Ein polarisierendes Projekt

Zwei Zentralschweizer lancieren alkoholfreien Gin – ohne missionarisch zu sein

Janick Planzer (l.) und Christof Tremp sorgen mit ihren Alkohol-Alternativen für ein Schweizer Novum. (Bild: wia)

Wer fährt, trinkt Wasser? Nicht mehr lange. Ein Chamer und ein Nidwaldner wollen mit ihrem Startup ein Schweizer Novum schaffen: Gin, Rum und Aperitiv, der ganz ohne Alkohol auskommt. Nicht allen behagt die Idee.

Oft ist es dieser eine Drink. Dieser letzte Gin Tonic vom Vorabend, den man am nächsten Tag, noch im Bett liegend, zutiefst bereut. Hätte man doch gescheiter ein Wasser getrunken.

Bloss: Wasser trinken, während alle rundum schöne Longdrinks schlürfen, ist schwierig und wirkt schon beinahe rebellisch. Wer nicht trinkt, wird nicht selten darauf angesprochen. Aufregende, alkoholfreie Alternativen gibt es ausserdem wenige. Bis jetzt.

Christof Tremp und Janick Planzer wollen das nämlich ändern. Obwohl die beiden Männer Zentralschweizer Wurzeln haben, treffen wir die Unternehmer an der Zürcher Langstrasse zu einem Interview. Natürlich in einer Bar. Auf dem Tischchen vor uns drei Flaschen. Gin, Rum und Aperitiv.

Wir werden im Verlauf des Gesprächs alle drei testen. Dennoch beenden wir das Interview eine Stunde später stocknüchtern. Diese Spirituosen bestehen nämlich – wie der Firmenname «Rebels 0.0 %» vermuten lässt – aus 0,0 Prozent Alkohol. Planzer erklärt: «Dass sie nicht einmal 0,2 oder 0,4 Prozent Alkohol enthalten, ist ein sehr bewusster Entscheid. So ist es auch möglich, sich einen Drink zu genehmigen, wenn man aus religiösen oder gesundheitlichen Gründen keinen Alkohol trinkt.»

«Wir sind überhaupt nicht gegen den Konsum von Alkohol und wollen mitnichten missionarisch sein.»

Die Gründer von Rebel 0.0 % über ihr Projekt

Und doch ist es den beiden wichtig zu betonen: «Wir sind überhaupt nicht gegen den Konsum von Alkohol und wollen mitnichten missionarisch sein. Doch soll man nicht immer Alkohol trinken müssen, nur weil die Auswahl an Non-Alkohol so eingeschränkt ist.»

Insbesondere, so erklärt Tremp, da es durchaus im Trend liege, weniger Alkohol zu konsumieren. «Millenials trinken 20 Prozent weniger davon als die früheren Generationen. Viele von ihnen versuchen, gesünder und bewusster zu leben.»

Die ersten Schweizer auf dem Markt

Zwar gibt es auf dem internationalen Parkett bereits ähnliche Produkte, etwa den alkoholfreien Gin Siegfried Wonderleaf. Doch sind Tremp und Planzer die ersten Schweizer, die diesen Schritt wagen und erst noch in der Schweiz produzieren.

Trotz grossem Anklang sei es ein Projekt, das polarisiere, sagt Planzer zu Rebels 0.0 %. «Das merkt man nicht zuletzt an gewissen Kommentaren auf Social Media.» Die Diskussionen seien jenen nicht unähnlich, welche derzeit bezüglich Fleischalternativen geführt werden. «Dabei wollen wir mit unseren Produkten die bestehenden Traditionen gar nicht angreifen», sagt Tremp.

Wie kams überhaupt dazu, dass sich die beiden Zentralschweizer diesem sehr neuen Markt annehmen? «Nicht die Erleuchtung, aber die Idee, alkoholfreie Alternativen zu bekannten Spirituosen zu produzieren, hatte ich während einer 600 Kilometer langen Wanderung auf dem Jakobsweg.» Seit seiner Rückkehr aus Spanien setzt sich der gebürtige Nidwaldner hauptberuflich für sein Projekt Rebels 0.0% ein.

Was Tremp bei seinem Unterfangen zweifelslos zugute kommt: Seine langjährige Erfahrung im Bereich Corporate Marketing, zuletzt als Leiter Marketing bei Lindt & Sprüngli.

Die Spirituosenbranche fürchtet sich nicht

Etwas später stiess dann der gebürtige Luzerner Janick Planzer zum Projekt. Planzer kennt sich prima aus in der Welt der Bars und Spirituosen. Er ist Mitinhaber der Bar Kaspar in Luzern und arbeitet hauptberuflich als Brand Manager für Hendrick’s Gin bei einem Schweizer Spirituosenproduzenten.

Ist es nicht etwas paradox, sich gleichzeitig für non-alkoholische Drinks einzusetzen? «Nein, ich finde überhaupt nicht», sagt Planzer. «Immer mehr realisiert auch die Spirituosenbranche, dass es diesen Trend gibt und er seine Berechtigung hat. Meine Vorgesetzten etwa denken da sehr fortschrittlich und finden solche Produkte gut.» Tremp ergänzt: «Zudem gibt es Studien, die aufzeigen, dass an Bars nicht weniger Gin verkauft wird, nur weil auch alkoholfreie Alternativen angeboten werden.»

Höchste Zeit, die Produkte zu testen, über die wir bereits eine halbe Stunde reden. Tremp schenkt etwas alkoholfreien Gin in einen kleinen Becher, mischt ihn mit Tonic und setzt uns den winzigen Drink vor.

