«Insider» (41) ist tot – Ausgang lebt weiter

Zentralschweizer «Bunte» klammheimlich eingestellt

Bibel des Zentralschweizer voyeuristischen Genusses: der «Insider».

(Bild: Screenshot persoenlich.com)

Man hat ihn nicht wirklich gebraucht, aber der «Insider» war durchaus nice to have. 41 Jahre lang belieferte er die Zentralschweiz mit Party-People-Föteli, Event-Tipps und Gastro-News. Doch das bekannte Lifestyle-Magazin gibt’s nicht mehr: Die LZ Medien liessen dem bunten Heftchen ganz still die Luft raus. Ein Konkurrent sprang bereits in die Lücke.

«Guck mal, wie der Beizer xy fett und alt geworden ist!» – «Muss die wirklich mit so einem knappen Rock posieren? Geschmacklos!» Kommentare, die beim Durchblättern des «Insider» an der Tagesordnung waren. Das handliche Magazin war eine «Bunte» oder «Gala» im Kleinformat, ideal für unsere kleinbürgerliche Region. Klatsch und noch mehr Tratsch aus der Zentralschweiz.

Fundus für Klatsch und Tratsch: die Party-Föteli, hier vom Club der 200.

Fundus für Klatsch und Tratsch: die Party-Föteli, hier vom Club der 200.

(Bild: Insider)

Es ging den meisten so, wenn sie das Hochglanzmagazin mal in die Hände bekamen: Man hat mit voyeuristischem Genuss die kleinen Fotos von den Beizen-Eröffnungen oder Galaanlässen angeschaut und sich gefreut, wie sich die regionale Cervelat-Prominenz rausgeputzt hatte. Das war allerliebst.

Gratisheft

Und mehr noch: Viele Zentralschweizer informierten sich über regionale News und Events aus den Bereichen Gastronomie und Nachtleben, Shopping und People. 41 Jahre lang wurden die Luzerner und Zuger alle zwei Wochen mit dem «Insider» up to date gehalten. Es gab das kleinformatige Heft gratis an diversen Verteilerboxen, in Restaurants und Hotels.

Der «Insider» richtete sich in einer Auflage von 20’000 Exemplaren vor allem an konsum- und unterhaltungsorientierte Menschen zwischen 20 und 54 Jahren. Tempi passati: Die NZZ-Mediengruppe hat das Lifestyle-Magazin bereits Ende März eingestellt. Kaum jemandem fiel das auf, nur wenige trauerten. Die letzte Ausgabe dümpelte noch bis Mitte April in den Boxen dahin – doch die sind mittlerweile auch verschwunden. Klammheimlich abgewürgt: Auch Webseite und Facebook-Seite wurden mysteriöserweise gelöscht.

Vermehrt für Jugendliche

Dabei war eine Blutauffrischung geplant gewesen: Im Juni 2016 erst hatte die NZZ-Gruppe, das Mutterhaus von Luzerner Zeitung, Radio Pilatus und Tele 1, den «Insider» frisch übernommen. Man wollte die Inhalte digitalisieren und vermehrt Jugendliche ansprechen, wie der Verlag damals verlauten liess: «Die Einbindung in ein grösseres Medienunternehmen ermöglicht es, das Produkt digital auszubauen und die Marke auch mittels Radio und TV zu stärken.»

«Gutes und beliebtes Produkt», urteilte Florian Hofer, Chefredaktor der Zentralschweizer Anzeiger und Magazine beim NZZ-Verlag.

«Gutes und beliebtes Produkt», urteilte Florian Hofer, Chefredaktor der Zentralschweizer Anzeiger und Magazine beim NZZ-Verlag.

(Bild: zvg)

«Der Umfang der letzten Ausgaben war am unteren Limit gewesen.»

Florian Hofer, Chefredaktor der Zentralschweizer Anzeiger und Magazine beim NZZ-Verlag

Doch dazu kam es nicht mehr, weil zu wenig Inserate verkauft werden konnten, wie Florian Hofer, Chefredaktor der Zentralschweizer Anzeiger und Magazine beim NZZ-Verlag, erklärt. Hofer: «Ich bedaure die Einstellung des Magazins, auch weil es ein gutes und beliebtes Produkt war. Aber der Umfang der letzten Ausgaben war am unteren Limit gewesen.»

Digital nur schwach präsent

Lukas Z’berg, letzter «Insider»-Redaktionsleiter, sagt: «Das Heft war in grosser Denkplanung. Es war ein schwieriges Produkt, weil es digital nur schwach präsent war und mit seinem Auftritt nicht mehr die heutigen Jugendlichen ansprach.» Webauftritt und Traffic auf den sozialen Medien sollten deshalb markant gesteigert werden.

«Digital schwach präsent», fand Lukas Z’berg, letzter «Insider»-Redaktionsleiter.

«Digital schwach präsent», fand Lukas Z’berg, letzter «Insider»-Redaktionsleiter.

(Bild: zvg)

«Es war ein schwieriges Produkt, weil es digital nur schwach präsent war und nicht mehr die Jugendlichen ansprach.»

Lukas Z’berg, letzter «Insider»-Redaktionsleiter

Obwohl das Layout aufgefrischt wurde, konnten weiterhin nicht mehr Inserate generiert werden. Lukas Z’berg weiter: «Viele Firmen machen heute selber Werbung auf Social Media.» Seine Stelle wurde Z’berg zwar los, es gab für ihn aber eine interne Lösung im NZZ-Haus: Er arbeitet jetzt als Redaktor beim «Anzeiger Luzern», der Wochenzeitung der Stadt und Agglomeration Luzern mit einer Auflage von rund 100’000 Exemplaren. Dort finden Interessierte weiterhin auf Seite drei hübsche Promi-Föteli von sogenannt angesagten Events.

Oder noch besser: zentralplus bietet den vollumfänglichen Ausgangs-Service.

Ausgang-Infos neu im Internet

Über Tote soll man bekanntlich nichts Negatives sagen, dennoch fragte zentralplus auf der Strasse nach. Einige ehemalige «Insider»-Leserinnen, die zentralplus am Luzerner Schwanenplatz und bei der Kantonalbank angetroffen hat, bedauern das Ableben des Hochglanzmagazins.

Eine 43-jährige Mutter aus Malters sagte: «Ich habe den ‹Insider› immer mit nach Hause genommen und durchgeblättert. Aber für mich spielt es keine Rolle, ob er existiert oder nicht, denn ich habe zwei Kinder und gehe nicht aus.»

Steffi Zemp (26) aus Kriens findet auch: «Der ‹Insider› gab mir immer gute Tipps für den Ausgang.» Jetzt muss Steffi Zemp auf das Internet zurückgreifen und zudem auf Plakate achten.

Der «Insider» (41) ist tot – doch der Ausgang lebt unbeirrt weiter. Wer weiterhin ein Gratismagazin in Händen halten will, kann sich an den neuen marktindex.ch halten: Das 64-seitige Heft von Geschäftsführer Roger Givel ist im Mai in die Lücke gesprungen und liegt in mehr als 600 Luzerner und Zentralschweizer Betrieben wie Restaurants, Coiffeur-Läden und Lokalen auf. Das stark kommerziell ausgerichtete Heft ist auch online abrufbar. Allerdings nur noch ganz selten mit den allerliebsten Party-Fotos der regionalen Cervelat-Prominenz.

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