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Sie gehören zu den wichtigsten Playern im Kanton Zug: die Korporationen. Trotz mittelalterlichen Strukturen und enorm viel Grundbesitz leisten sie einen beträchtlichen Teil für das öffentliche Leben. Aber ist eine 500-jährige Korporation heutzutage noch zeitgemäss?
Vor Jahren glaubte ein in Zug ansässiger Amerikaner das Geheimnis um die Korporationen gelüftet zu haben. Er fragte den Präsidenten der Korporation Zug, wie viele Ölquellen sich denn in deren Besitz befänden. Die stutzige Antwort des Präsidenten: «Keine.» Eine Korporation sei nämlich nicht mit den in Amerika auf dem Ölmarkt präsenten «Corporations» gleichzusetzen. Kein Öl also. Aber wofür steht eine Korporation denn? Eine Erklärung scheint Not zu tun, nicht nur für Amerikaner.
Korporationen als öffentlich-rechtliche Gemeinden
In der Zentralschweiz haben Korporationen den Status von öffentlich-rechtlichen Gemeinden, auf der gleichen Ebene wie die Bürger- und Einwohnergemeinden. Diese «parastaatlichen» Gesellschaften unterstehen zwar dem Gemeindegesetz, können jedoch ihre Statuten autonom bestimmen. Der Kanton Zug zählt dabei zu jenen Kantonen, in denen Korporationen nach wie vor sehr präsent und einflussreich sind. Insgesamt zählt Zug zehn Korporationen, deren Mitgliederzahlen zwischen zwei und knapp 5000 variieren. Zusammen sind es rund 15’000 Mitglieder. Die bedeutendste ist die Personalkorporation Zug.
Als Korporationen werden in der Schweiz exklusive Gesellschaften bezeichnet, die ihren Grundbesitz untereinander teilen, gemeinsam nutzen und bewirtschaften. Hauptsächlich wird zwischen Personal- und Realkorporationen unterschieden. Bei einer Personalkorporation beruht die Mitgliedschaft allein auf der Person beziehungsweise auf dem Nachnamen. Wer eines der Korporationsgeschlechter im Namen trägt – durch direkte Abstammung, Heirat oder Adoption – hat Anspruch auf das Korporationsbürgerrecht. In einer Realkorporation hingegen wird das Bürgerrecht aufgrund vom Grundeigentum vergeben. Wer ein Korporationsgrundstück bestitzt, ist automatisch Mitglied.
Kein Mitglied besitzt mehr als das andere
Die Korporationen haben eine sehr hohe Bedeutung für Gemeinden und Kanton, da sie über sehr viel Grundbesitz verfügen. So ist praktisch die gesamte Waldfläche im Kanton Zug – knapp 3900 Hektaren – im Besitz der Korporationsgemeinden. Daneben verwalten sie einen Grossteil der Fischerei sowie Weide- und Bergflächen. Seit neuerer Zeit gehört zudem die Verwaltung von Liegenschaften auf Korporationsgebiet zu den primären Aufgaben. Der Nutzen, der sich aus diesen Besitztümern ergibt, wird ausnahmslos geteilt. Sprich: Kein Mitglied besitzt mehr als das andere. Am Ende des Jahres wird eine sogenannte Nutzungsauszahlung an jedes Mitglied überwiesen. Jedoch handelt es sich bei diesem Betrag meist um einen symbolischen. Die Korporation Zug beispielsweise zahlt seinen Bürgern 100 Franken im Jahr.
Wer so viel Grund besitzt, hat Macht. Aber ist diese Macht legitim? Und vor allem: Ist diese mittelalterliche Gesellschaftsform noch zeitgemäss? Urban Keiser, Präsident der Korporation Zug, sagt dazu: «Natürlich sind wir noch zeitgemäss. Solange die Korporationen gesetzlich verankert sind, sind sie auch legitim.»
Und trotzdem bekommen die Körperschaften den Zahn der Zeit zu spüren. 2012 entschied das Bundesgericht, dass die Korporation Zug ihre Statuten zu ändern habe und das Grundrecht auf Gleichbehandlung gewährleisten müsse. Konkret bedeutet das, dass Frauen, die ihren Nachnamen aufgrund einer Heirat abgeben, das Genossenrecht trotzdem weiter vererben dürfen und ihre Nachfahren Anrecht auf eine Mitgliedschaft in der Korporation haben, ohne einen der 36 exklusiven Nachnamen zu tragen. Ein Meilenstein, nach fast 500 Jahren patriarchischer Strukturen.
«Ja, wir haben Macht»
Die Korporation Zug nahm das Bundesgerichtsurteil zähneknirschend entgegen. Trotzdem könne man das Urteil nachvollziehen und habe auch gleich die Statuten dahingehend angepasst: «Frauen haben bei uns denselben Stellenwert wie die Männer. Wir haben sogar eine Frau im Verwaltungsrat», so Urban Keiser. Gut, das Rollenverständnis scheint zeitgemäss zu sein. Aber was ist mit dem grossen Einfluss aufgrund des enormen Grundbesitzes, der sich seit dem Mittelalter kaum verändert hat?
Keiser zögert kurz, sagt dann aber bestimmt: «Ja, wir haben Macht. Aber nur auf unsere eigenen Grundstücke. Vor Machtmissbrauch brauchen wir uns nicht zu fürchten, da alle Mitglieder bei uns genau gleich viel besitzen.» Man arbeite sehr eng mit der Stadt und dem Kanton Zug zusammen und würde ihre Anliegen stets berücksichtigen, so Keiser. Zudem würden die Korporationen keine Steuern erheben, dafür jährlich aber 500’000 Franken an Steuern abgeben. Schliesslich profitiere die Allgemeinheit insbesondere von der gemeinnützigen Arbeit, die sie leisteten. Die Korporation Zug bewirtschaftet beispielsweise rund 1000 Hektaren Forst. Davon profitiere vor allem die Öffentlichkeit. «Früher konnten wir uns alleine von der Forstwirtschaft finanzieren. Das hat sich geändert», sagt der Korporationspräsident.
Immobiliengeschäft wird immer relevanter
Damit spricht Urban Keiser die Entwicklung eines neuen Geschäftszweiges der Korporationen an: Das Geschäft mit Liegenschaft. «Da immer mehr gebaut wird, verwalten wir zunehmends Immobilien.» Aber auch hier herrscht der soziale Gedanke, denn die Liegenschaften werden zu preisgünstigen Bedingungen vermietet, ohne Spekulationen oder übertriebene Gewinnmargen. Zwar gehöre die Forstwirtschaft nach wie vor zur wichtigsten Aufgabe der Korporation Zug, aber das Immobiliengeschäft werde immer relevanter.
Uralte Strukturen, eine gefährlich hohe Autonomie und viel, viel Grundbesitz – und dennoch: Die Korporationen scheinen auch heutzutage nicht aus der Zeit gefallen zu sein. Sie übernehmen Verantwortung und leisten einen beträchtlichen Teil für das öffentliche Leben. Dabei regulieren sie sich durch das Gleichheitsprinzip selbst und beugen jeglicher Art von Machtmissbrauch vor. Trotzdem bleibt die Frage: Wie lange wird es Korporationen noch geben? Urban Keiser schmunzelt, sagt aber mit fester Überzeugung: «Noch geht es uns gut, und es ist nicht absehbar, weshalb sich das in Zukunft ändern sollte.» Sie wird also noch gebraucht, die Macht im Hintergrund.