Recherchen zeigen das Ausmass

Zug ist eine Drehscheibe für russische Kohle

Dass Zug beim weltweiten Kohlehandel eine tragende Rolle spielt, ist Jo Lang ein Dorn im Auge. (Bild: zvg)

Wusstest du, dass rund 75 Prozent der russischen Kohle über die Schweiz gehandelt wird? Der Kanton Zug spielt bei dem Handel eine entscheidende Rolle.

Der Schweizer Finanzplatz wird mit russischer Kohle geheizt. Allein im Kanton Zug sind 52 Kohleunternehmen registriert. 12 von diesen Unternehmen werden direkt von russischen Staatsbürgern kontrolliert.

Damit gehört Zug mit Genf und Lugano zu den wichtigsten Plätzen, die mit Kohle handeln. Laut Recherchen von PublicEye haben die neun grössten russischen Kohleförderer in den letzten zwanzig Jahren entweder in Zug oder im Nordosten der Schweiz eine Niederlassung.

Die Schweiz spielt im globalen Kohlehandel eine gewichtige Rolle

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine ist viel über Zuger Verbindungen in den russischen Gashandel geschrieben und diskutiert worden (zentralplus berichtete). Das Kohlegeschäft war kaum Thema. Dabei ist der Schweizer Handelsplatz für Russland sehr wichtig. Laut den PublicEye-Recherchen werden jährlich rund 212 Millionen Tonnen russische Kohle exportiert. Der grösste Teil davon, nämlich fast 75 Prozent, wird von Schweizer Boden aus gehandelt.

Das beisst sich gewaltig mit dem Versprechen, das unser Land an der Klimakonferenz in Glasgow gegeben hat. Die Kohle soll aus den Geschichtsbüchern verschwinden. In Tat und Wahrheit ist die Schweiz ein globales Schwergewicht im Handel mit Kohle.

Bei diesem Spiel mit an Bord sind die Schweizer Banken. Laut den Recherchen finanzieren diese weiterhin, trotz eines gegenteiligen Versprechens, den Kohlehandelsstandort Schweiz. Wie hoch die Summen effektiv sind, ist durch Verschleierung unmöglich zu beziffern.

Grösster Fisch auf Zuger Kohlemarkt heisst «Suek»

Der grösste Kohleproduzent von Russland ist die «Suek». Jährlich fördert der Produzent über 100 Millionen Tonnen Kohle in seinen 19 Tagebaugruben. Die Suek AG hat seit 2004 einen Sitz in Zug. Von der Zentralschweiz steuert der Kohleproduzent den Verkauf von sibirischer Kohle an den atlantischen Markt.

Die Firma hat ihre Adresse an der Baarerstrasse und teilt sich den Eingang mit einer Filiale der Zuger Kantonalbank. Suek gehört Andrei Melnitschenko, der in der Schweiz gelebt hat, bevor diese die EU-Sanktionen gegen Russland übernahm. Das «Forbes»-Magazin schrieb im März 2021, dass er ein Vermögen von rund 16 Milliarden Franken besitze.

Melnitschenko ernannte am 8. März seine Frau zur Firmenberechtigten. Damit wurde sie zur Eigentümerin von Suek. Mit diesem Manöver umgeht Melnitschenko legal die Sanktionen, die erst am Tag danach in Kraft traten. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), gab dafür grünes Licht. Genutzt hat es dem Ehepaar wenig. In der Zwischenzeit steht auch Frau Melnitschenko auf der EU-Sanktionsliste. Der Bundesrat hat dieses Sanktionspaket am 10. Juni übernommen.

Im Schatten von Suek gedeihen Kohlehändler in Zug

Neben dem grössten russischen Player Suek kommen laut Recherchen von Public Eye noch mehrere gewichtige Händler aus Zug. Die Firmen verbindet gemäss der Non-Profit-Organisation ein Detail: Sie sind alle in den Händen von Geschäftsleuten, die eine enge Verbindung zum Kreml haben.

Eine spannende Firma ist beispielsweise Kolmar LLC. Die hat ihren Sitz am selben Ort, an dem auch die Tradingfirma KSL AG zu Hause ist. Die Gründerin von KSL ist eine Verwandte Putins, die in ihrer Jugendzeit eine enge Verbindung zum russischen Präsidenten pflegte. Anna Tsivileva, geborene Putina, gehörten laut Berichten von Le Temps 70 Prozent der Mutterfirma Kolmar, die restlichen dem Oligarchen Gennady Timcheko (zentralplus berichtete).

