ZKB hat keine Angst vor Online-Konkurrenz

Zuger Kantonalbank-Chef: «Die Globalisierung ist abgeschlossen»

Pasqual Niquille, CEO der Zuger Kantonalbank und VR-Präsident bei Aduno.

 

(Bild: Zuger Kantonalbank / Collage zentralplus)

125 Jahre alt ist die Zuger Kantonalbank. Und muss sich trotzdem mit modernster Konkurrenz herumschlagen. CEO Pascal Niquille sagt im Interview, warum ihm Bank-Startups nicht gefährlich werden können, und wo die tatsächlichen Herausforderungen liegen.

Eine Kantonalbank ist ein Stück kantonaler Identität. 125 Jahre lang gibt es die Zuger Kantonalbank – und sie hat in dieser Zeit einiges durchgemacht. Nur schon in den letzten Jahren: eine Total-Renovation, einen Brand, einen Umzug, Negativzinsen, den wildgewordenen Zuger Immobilienmarkt. Und auch in Zukunft stehen grosse Herausforderungen an. Besonders eine, wenn es nach ZKB-CEO Pascal Niquille geht.

zentralplus:  Die Zuger Kantonalbank ist eine Bank der Bevölkerung – gehört auch zu einem grossen Teil den Steuerzahlern. Aber kann eine Bank gleichzeitig die Bedürfnisse der Bevölkerung und die von internationalen Konzernen bedienen, die den Kanton Zug stark prägen?

Pascal Niquille: Nein, das geht nicht gleichzeitig. Aber bei uns ist es «der obere Bereich», der fehlt – wenn man den so nennen will. Die Zuger Kantonalbank ist die Bank für alle. Die Dienstleistungen, die internationale Konzerne benötigen, können wir als lokale Bank gar nicht anbieten. Wir haben 117’900 Kunden im Moment. Davon sind rund 80’000 ganz normale Kunden: Menschen, die bei uns ein normales Lohnkonto für den täglichen Gebrauch und ein Sparkonto haben. Der grösste Teil unserer Kunden sind Privatpersonen und kleine und mittlere Unternehmen. Wir sind die Bank im Kanton Zug mit der grössten lokalen Verwurzelung.

«Was wirklich wichtig ist, werden die Menschen auch in Zukunft entweder selber machen oder jemandem anvertrauen, den sie kennen.»

zentralplus:  Das klingt selbstbewusst. Woran machen Sie das fest?

Niquille: Keine andere Bank ist derart kapillarisch in allen Gemeinden vor Ort, hat derart guten Kontakt zur Bevölkerung. Wir haben zu praktisch jedem Unternehmen und jeder Privatperson einen Kontakt, entweder indem sie schon bei uns ein Konto führen, bei anderer Gelegenheit mit uns zusammengearbeitet haben oder jemanden kennen, der uns wiederum gut kennt. Unsere grosse Aufgabe ist es, dieses Netzwerk noch konsequenter zu aktivieren. Denn wir haben zwar grosse Marktanteile, aber von hundert Prozent sind wir noch weit weg. (lacht)

zentralplus: Und gelingt Ihnen das? Immerhin ist die Anzahl der Kunden ja kleiner geworden.

Niquille: Es gelingt uns recht gut. Aber das Potential ist gross. In Bezug auf die Kunden: Man muss hier unterscheiden zwischen dem Buchgeld, das die Kunden uns anvertrauen, und Wertschriftendepots. Beides ist wichtig für uns. Im Umfeld von Negativzinsen müssen wir die Balance zwischen diesen beiden Bereichen halten. Da wir im Moment ab einer gewissen Freigrenze an Buchgeld bei der Schweizerischen Nationalbank Negativzinsen bezahlen müssen, müssen wir versuchen, unsere Kunden davon zu überzeugen, einen Teil ihres Geldes anders anzulegen.