Und so schmecken die Getränke

Bitter ist das Getränk, etwas bitterer, als wir uns das vom üblichen Gin Tonic gewohnt sind. Neben dem typischen Wacholder-Goût ist auch eine Grapefruit-Note zu erkennen. «Beim Gin haben wir bewusst keinen Zucker zugefügt. Denn auch das gehört zum gesellschaftlichen Trend. Dass man versucht, weniger Kalorien zu sich zu nehmen», sagt Tremp.

Als Nächstes testen wir eine analkoholische Rum-Cola-Version. Diese schmeckt süss, nach Zuckerrohr und ein wenig nach Eiche. «Den Eichengeschmack haben wir mit Rinde zugesetzt», sagt Planzer. Ein abschliessendes Urteil ist schwer zu fällen, denn süsse Getränke und insbesondere Rum sind nicht das, was uns in Euphorie versetzt.

«Das leichte Kratzen im Hals haben wir mit einem kleinen bisschen Chili-Extrakt nachzuahmen versucht.»

Christof Tremp, CEO von Rebels 0.0%

Es folgt das rote Aperitivgetränk aus Wermutkraut und roten Trauben, das in unserem Fall mit Tonic gemischt wird. Durchaus erfrischend, etwas bitter, hübsch rosa noch dazu. Dass es keinen Alkohol enthält, merkt man tatsächlich kaum.

Tremp dazu: «Spirituosen verursachen im Abgang ein leichtes Kratzen im Hals. Dieses haben wir mit einem kleinen bisschen Chili-Extrakt nachzuahmen versucht.»

Wie man nur darauf kommt? «Trial and Error», sagt er knapp. Fast ein Jahr lang tüftelten die «Rebels» mit Hilfe von Lebensmitteltechnologen, bis sie die passenden Geschmäcker erreicht hatten. «Das war eine extrem spannende Zeit.»

Im Wallis produziert

Produziert werden die drei Alternativ-Getränke im Kanton Wallis, «und zwar in einem Doppel-Destillier-Verfahren», sagt Tremp stolz. Indem man die sogenannten Botanicals, also die beigefügten Gewürze, zweimal mitdestilliere, erhalte man selbst ohne Alkohol intensive Aromen. «Die Entwicklung der Getränke war insofern herausfordernd, da wir nirgends nachlesen konnten, wie so etwas geht. Es gibt ja noch keine Vorlagen», sagt Tremp.

Warum eigentlich setzen Rebels 0.0 % gerade auf die drei Produkte Gin, Rum und Aperitiv? Planzer dazu: «Ganz einfach. Sie gehören zu den populärsten Spirituosen. Doch kann es gut sein, dass wir unser Sortiment noch ausweiten. Das hier ist erst der Anfang.»

«Besonders erfreulich ist, dass wir die Hälfte der Unterstützer nicht persönlich kennen. Das bestätigt uns in unserem Tun.»

Christof Tremp

Damit die Produktion von Rebels 0.0 % ins Rollen kommt, zählen die beiden Unternehmer auf die Unterstützung der Masse. Bisher erfolgreich. Der lancierte Crowdfunding-Vorverkauf, welcher noch bis am 24. November läuft, läuft gut. 20'000 Franken waren das Ziel, gesammelt wurden bereits rund 46'000 Franken. «Besonders erfreulich ist, dass wir die Hälfte der Unterstützer nicht persönlich kennen. Das bestätigt uns in unserem Tun», sagt Tremp.

Geplant ist, die Produkte im Januar zu lancieren. «Das passt gut zum ‹Dry January›, den viele nach den alkohollastigen Feiertagen mitmachen», so der Geschäftsführer Tremp.

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4 Kommentare
  • Profilfoto von philippebucher
    philippebucher, 25.11.2020, 10:12 Uhr

    Bin gespannt auf ein Update im Januar und den Lokalen, wo diese Produkte bald angeboten werden. Im Ausgang besteht eigentlich für mich nur die Wahl zwischen Wasser oder El Tony, ein bisschen Abwechslung würde gut tun.

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  • Profilfoto von Gander
    Gander, 23.11.2020, 08:59 Uhr

    Ja gute Idee.
    Jedoch stelle ich nachdenklich fest, dass bald alles nur noch durch oder mit Crowdfunding finanziert wird.
    Hätte unsere Generation so funktioniert wäre unsere „reiche Schweiz“ nie so reich geworden.
    Haben die jungen Leute von Heute keinen Stolz mehr etwas alleine zu schaffen ?
    Wollen sie ein Leben lang moralisch und ethisch abhängig sein ?

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  • Profilfoto von Andreas
    Andreas, 21.11.2020, 23:20 Uhr

    Hört sich spannend an. Den alkoholfreien Wonderleaf Gin habe ich mir im Laden tatsächlich auch schon angeschaut. Aber da ich mir nicht vorstellen konnte wie es wirklich schmeckt, habe ich dann keinen gekauft. Darum mein Tipp: Den Kunden in Verkaufsstellen und Bars zum probieren geben! Und in der Gastronomie sollten die Preise für solche Getränke dann preislich eher im non-alkoholischen wie im alkoholischen Bereich sein. Bis CHF 10.- für einen alkoholfreien Gin Tonic fände ich z.B. als Alternative gut, bei mehr würde ich dann glaubs doch lieber ein Cola nehmen.

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    • Profilfoto von Mroadrootk
      Mroadrootk, 22.11.2020, 10:42 Uhr

      Also Tee würde ich vorziehen.
      Mehr ist der alkoholfreie Gin auch nicht.

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