Jo Lang macht die Zuger Kohlesituation sauer

Die Situation stösst dem ehemaligen Zuger Grüne-Nationalrat Josef Lang sauer auf.

Dass in Zug mit Kohle Kohle gescheffelt wird, ist nicht neu. Josef Lang erklärt gegenüber zentralplus: «Dass Zug auch in der Kohlenfalle sass, das war uns bekannt wegen Glencore. Dass die Kohleunternehmen, insbesondere die russischen, eine derart starke Präsenz in Zug haben, das hat mich dann doch überrascht.»

Seit der Machtübernahme von Putin haben sich mehrere Kohleproduzenten in Zug niedergelassen. Das zeigt laut Einschätzung von Josef Lang, dass sich der Kreml nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus strategischen Gründen für Zug entschieden habe. «Dazu passt die Friedenspreisverleihung im Zuger Casino 2002 und die Landung mehrerer Putin-Gesellschaften wie NordStream ab Ende 2005. Wir hatten damals vor diesen Risiken gewarnt – auch aus Solidarität mit der Ukraine. Zudem macht die Kohle den Standort Zug – zusammen mit Gas, Öl und Bitcoin – zu einem Klimakillerhotspot.»

Josef Lang kritisiert «Ethikfreiheit» bei Zuger Wirtschaft

Das Seco hat das Suek-Manöver abgesegnet. Dies lässt laut Lang tief blicken. «Das zeigt die Ethikfreiheit der Wirtschaftsförderung, wie sie das Seco praktiziert und wie sie im Kanton Zug seit Jahrzehnten dominiert.» Dieser «wertefreie Standortfundamentalismus» sei unter anderem von Zuger Nationalrat Gerhard Pfister offensiv vertreten worden, kritisiert Lang. Er verweist auf Reden, die der Mitte-Präsident vor dem 24. Februar 2022 gehalten habe.

Eine Taskforce, welche für die umfassende Umsetzung der Sanktionen gegen Russland sorgt, sei dringlicher denn je. Allerdings lehnte der Zuger Kantonsrat eine solche Anfang Mai ab (zentralplus berichtete). Auch auf nationaler Ebene war die Forderung nach einer solchen chancenlos – auch wegen Stimme aus der Mitte (zentralplus berichtete). «Die Mitte tut, als hätte sie sich seit dem Ukraine-Krieg geändert», kritisiert Josef Lang. Aus seiner Sicht sind den Worten aber keine Taten gefolgt.

Tiefsteuerpolitik ist Lang ein Dorn im Auge

Die Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt hat einen Vorstoss eingereicht, der Transparenz über die Eigentümerschaft von ausländischen Firmen bringen soll (zentralplus berichtete). Die Antwort des Bundesrats steht noch aus.

Josef Lang erhofft sich von der aktuellen Diskussion ein Umdenken in der Zuger Wirtschaftskultur. «Das wichtigste ist der Abschied von den beiden verhängnisvollen Zuger Spezifika: Tiefststeuerpolitik, die auf dubiose Firmen besonders anziehend wirkt und viele Familien aus dem Kanton vertreibt. Und die grassierende Willfährigkeit gegenüber Konzernen und Reichen, die Heinz Tännler ‹Willlkommenskultur› genannt hat.»

Verwendete Quellen
  • Recherche von «Public Eye»
  • Telefonat und E-Mail-Verkehr mit Jo Lang
  • Zusammenfassung eines Talks zum Erfolgsmodell Zug mit Gerhard Pfister
  • Motion der Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt
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3 Kommentare
  • Profilfoto von Wupi
    Wupi, 18.06.2022, 08:49 Uhr

    Zug hat den schlechtesten Ruf der Schweiz und schadet dem Image unseres Landes.

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    • Profilfoto von Glarner Rösti
      Glarner Rösti, 18.06.2022, 14:08 Uhr

      Naja, es entspricht halt schon der Schweizer Tradition.

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  • Profilfoto von urugawa
    urugawa, 17.06.2022, 18:15 Uhr

    Ich werde ab sofort Mehrkosten bei Strom, Heizung, Miete, Nahrung, Steuern usw. an Jo Lang und Manuela Weichelt weiterleiten. Da beide nicht unvermögend sind werden sie sich sicher mit einer Zuger Geringverdienerin solidarisch zeigen.

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