«Nur bei einzelnen Anlegern mit zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen fordern wir als Alternative die Negativzinsen auch tatsächlich ein.»

zentralplus: Das heisst, Sie müssen Ihre Kunden davon abhalten, bei Ihnen Geld aufs Konto zu legen – und sie stattdessen ermuntern, auf eigenes Risiko zu investieren. Kommt das gut an?

Niquille: Naja, das gilt natürlich nicht für jemanden, der einige Tausend Franken bei uns auf dem Konto hat. Das bringt die Bilanz nicht aus dem Gleichgewicht. Aber wenn jemand kommt und über eine Million Franken auf ein Sparkonto legen will, dann sagen wir: Gerne. Aber wir müssen schauen, dass ein Teil des Geldes in den nächsten Monaten angelegt wird. Meine Erfahrung ist, dass sich das Verständnis für die Negativzinsen langsam in der Bevölkerung breitgemacht hat. Die Kunden verstehen, weshalb wir so agieren. Und nur bei einzelnen Anlegern mit zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen fordern wir als Alternative die Negativzinsen auch tatsächlich ein. Wir haben aber immer gesagt, das tun wir erst, wenn das Einfordern von Negativzinsen auf dem Markt allgemein anerkannt ist. Das wäre dann der Fall, wenn die Nationalbank die Zinsen etwa noch weiter senken würde – das müsste man als Aufforderung dafür werten, die Negativzinsen an die Kunden weiterzugeben.

zentralplus: Kann eine so lokal ausgerichtete Bank wie die ZKB im Zeitalter von Internet-Banking-Startups überhaupt bestehen? Immerhin werden gerade einige global einsetzbare Konkurrenzprodukte entwickelt: Reine Online-Banken etwa, oder Bezahldienste und Kryptowährungen.

Niquille: Es stimmt, dass solche Produkte und Unternehmen gegründet werden. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass das Vertrauen der Menschen in andere Menschen immer noch grösser ist, als das Vertrauen in Maschinen. Wir wollen für die Menschen hier ansprechbar sein, wir wollen ein Gesicht bieten. Das können solche automatisierten Angebote nicht. Sie sind anonym. Ich denke, die Globalisierung ist vorläufig abgeschlossen. Globalisierter wird es wohl nicht mehr werden. Vielleicht passiert nun das Umgekehrte, und die Welt wird wieder lokaler. Aber das, was wirklich wichtig ist, werden die Menschen auch in Zukunft entweder selber machen oder jemandem anvertrauen, den sie kennen. Denn das ist Wohlstand: Das Gefühl, dass man für die Zukunft gerüstet ist. Und das ist man nur, wenn das Ersparte in guten Händen ist.

zentralplus: Spüren Sie denn hier in Zug die Konkurrenz aus dem Internet?

Niquille: Wir spüren sie ein bisschen, aber nicht sehr stark. Dafür muss man zuerst unterscheiden, wo es diese Konkurrenz gibt. Wenn wir grob von drei Bereichen sprechen, die das Bankgeschäft umfasst, dann ist das die Vermögensverwaltung, das Finanzieren und der Zahlungsverkehr. In allen drei Bereichen gibt es Versuche zur Automatisierung. Robo Advice ist so ein Stichwort: Algorithmen, die automatisch investieren. Nur, vertrauen Sie denen? Auch beim Zahlungsverkehr ist es das fehlende Vertrauen in Maschinen, das die Konkurrenz nicht allzu stark werden lässt. Wer sorgt denn dafür, dass meine Daten, die ich am Abend eingebe, auch umgesetzt werden? Dafür braucht es Vertrauen in Personen. Bei der Finanzierung dasselbe.

zentralplus: Allerdings findet dieser Wandel zur Automatisierung in einigen Branchen sehr erfolgreich statt.

