelder intern genau eingesetzt werden, sehe ich weniger ein Problem, als wenn einzelne Forschungsprojekte oder ganze Lehrstühle durch einen einzigen Sponsor finanziert werden.» Schenkungen von Stiftungen und Mäzenen seien aus Sicht des Zürcher Appells ebenfalls unproblematisch. «Diese Geldgeber verfolgen ja in der Regel kein eigenes Forschungsinteresse», so Müller.

Von Unternehmen gesponserte Lehrstühle

Der Professor nennt Sponsoring-Beispiele an der Uni Bern, die aus seiner Sicht problematisch sein könnten für das Ansehen der Institution: Die von Novartis gesponserte Professur für Psychosomatik und Rehabilitation, eine von der Post gesponserte Professur für Informationswissenschaft und eine von der Mobiliar-Versicherung gesponserte Professur für Klimafolgenforschung im Alpenraum.

Müller: «Die Nähe zu einem Unternehmen erweckt rasch den Eindruck in der Öffentlichkeit, dass diese Hochschule sich nicht mehr kritisch mit dieser Branche auseinandersetzen will oder kann.»

Unirektor nicht gleicher Meinung

Was sagt der Rektor der Universität Luzern, Paul Richli, selbst emeritierter Professor und Jurist, zu den Befürchtungen der Wissenschaftler? «Ich teile die Ansichten des Zürcher Appells nicht, jedenfalls nicht für unsere Universität», sagt er auf Anfrage. Es sei nichts Neues, dass man die Frage nach den Abhängigkeiten stelle. Er sehe aber keine grosse Gefahr.

Paul Richli: «Ich will mich nicht in die Angelegenheiten der Universität Zürich einmischen. Aber es ist etwas anderes, wenn die Uni Zürich ein langfristiges Sponsoring über 100 Millionen Franken mit der UBS vereinbart oder wenn man zum Beispiel, wie beim Aufbau der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Luzern, ein auf fünf Jahre befristetes Sponsoring für den Aufbau einer Professor vereinbart.»

Sponsoring auf fünf Jahre begrenzt

Die Uni Luzern hatte zum Beispiel eine Professur, die nach der Gebert Rüf Stiftung benannt wurde (Anm.d.Red.: die Gebert Rüf Stiftung ist die grösste Wissenschaftsstiftung der Schweiz mit Geschäftssitz in Basel. Sie wurde gegründet vom verstorbenen Unternehmer Heinrich Gebert, Mitinhaber der Geberit-Gruppe.)

«Nach fünf Jahren war das Sponsoring abgeschlossen. Die Geldgeber haben keinerlei Einfluss genommen auf die Auswahl der Professoren oder den Fachinhalt», erklärt Paul Richli. An diesen Prinzipien wolle die Uni auch bei der Sponsorensuche für die Wirtschaftsfakultät festhalten.

Mit klaren Verträgen die Unabhängigkeit sichern

«Die Universität muss mit klaren Verträgen ihre Unabhängigkeit sichern. Bei langfristigen Vereinbarungen, zum Beispiel über 20 Jahre, sehe ich eher Risiken», sagt Richli. Und der Rektor fügt hinzu, in den USA sei Sponsoring an Universitäten gang und gäbe.

Wie muss man sich einen solchen Vertrag konkret vorstellen? Eine Firma spendet einen bestimmten Betrag für eine bestimmte Professur. Die Universität definiert, welche Professuren ins Konzept passen. Paul Richli: «Wir haben auch schon Vorschläge für Professuren abgelehnt, welche von Dritten unter Zusicherung von finanzieller Unterstützung vorgeschlagen wurden.»

Tatbeweis bei Juristischer Fakultät erbracht

Geht der Rektor gern oder ungerne auf Sponsorensuche? «Natürlich hätten wir lieber eine staatliche Finanzierung gehabt,» erklärt Richli, «aber wir sind gezwungen, das zu tun, weil der Kanton Luzern sich zurückzieht bei der Finanzierung des Aufbaus der Wirtschaftsfakultät.» Als das Konzept der Fakultät 2012 im Kantonsrat behandelt wurde, sei die Finanzierung durch Drittmittel noch kein Thema gewesen.

Die Uni habe im übrigen bereits viel Erfahrung im Fundraising. «Wir haben die 2001 eröffnete Rechtswissenschaftliche Fakultät auf diese Weise aufgebaut und den Tatbeweis erbracht, dass wir das können, ohne dass Donatoren Einfluss auf Lehre und Forschung nehmen.»

Bisher nur Absichtserklärungen

Gemäss Richli läuft die Sponsorensuche für die Wirtschaftsfakultät an. «Zuerst musste der Universitätsrat unseren Businessplan akzeptieren. Das ist jetzt geschehen. Wir führen nun erste Gespräche mit Firmen und Institutionen. Aber bisher haben wir keine grosse Suchaktion gestartet.» Feste Zusicherungen habe er keine, bloss Absichtserklärungen.

Zuständig für die Sponsorensuche sind Paul Richli und der Sponsoring-Verantwortliche Erich Platter. Aber auch einzelne Mitglieder des Universitätsrats werden sich laut dem Rektor bei der Suche engagieren.

Paul Richli betont, dass die Universitätsleitung bewusst mehrere Sponsoren sucht und nicht nur einen. «Wir wollen das Fundraising möglichst diversifizieren», erklärt der Rektor, «damit ist die Gefahr einer Abhängigkeit geringer als wenn es nur ein Sponsor wäre.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von rahel.estermann
    rahel.estermann, 16.04.2013, 01:14 Uhr

    Das ist wieder mal typisch Kanton Luzern: Tolle Pläne, man will im Sinne der «Standortqualität» etwas bieten – aber die nötigen Finanzen dazu sprechen, leider nein. Die gleiche Geschichte auch im Bereich Immobilien, Strassen, …

    Grundsätzlich meine ich aber: Ob die Uni Luzern nun für ihre neue Fakultät noch Sponsoren suchen muss, macht den Braten auch nicht mehr feiss. Die Universitäten – alle – unterliegen seit längerem immer stärker den Gesetzen der Ökonomie. Wer nicht mehr forscht, was auch gesellschaftlich und pekuniär honoriert wird, sitzt bezüglich Finanzen bald auf dem Trockenen.

    Und wir schaufeln uns damit bald unser eigenes Grab.

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