Luzerner Optiker behauptet sich seit über 100 Jahren

«Wollten wir mit Fielmann preislich mithalten, wir wären bald bankrott»

Das Trio, welches bei Kost+Brechbühl die Zügel in der Hand hält (von links): Urs Rölli, André Gloor und Alceo Benedetti. (Bild: sib)

Auf der einen Seite lauern die Online-Anbieter, auf der anderen drohend die Billiganbieter. Das Luzerner Optikergeschäft Kost+Brechbühl hat keinen einfachen Stand – und hält trotzdem schon seit über 100 Jahren die Stellung an der Pilatusstrasse.

Links rauschen die Autos auf der Pilatusstrasse vorbei, rechts bahnt sich Bus um Bus seinen Weg in die Hirschmattstrasse. Viel prominenter als an dieser zentralen Strassenkreuzung mitten in Luzern könnte das Optikergeschäft Kost+Brechbühl kaum gelegen sein. Seit 1912 werden an der Pilatusstrasse 19 Brillen verkauft. Entsprechend ist der Laden vom Stadtbild eigentlich nicht mehr wegzudenken.

Und doch ist es ein ungewohntes Bild, das sich einem bietet. Grund dafür ist, dass im Innern des Geschäfts zuletzt mächtig Hand angelegt wurde. Fünf Wochen lang wurde im Herbst das Interieur modernisiert, bevor sich Kost+Brechbühl Ende Oktober im neuen Kleid präsentieren konnte.

«26 Jahre nach dem letzten Umbau wollen wir uns so für die Zukunft wappnen», erklärt Alceo Benedetti. Er führt das Geschäft gemeinsam mit André Gloor und Urs Rölli (siehe Box). Wie viel der Umbau gekostet hat, möchte Benedetti nicht verraten, spricht jedoch von einer sechsstelligen Summe. «Ein Standortwechsel war für uns nie ein Thema. Nicht nur sind wir hier verwurzelt, er ist auch ideal in Bezug auf die Laufkundschaft», sagt der Luzerner.

Luzern ohne ein Optikergeschäft an der Pilatusstrasse 19 ist nur schwer vorstellbar. (Bild: sib)

Der Untergang wurde prophezeit

Tradition hin, zentraler Standort her. Der Optikermarkt ist ein sich wandelndes Haifischbecken, wie ihn Benedetti beschreibt. «Vor 20 Jahren kamen die Billiganbieter wie Fielmann oder Visilab nach Luzern. Den kleineren inhabergeführten Geschäften wurde der Untergang prophezeit», erinnert er sich.

Dieser blieb zwar aus, doch spricht Benedetti von einer «Gesundschrumpfung». So seien mehrere Optiker auf der Suche nach einem Nachfolger erfolglos geblieben.

«Wenn ich gewisse Leute auf der Strasse oder im Fernsehen mit ihrer Brille sehe, stehen mir die Haare zu Berge.»

Alceo Benedetti

Für Benedetti ist klar: «Wollten wir mit Fielmann oder McOptik preislich mithalten, wären wir innert Monaten bankrott.» Durch die unterschiedlichen Strategien könne man jedoch gut nebeneinander existieren.

Miss Schweiz hat ausgedient

Beschleunigt worden sei der Wandel im Optikergeschäft durch die Digitalisierung. «Immer mehr Brillen werden via Internet gekauft», so Benedetti, der unter anderem als Präsident des Vereins «Lozärner Altstadtfäscht» bekannt ist (zentralplus berichtete). Der Digitalmarkt spreche insbesondere ein junges Publikum an. «Viele im Alter ab 30 Jahren realisieren, dass sie sich wieder einen persönlichen Kontakt beim Kauf wünschen.»

Die Geschichte von Kost+Brechbühl

Das Optikerfachgeschäft an der Pilatusstrasse 19 besteht seit 1912. Seit 1955 ist es als Kost+Brechbühl bekannt, als Franz Kost und Bernhard Brechbühl das Geschäft übernahmen.

Nach dem letzten Umbau vor 26 Jahren zogen sie sich zurück und Gaby Brawand führte mit André Gloor das Geschäft. Später stiess Urs Rölli dazu, der bereits die Lehre bei Kost+Brechbühl absolviert hatte. Vor vier Jahren verkaufte Brawand ihre Anteile an Alceo Benedetti, der auch ihren Sitz im Verwaltungsrat übernahm.

Trotzdem: Kost+Brechbühl versucht über die sozialen Medien vermehrt die jüngere Generation anzusprechen. Der Ladenumbau konnte über Facebook und Instagram etappenweise mitverfolgt werden. Die Werbe- und Sponsoringstrategie wurde generell umgekrempelt. Lange Jahre lächelte die jeweils amtierende Miss Schweiz von Kost+Brechbühl-Plakaten. Derzeit wird die Nidwaldner Snowboarderin Jessica Keiser auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen 2022 unterstützt.