Niquille: Es gibt sicher auch beim Bankengeschäft Menschen, die sich für automatisierte Angebote interessieren. Aber das ist eine Nische. Und vor allem: Bei all diesen Automatisierungsversuchen wird der Mehrwert nicht durch Beratung geschaffen. Das ist aber genau unser Kerngebiet. Deshalb wird uns die Konkurrenz aus dem Internet, wenn man sie so nennen will, noch eine Weile nicht stärker beeinträchtigen. Es gibt allerdings technische Entwicklungen, die sehr wohl spannend sind, aber dort sind wir überall mit dabei. Wir wollen natürlich auch, dass der Kunde jederzeit und mobil und auf jedem Gerät sich selber mit Bankdienstleistungen bedienen kann.

zentralplus: Also keine Angst vor dem Internet. Nun haben Sie allerdings gleichzeitig angetönt, dass sich an den Öffnungszeiten der einzelnen ZKB-Filialen etwas ändern wird. Das klingt ein bisschen nach Rückzug. Gibt es da schon konkrete Pläne?

Niquille: Wir haben diese Änderungen teilweise schon umgesetzt. Aber dazu kann ich auch ganz klar sagen: Am Filialnetz halten wir fest. Das einzige, was sich in Zukunft ändern kann, sind die Öffnungszeiten für spontane Bankbesuche. Da kann es sein, dass eine Filiale nur noch an gewissen Tagen geöffnet ist. Es ist einfach so, dass es nicht mehr so viele Gelegenheiten gibt, bei denen man sich spontan für einen Bankbesuch entscheidet. Viele Dienstleistungen lassen sich als Selbstbedienung beziehen, im E-Banking etwa oder am Bankomaten. Mit den neuen Öffnungszeiten müssen wir unsere Kunden zu einem Umdenken bewegen. Natürlich ist das eine Massnahme, die vor allem der Bank nützt. Es macht einfach mehr Sinn, dass ich eine ausgebildete Beraterin so einsetze, dass sie möglichst oft in Beratungen mit Kunden ist. Und nicht darauf wartet, dass Laufkundschaft kommt. Aber Beratungstermine sind weiterhin jederzeit in jeder Filiale möglich.

zentralplus: Ähnliche Massnahmen bei der Post etwa führen regelmässig zu grosser Empörung. Auch eine Kantonalbank wird als Service Public verstanden. Ist das ein erster Schritt der Zuger Kantonalbank auf eine Konzentration hin?

Niquille: Nein, das ist es nicht. Natürlich kann ich Ihnen nicht sagen, was in zehn oder zwanzig Jahren ist. Aber für die absehbare Zukunft wollen wir am heutigen Filialnetz festhalten. Natürlich kann es sein, dass sich Leute von neuen Öffnungszeiten im ersten Moment vor den Kopf gestossen fühlen – wie bei jeder Änderung. Aber ich bin überzeugt, dass unsere Kunden verstehen werden, weshalb wir das so handhaben.

«Auch wenn die Zinsen so tief bleiben, wie sie heute sind, gibt es Möglichkeiten, als Bank Geld zu verdienen. Aber es wird nicht einfach.»

zentralplus: Was sind die gossen Herausforderungen, die die Zuger Kantonalbank in Zukunft bewegen werden?

Niquille: Die grosse Frage ist, wie sich die Zinsen entwickeln werden. Da gibt es drei Szenarien. Sie können gleich bleiben, steigen oder noch weiter sinken. Jede Prognose ist Kaffeesatzlesen. Wir sind in jedem Fall gefordert. Auch wenn die Zinsen so tief bleiben, wie sie heute sind, gibt es Möglichkeiten, als Bank Geld zu verdienen. Aber es wird nicht einfach.

zentralplus: Das tun Sie momentan etwa, indem Sie bei der Nationalbank Geld von anderen Banken parkieren – aber wie funktioniert das genau?

Niquille: Jede Bank hat bei der Nationalbank einen Freibetrag, bis zu dem sie Geld deponieren darf, ohne Negativzinsen zu bezahlen. Wir können nun Geld von anderen Banken aufnehmen, die ihren Freibetrag schon erreicht haben, und es bei der Nationalbank parkieren.

«Das ist das Schöne am Bankgeschäft, wir verdienen Zinsen, während wir hier reden.»

zentralplus: Aber damit ist das Potential ja dann ausgeschöpft – irgendwann ist dieser Freibetrag erreicht.

Niquille: Das stimmt, aber wir erhalten weiterhin Zinsen. Das ist das Schöne am Bankgeschäft (lacht), wir verdienen Zinsen, während wir hier reden. Aber das ist nicht so, dass wir sagen würden: Wow, damit lässt sich Geld verdienen. Es ist bloss ein Mittel, um in diesem schwierigen Zinsumfeld bestehen zu können.

zentralplus: Für die Kantonalbank steht seit jeher das Hypothekargeschäft im Zentrum. Sie haben bei der Pressekonferenz zum Resultat 2016 gesagt, der Zuger Immobilienmarkt sei womöglich daran, sich zu normalisieren. Was bedeutet das – ist der grosse Run auf Zuger Boden trotz der anhaltenden Zuwanderung vorbei?

Niquille: Der Immobilienmarkt normalisiert sich dann, wenn Angebot und Nachfrage übereinstimmen. Das merkt man in Zug etwa daran, dass eine Immobilie womöglich auch mal ein halbes Jahr nicht verkauft wird. Das ist in Ordnung. Die Nachfrage für teure Immobilien ist etwas gesunken. Das bedeutet aber nicht, dass die Nachfrage für Wohnungen im mittleren Segment nicht immer noch sehr stark ist. Eine für Zuger Verhältnisse günstige Wohnung findet nach wie vor sehr schnell Abnehmer.

zentralplus: Nun steht die Zuger Kantonalbank offenbar gut da: Ihren Zahlen zufolge ist sie im Bankenvergleich im vorderen Drittel unterwegs. Braucht eine so gute Bank überhaupt noch eine Staatsgarantie, wie die Zuger Kantonalbank sie hat?

Niquille: Da muss ich Ihnen sagen: Das ist nicht meine Entscheidung. Es ist der Kanton, der darüber entscheidet. Brauchen wir sie? Faktisch: Nein. Wir dürfen nicht mit der Staatsgarantie im Hinterkopf arbeiten. Wir müssen aus eigener Kraft stark sein. Aber für die Kunden ist die Staatsgarantie schon ein zusätzlicher Faktor, der das Vertrauen stärkt.

zentralplus: Zum Schluss: Sie sind seit sechs Monaten im neuen Haus. Hat sich die Renovation und der Umzug gelohnt?

Niquille: Ich denke, ich kann für fast die gesamte Belegschaft sprechen, wenn ich sage: Es geht uns sehr gut hier. Das Klima, die Helligkeit und überhaupt die Räumlichkeiten sind sehr angenehm.

zentralplus: Und der Brand der Baustelle, steckt der noch in den Köpfen?

Niquille: Nein. Ich muss mich ehrlich gesagt schon fast fragen, in welchem Jahr er überhaupt stattfand. Natürlich war das im Moment ein emotionales Erlebnis. Aber da es zum Glück nur zu Sachschaden gekommen ist, ist der Brand schon fast völlig in den Hintergrund gerückt. Wenn Sie mich fragen, was mich in den letzten vier Jahren bewegt hat, dann kommt mir nicht der Brand als Erstes in den Sinn – sondern die Eröffnungsfeier des neuen Hauptsitzes.

 

Der Brand 2014 sorgte in der Stadt Zug für grosses Aufsehen:

Grossbrand in der Zuger Kantonalbank: Der Rauch verteilte sich in der ganzen Stadt.

Grossbrand in der Zuger Kantonalbank: Der Rauch verteilte sich in der ganzen Stadt.

(Bild: Sascha Herold)

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