Mitarbeiter sollen ehrlich sein zu den Kunden

Eines der wichtigsten Credos, das er seinen Mitarbeiterinnen ausserdem mitzugeben versuche, sei die Ehrlichkeit beim Verkauf, sagt Benedetti. «Man muss unbedingt sagen, wenn jemandem eine Brille nicht gut steht. Wenn ich gewisse Leute auf der Strasse oder im Fernsehen mit ihrer Brille sehe, stehen mir die Haare zu Berge.»

Daneben setze Kost+Brechbühl in erster Linie auf Persönlichkeit und Qualität, um sich gegen die Billiganbieter zu behaupten. «Wichtig ist, dass dem Kunden ein grösseres Kauferlebnis geboten wird, als er erwartet», führt der gelernte Augenoptiker aus. Er macht dies anhand eines konkreten Beispiels fest: «Inzwischen bekommt man überall einen Kaffee angeboten und kann seine Brille zum Nachjustieren vorbeibringen – dies reicht also nicht mehr.» So beschäftige Kost+Brechbühl auch eine Farb- und Stilberaterin.

Andy Wolf statt Chanel

Bezüglich Qualität hat das Luzerner Traditionsgeschäft klare Vorstellungen, wie es bei den Kunden punkten will. Bei den Brillenherstellern wird nicht auf grosse Namen gesetzt, sondern auf Nachhaltigkeit, Naturmaterialen und kurze Wege. Statt Chanel und Gucci haben die Marken Namen wie Rolf, Andy Wolf Marcus Marienfeld oder Coblens und kommen aus der Schweiz und dem umliegenden Ausland – und nicht etwa aus China.

«Der Abendverkauf ist tot.»

Alceo Benedetti

Benedetti ist überzeugt von der Zukunft des Nasenfahrrads, auch wenn der Anteil an Linsenträgern dank verbessertem Tragekomfort zugenommen habe. Kost+Brechbühl lege den Schwerpunkt weiterhin auf Brillen. Die Platzaufteilung im Laden untermauert dies, ist das Kontaktlinsenstudio im oberen Stockwerk doch deutlich kleiner als die Brillenverkaufsfläche im Erdgeschoss.

Auch der Trend, sich die Augen operieren zu lassen, um auf sämtliche Sehhilfen verzichten zu können, spüre Kost+Brechbühl nicht zu sehr. «Ganz spurlos geht dies zwar auch an uns nicht vorbei. Doch für viele Leute ist eine Operation gar nicht erst möglich. Entweder aufgrund der Korrektur oder aus finanziellen Gründen», sagt Benedetti.

Es sei ihm ein Anliegen, das umliegende Gewerbe zu unterstützen, erklärt Benedetti. So wurde beim eingangs erwähnten Umbau ausschliesslich auf Luzerner Unternehmen gesetzt. Denn mit Sorge stelle er fest, dass immer mehr Geschäftsfelder aus der Innenstadt verschwinden. Dies sei auch dem Wandel der Zeit geschuldet, dass die Leute «heute lieber dort einkaufen, wo sie gleich alles am selben Ort erledigen können».

Appell an die Kunden

Mit dem Modegeschäft Aeschlimann bei der Luzerner Kantonalbank schliesst bald ein weiteres Traditionsgeschäft (zentralplus berichtete). «Das ist sehr schade und viele Leute drücken ihr Bedauern aus, wenn Geschäfte mit langer Geschichte dichtmachen müssen. Doch manch einer sollte sich auch an die eigene Nase fassen», sagt Benedetti. Denn: «Viele kaufen nicht mehr bewusst ein. Statt den Weg zum Detailhändler auf sich zu nehmen, wird die bequemere Variante des Online-Shoppings gewählt.»

Der Abendverkauf sei tot – insbesondere am Freitag. «Selbst am Donnerstagabend ist der Kundenstrom ein Rinnsal im Vergleich zum Fluss vor 20 Jahren», so der passionierte Trompetenspieler. Ausserdem herrsche in der Altstadt gastronomisch kaum mehr Leben. Doch sei selbstredend nicht alles schlecht. So verlagere sich die Gastroszene dafür immer mehr in die Neustadt. Und damit in Richtung Kost+Brechbühl.

Hinweis: Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Serie, in der wir Luzerner Traditionsgeschäfte und deren Erfolgsstrategie vorstellen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Markus Zopfi
    Markus Zopfi, 18.12.2019, 10:14 Uhr

    Das Geschäft wird preislich sicher im oberen Segment sein, wenn es auch eine Farb- und Stilberaterin beschäftigt. Diese Kunden können sich auch die Augen lasern lassen, kostet ja kaum mehr als eine Brille aus dem Fachgeschäft.

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